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Das Weiße Haus und die Medien
"Eine Verletzung üblicher Umgangsformen"

Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall, bewertet den Ausschluss renommierter Medien von einem Pressetermin des Weißen Hauses als problematisch. Die Pressefreiheit sei ein Grundrecht, sagte er im Deutschlandfunk - und dieses Grundrecht werde in den USA und auch in anderen Staaten zunehmend missachtet.

Frank Überall im Gespräch mit Doris Simon | 25.02.2017
    Das Bild zeigt Frank Überall, den Bundesvorsitzenden des DJV (Deutscher Journalisten-Verband).
    Der DJV-Vorsitzende Frank Überall (picture-alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Der Ausschluss mehrerer Medienvertreter sei auch deshalb problematisch, weil es kaum juristische Möglichkeiten gebe, dagegen vorzugehen, erklärte Überall. In der US-Verfassung sei festgelegt, dass verschiedenste Medien Zugang zu Informationen bekommen müssten. Nur so könnten sie ihrer Aufgabe nachkommen, die Öffentlichkeit zu informieren. Das Weiße Haus habe mit seinem Vorgehen in jedem Fall die üblichen Umgangsformen verletzt.
    "Trump hat sich schon im Wahlkampf und jetzt auch in der Präsidentenrolle zum Ziel gesetzt, Medien anzugreifen", so der DJV-Vorsitzende. Wichtig sei aber auch zu betonen: "Donald Trump alleine ist nicht Amerilka." So sei derzeit zum Beispiel zu beobachten, dass die "New York Times" mit ihrer kritischen Berichterstattung ihre Abo-Zahlen steigere. Es werde eine spannende Frage, ob sich das Volk in den USA die Umgehensweise Trumps auf Dauer gefallen lasse.
    Das Weiße Haus hatte von dem informellen Treffen mit Regierungssprecher Spicer gestern unter anderem Reporter der "New York Times", der "Huffington Post", des Fernsehsenders CNN und der britischen BBC ausgeschlossen.

