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"Das wird uns insgesamt in Europa schaden"

Kurt Joachim Lauk, Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, hat Frankreichs Hilfen für die heimische Autoindustrie als "absolut protektionistisch" kritisiert. Frankreich stelle damit "den freien Binnenmarkt auf den Kopf, für den wir gekämpft haben", sagte der Europaparlamentarier. Lauk rechnet damit, dass die EU-Kommission ein Verfahren in der Sache anstrengt.

Kurt Joachim Lauk im Gespräch mit Elke Durak |
    ElkeDurak: "Jeder ist sich selbst der nächste." So sollte es besser nicht sein, auch nicht in Krisenzeiten. Verfolgt man aber das, was sich gerade zwischen Frankreich und Deutschland abspielt, könnte man den Eindruck schon gewinnen. Heftiges politisches Geklapper auf ziemlich hoher Ebene findet statt wegen der jeweiligen Autohilfen. Frankreichs Premierminister hat die eigenen Maßnahmen mit Verweis auf das entsprechende deutsche Vorgehen verteidigt und als in Einklang mit europäischen Binnenmarktregeln befindlich erklärt - Stichwort Protektionismus. Auch damit wird sich ein EU-Sondergipfel am 01. März in Brüssel befassen. - Kurt Joachim Lauk ist Mitglied des Europaparlamentes und dort für Wirtschaft und Währung zuständig, zudem Koordinierung in Autofragen und Präsident des CDU-Wirtschaftsrates hier in Deutschland. Guten Morgen, Herr Lauk.

    Kurt Joachim Lauk: Guten Morgen, Frau Durak.

    Durak: Was ist protektionistisch, wenn Frankreich 7,5 Milliarden Euro in die eigene Autoindustrie steckt?

    Lauk: Das ist absolut protektionistisch. Den Weg sind wir nicht gegangen. Frankreich scheint seine schwache Automobilindustrie durch Kapitalzufuhr verteidigen zu wollen, und das wird uns insgesamt in Europa schaden. Die Regeln des Binnenmarktes werden nicht eingehalten, auch wenn dort das Gegenteil behauptet wird. Wir werden sicherlich zu erwarten haben, dass hier die EU-Kommission ein Verfahren anstrengt.

    Durak: Ist das also damit aufzuhalten, mit einem Verfahren, oder nicht mehr?

    Lauk: Nein, es wird damit nicht aufzuhalten sein. Aber es zeigt, dass hier der Binnenmarkt auf den Kopf gestellt wird, für den wir lange gekämpft haben und für den wir alle gearbeitet haben, und das kann nicht so einfach über Bord gekippt werden.

    Durak: Ist das vergleichbar mit dem, was heute Morgen zu lesen ist mit Blick ins "Handelsblatt", dass der neue Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg die Forderung des Autobauers Opel nach einer Milliardenbürgschaft zur Chefsache machen will? Er will sich mit GM-Konzernchef Wagoner treffen und ein Krisengipfel soll heute stattfinden und, und, und. Also eine Bundeshilfe für Opel wird es unter Umständen geben. Ist das vergleichbar mit dem, was in Frankreich passiert?

    Lauk: Nein, mit Sicherheit nicht. Zum einen ist die Hilfe für Opel eine amerikanische Angelegenheit. Das ist eine Tochter eines großen amerikanischen Konzerns, General Motors, und die müssen dafür sorgen. Opel selbst hat ja viel Liquidität erarbeitet, die natürlich von Amerika abgezogen worden ist. Das ist eine Innerkonzernangelegenheit, da kann man nicht so einfach mit Subventionen aus deutscher Hand amerikanische Konzerne unterstützen. Das macht wirklich keinen Sinn. Vor allem ist, wenn wir einmal anfangen, einen Konzern mit staatlichem Geld zu stützen, die Büchse der Pandora offen. Das heißt, es gibt eigentlich dann keine Begründung mehr, dem zweiten Unternehmen eine Staatshilfe zu versagen, und dann schlittern wir unmerklich, aber ganz konsequent in eine Staatswirtschaft, und das hat mit Marktwirtschaft und Wettbewerb, die Wohlstand für die Bevölkerung schaffen, nichts mehr zu tun.

    Durak: Aber ich verstehe es so, dass der neue Bundeswirtschaftsminister direkt mit Opel sprechen will. Also Bürgschaften sind in Sicht!

    Lauk: Zunächst einmal: Wenn er das über die KfW macht und die KfW als Bank zu dem Schluss kommt, dass das Geschäftsmodell vernünftig ist, dann ist das richtig. Nur die Verschachtelung im Konzern General Motors, zu dem Opel gehört, ist so hoch, dass offenbar es ganz schwer sein wird, Garantien zu erreichen, dass das Geld wirklich bei Opel bleibt.

