Donnerstag, 16. Mai 2024

Archiv


Das Web der nächsten Generation

Informatik. - Seit Montag treffen sich in Karlsruhe rund 400 Informatiker auf der SIGCOMM, einer Konferenz, die schon seit über zwanzig Jahren stattfindet - mal an der West- und mal an der Westküste der Vereinigten Staaten und dieses Mal in Deutschland. Die Veranstalterinnen sind stolz darauf, dass der Ruf der Informatik in Deutschland so gut ist, dass so viele Experten den weiten Weg auf sich genommen haben. Die Standorte Karlsruhe und München haben sich für diese renommierte Konferenz zusammengetan.

27.08.2003
    Von Klaus Herbst

    Uns interessiert, das Internet zu verbessern, das heißt, die gesamte Architektur immer wieder zu überdenken und darüber nachzudenken: Wie wird denn das Internet überhaupt genutzt?

    So beschreibt die Netzwerkarchitektin Professor Anja Feldmann von der Technischen Universität München das Thema der SIGCOMM. Man erforscht die sichere und leistungsfähige Struktur des Internet. Professor Martina Zitterbart leitet das Institut für Telematik an der Universität Karlsruhe. Internet-Tauschbörsen interpretiert sie als Vorboten innovativer, so genannter Overlay-Netze, die auf dem Internet aufsetzen - so wie das Internet auf dem Telefonnetz.

    Aus meiner Sicht ist jetzt gerade im Hinblick auf Technologien des Internet das Erscheinen der Overlay-Netze eine ganz wichtige Sache, weil sich da eben wirklich etwas herauskristallisiert, was zu ganz neuen Strukturen im Internet vielleicht in fünf oder zehn Jahren führen kann.

    Die Karlsruher Forscherin erarbeitet gerade den Prototypen eines elektronischen Marktplatzes als Overlay-Netz, als übergelagertes Netz.

    Die Zukunft wird, glaube ich, noch viel spannender aussehen. Da entwickeln sich heute auch Protokolle, wie solche Sachen sich selbst organisieren, ohne jedweden Server irgendwo dazwischen, sondern wirklich verteilt, im gesamten Internet existierend. Und die Herausforderung besteht darin: Wie kann ich denn jetzt solche komplexen Verteilungssysteme tatsächlich beherrschen?

    Ein Kunde will beispielsweise ein Kleidungsstück kaufen. Der PC, das Mobiltelefon, der Palmtop oder winzige Chips in der Kleidung, diese und viele andere Geräte suchen nach dem Produkt zum besten Preis.

    Genau da ist die Herausforderung. Die müssen miteinander kommunizieren, müssen Systeme kennen lernen, müssen feststellen, der eine ist ein Nachbar von mir. Der andere hat irgendwelche Informationen, die ich davon abgreifen kann. Ich würde aber sagen, man ist weit davon entfernt, das in der Komplexität zu beherrschen.

    Die Münchner Expertin betont, dass solche Trends robuste Netze brauchen. Sie erinnert an eine Beinahekatastrophe vor wenigen Wochen in Servern eines bestimmten Herstellers, welche die Datenströme im Internet weiterleiten:

    Dass eine Schwachstelle in Cisco-Routern existierte, wenn ein paar wenige Pakete kurz hintereinander an ein Interface gesandt wurden, das ist halt eine von den Stellen, wo ein Router Pakete entgegennimmt, dann hat der plötzlich aufgehört, über diese Schnittstelle weiterhin Pakete weiterzuleiten. Das kann dann dazu führen, dass plötzlich ein Router, der eine Billion Pakete pro Minute verarbeiten kann, plötzlich nur ein, zwei Pakete die Sekunde schafft. Dann steht das Internet still,

    sagt Anja Feldmann. Zum Thema Robustheit der Netze wird beispielsweise darüber diskutiert, ob die Provider, die Internetanbieter, weiterhin den Datenverkehr manuell routen, oder ob sich die Netze in Zukunft dynamischer verhalten - was den Vorteil hätte, dass Schwachstellen und Engpässe automatisch ausgeglichen würden. Der Trend geht in Richtung Dynamik. Freilich darf diese nicht so groß werden, dass die Netze oszillieren, sich also zu störenden Schwingungen aufschaukeln. Der Computerwissenschaftler Professor John Crowecroft von der Universität Cambridge ist überzeugt, dass völlig neue, auch sicherheitskritische Anwendungen über das Internet abgewickelt werden können.

    Zurzeit nutzen wir zur Kontrolle des Flugverkehrs separate Netzwerke, was hohe Kosten verursacht. Außerdem sind wir nicht in der Lage, zusätzliche Informationsdienstleistungen zu integrieren. Wir verlieren also den Mehrwert, die Leistungen ganz vieler Netzwerke zusammenzuführen. Die Informationssysteme werden nicht nur sicherer und kostengünstiger, sondern auch viel effizienter. Man könnte sich beispielsweise während eines Transatlantik-Flugs seine Lieblingsmusik von zu Hause in sein Laptop laden, das im Flugzeug mit einem W-LAN, einem lokalen Funknetzwerk, mit dem Internet verbunden ist.

    Zunächst aber müssen die Netze so robust werden, dass kein Hacker mit Attacken, Viren oder Würmern die Datenströme zum Erliegen bringen kann.