    Das Interview in volller Länge:
    Doris Simon: Mitgehört hat Frank Überall, der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands. Grüße Sie!
    Frank Überall: Schönen guten Tag!
    Simon: Herr Überall, ein Präsidentensprecher macht ein Briefing nur für einige Medien. Das gibt es doch auch bei uns oder anderswo in demokratischen Ländern. Warum so eine Aufregung über die Aktion von Trumps Sprecher Sean Spicer?
    Überall: Na, es ist schon sehr speziell, das wurde ja gerade erläutert. In der Verfassung ist es in den USA auch festgelegt. Es ist absolut üblich, dass verschiedenste Medien diesen Zugang haben, diesen Zugang zu Hintergrundinformationen. Und da jetzt plötzlich zu wechseln, etwas ganz anders zu machen, das ist natürlich problematisch. Das ist auch deswegen problematisch, weil es natürlich nicht juristisch so ohne Weiteres einzuklagen ist, aber es verletzt die üblichen Umgangsformen. Und die Medien, das ist ja kein Selbstzweck. Wir Journalistinnen und Journalisten haben weltweit die Aufgabe, Kommunikation sicherzustellen, das heißt eben auch, die Öffentlichkeit zu informieren. Natürlich wird das dann auch kommentiert, und natürlich mag vieles einem nicht gefallen als Politiker, was von den Medien berichtet wird, aber es ist ein Grundrecht, es ist Pressefreiheit, es ist ein Menschenrecht, und das wird hier in den USA, aber in der Tat auch in anderen Staaten in Frage gestellt.
    Simon: Nun haben gestern bei diesem – nicht Briefing, aber bei dieser Art Pressestatements, das dann statt des Briefings kam, einige Medien, die hätten dabei sein können, trotzdem nicht teilgenommen, aus Protest. Hätten das Ihrer Meinung nach alle Medien, die da eingeladen waren, tun sollen?
    "Das ist brandgefährlich für die Demokratie"
    Überall: Das ist eine ganz schwierige Situation. Zum Beispiel haben wir es ja hier in Deutschland auch bei Parteitagen beispielsweise der AfD, wo ausgewählte Medien nur berichten dürfen. Es ist dann in der konkreten Situation sehr schwierig zu beurteilen: Berichtet man dann noch oder nicht? Die Inaugenscheinnahme, also das, was wirklich vor Ort passiert, ist durch nichts zu ersetzen. Insofern, denke ich, ist es richtig, darüber zu berichten. Es ist aber dann auch richtig und vor allem wichtig, deutlich zu machen, dass eine plurale Meinungsbildung nicht mehr möglich ist, dass also nur ausgewählte Journalistinnen und Journalisten überhaupt in die Lage versetzt wurden, objektiv zu berichten aus eigener Anschauung. Das heißt, Medien, die darauf dann nicht hinweisen, die versündigen sich aus meiner Sicht dann auch an der Pressefreiheit.
    Simon: Ist das Ihrer Meinung nach gestern ein Testballon gewesen im Weißen Haus, oder könnte das jetzt öfter so kommen, dass bestimmte Medien einfach nicht mehr zugelassen werden?
    Überall: Mittlerweile, wir haben es ja vorhin in dem Beitrag gehört, kann man ja vor lauter Testballons in Sachen Angriffe auf die Pressefreiheit in den USA kaum noch den Himmel sehen. Die Schwierigkeit ist, dass sich ganz offensichtlich nicht nur im Wahlkampf, sondern, und das ist neu, auch in der Präsidentenrolle, Donald Trump zum Ziel gesetzt hat, Medien anzugreifen. Diese semantische Gleichsetzung Fake News gleich Medien beziehungsweise bestimmte Medien, ist brandgefährlich für die Demokratie. Und insofern testet er natürlich im Moment auch aus, wie weit er gehen kann. Aber eins ist auch klar: Donald Trump alleine ist nicht Amerika, ist nicht die USA. Es gibt ja beispielsweise deutliche Abo-Steigerungen bei der "New York Times", die er so deutlich auf dem Kieker hat. Auch Bürgerrechtsorganisationen haben im Moment Zulauf in den USA. Insofern ist es eine ganz spannende Entwicklung, wie das Ganze jetzt weitergeht und ob sich das amerikanische Volk das so tatsächlich auf Dauer gefallen lässt.
    Simon: Unser Korrespondent hat ja auch Donald Trump und seine Meinung zum Quellenschutz angesprochen. Donald Trump hat gesagt, es sollte Medien, kritischen Medien nicht mehr erlaubt sein, Quellen zu nutzen, wenn sie nicht den Namen nennen der Quelle. Warum ist dieser Grundsatz dieser Pressefreiheit, Quellenschutz, so wichtig?
    "Wir kennen solche Einschränkungen nur aus autoritär regierten Staaten"
    Überall: Wir kennen eine solche Einschränkung eigentlich nur aus autoritär regierten Staaten, und es ist wichtig, dass eben Quellen geschützt werden können. Auch das ist in den meisten Gesetzen, auch hierzulande, selbstverständlich geschützt. Und es ist doch nicht so, dass wir in irgendeiner Weise eine dubiose Quelle uns irgendwie anhören und dann alles auf Sendung geben oder ins Blatt bringen. Sondern es gilt meistens das sogenannte Zwei-Quellen-Prinzip, das heißt, man checkt noch einmal gegen, kann das überhaupt stimmen, ist das plausibel? Und man braucht natürlich sogenannte Whistleblower, also Menschen, die aus den internen Behörden zum Beispiel uns mit Informationen versorgen, und – noch einmal – die dann gegengecheckt werden müssen. Das ist natürlich eine unselige Tradition auch in den USA, das ist nicht allein bei Trump so: Edward Snowden ist verfolgt worden, obwohl er auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam gemacht hat bei der CIA-Affäre*. Das ist ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess: Wie viel freie Information wollen wir eigentlich? Das spielt sich jetzt ganz extrem, wie unter einem Brennglas zu beobachten, in den USA ab, und das ist letzten Endes auch eine Herausforderung, vor der wir weltweit, also auch in Deutschland, stehen.
    Simon: Sehen Sie in diesem, wie Sie es nennen, gesellschaftlichen Aushandlungsprozess, freie Presse, auch die Notwendigkeit zum Beispiel für US-Medien, rechtliche Schritte einzuleiten, oder hilft das in dieser Sache nicht weiter?
    Überall: Es wird immer sinnvoll sein, auch zu prüfen, was juristisch da möglich ist, aber die rechtlichen Regeln sind da zum Teil relativ lasch, weil es so Selbstverständlichkeiten sind, demokratische gesellschaftliche politische Selbstverständlichen, und da hilft dann letzten Endes nur das schärfste Instrument, das wir Medien haben, das aber auch Politik hat, nämlich die Öffentlichkeit. Man muss diesen Diskurs jetzt führen. Man darf die Testluftballons nicht einfach steigen lassen und wehmütig hinterherschauen, sondern man muss offensiv damit umgehen und offensiv darüber diskutieren, ohne Schaum vorm Mund. Man muss sich darüber auseinandersetzen und auch darauf achten, dass natürlich Verfassungsgrundsätze eingehalten werden. Und da kann die eine oder andere Verfassungsbeschwerde dann durchaus auch helfen.
    Simon: Ganz kurz zum Schluss noch ein Blick auf etwas aus unserem eigenen Land: Der Bundesnachrichtendienst soll ausländische Journalisten abgehört haben, das berichtet "Spiegel online". Das ist an sich nicht verboten – ist es trotzdem problematisch?
    "Das können nicht alles Spione sein"
    Überall: Es ist trotzdem problematisch, weil auch hier die Pressefreiheit ausgehöhlt wird. Wir fordern als Deutscher Journalistenverband und auch viele andere Organisationen von der Bundesregierung hier ganz klar Aufklärung.
    Simon: Auch, wenn zum Beispiel ausländische Journalisten – das ist ja in der Vergangenheit schon mal vorgekommen – als Spione arbeiten könnten.
    Überall: Das ist der extreme, seltene Fall, und das muss dann eben entsprechend eben auch richterlich genehmigt werden, eine solche Abhöraktion, wenn sich jemand aus unserem Berufsstand strafbar macht. Aber das ist ja nun nicht der Regelfall. Und das Ausmaß, was der "Spiegel" dargestellt hat an Überwachung, das können nicht alles Spione sein.
    Simon: Sagt Frank Überall, der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes. Vielen Dank, Herr Überall!
    *Anmerkung der Redaktion nach Rücksprache mit dem Interviewten: gemeint ist die NSA-Affäre.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.