    Durak: Herr Lauk, ein zweites Stichwort für unser Interview lautet "Abwrackprämie" in Deutschland, von Autoindustrie und Händlern auch gerne "Umweltprämie" genannt. Was ist es denn in Ihren Augen, Abwrackprämie oder Umweltprämie?

    Lauk: Es ist weder noch. Es ist ein Anreiz, den Konsum in diesem Land wieder in Gang zu bringen, denn wenn der Konsument nicht konsumiert, laufen die Fabriken nicht. Das war im Grunde der ganze Sinn der Angelegenheit. Im unteren Preissegment, so bis etwa 15.000 Euro, funktioniert das auch gut. Wir haben bewusst keine Vorschrift gemacht, dass es nur deutsche Autos sein dürfen, sondern der Verbraucher kann alle Autos kaufen. Ob das Japaner, Holländer oder Franzosen oder Koreaner sind, spielt überhaupt keine Rolle. Es geht um den Preis und um die Ankurbelung des Verbrauchs, denn nur dann laufen die Fabriken.

    Durak: Aber die Hälfte der Prämie kommt eben nicht deutschen Herstellern zugute nach jüngsten Berechnungen. War das wirklich im Sinne des Erfinders? Wo ist da die Konjunktur angeschoben in Deutschland?

    Lauk: Ja. Wir sind Exportweltmeister, und wenn im Ausland keine Nachfrage entsteht, können wir nicht exportieren. Das heißt, wir sind als Land, das strukturell vom Export lebt und die Arbeitsplätze im Export gesichert hat, darauf angewiesen, keinen Protektionismus zu betreiben. Insofern war diese Vorgehensweise völlig richtig.

    Durak: Ich habe noch die Worte des FDP-Landes- und -Fraktionsvorsitzenden in Niedersachsen im Ohr, den wir vor einer Stunde im Gespräch hatten, der sehr kritisch auf diese Prämie schaut und sagt, 2.500 Euro für ein Auto seien nicht einzusehen, wenn es 100 Euro für ein Kind gibt, also 25 Kinder gegen ein Auto, irgendwie ist das eine merkwürdige Rechnung. Finden Sie das auch so?

    Lauk: Der Vergleich hinkt und ist völlig unnötig. Es geht einmal um das Konsumverhalten, dass die Ausgaben wieder steigen, und es geht auf der anderen Seite um Familienpolitik, und die zwei Sachen sind nicht miteinander zu vermischen. Ich kann nicht ein Auto mit einem Kind vergleichen wollen. Ich halte das für eine absolute gedankliche Schieflage.

    Durak: Weshalb mussten es unbedingt Autos eigentlich sein?

    Lauk: Nein! Wenn den Betreibern des Konjunkturprogramms etwas Besseres eingefallen wäre, hätten sie wahrscheinlich was Besseres genommen. Nur wir sind so abhängig, 20 Prozent der Arbeitsplätze hängen vom Automobil ab, dass das wohl der wirksamste Zugang ist, den Konsum anzukurbeln. Es darf nicht verwechselt werden: Es ist keine Subvention für die Automobilindustrie.

    Durak: Soll die Prämie ausgeweitet werden, finanziell und zeitlich?

    Lauk: Wir müssen jetzt abwarten, wie sie wirkt. Sie hat gewirkt und möglicherweise ist das ausreichend. Wissen Sie, wir haben eine Situation, wo wir die Wirtschaft nicht mit staatlichen Geldern ankurbeln können. Dazu hat der Staat zu wenig Geld. Was wir brauchen, ist, dass die Wirtschaft wieder in Gang kommt, und dafür ist Voraussetzung, dass der Bankenmarkt, der Interbankenmarkt wieder funktioniert, und da sind wir leider noch nicht. Wenn der funktioniert, wird sich das andere richten.

    Durak: Herr Lauk, Sie sind Präsident des CDU-Wirtschaftsrates. Das ist sozusagen ein beratendes Gremium auch gerne für die Politik. Sie sind CDU-Mitglied. Es wird immer wieder gesagt, behauptet, der CDU fehle es inzwischen an Wirtschaftskompetenz, an Fachleuten dafür. Fühlen Sie sich da nicht getroffen?

    Lauk: Nein, überhaupt nicht, weil wir eine ganze Reihe von Fachleuten haben. Nehmen Sie unsere Ministerpräsidenten, von Oettinger über Koch bis Wulff, nehmen Sie Röttgen im Parlament, nehmen Sie Fuchs im Parlament, nehmen Sie jetzt den aus der CSU hervorgegangenen zu Guttenberg. Ich sage mal, mehr Köpfe kann man eigentlich in der wirtschaftlichen Kompetenz nicht bieten und braucht man auch nicht zu bieten. Wir sind da deutlich besser als jede andere Partei.

    Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass man eine konsequente Wirtschaftspolitik macht, und es fehlt natürlich dann an einem Kopf, wenn wir in den Staatskapitalismus abgleiten. Das kann kein Mensch mehr nachvollziehen und verstehen und passt nicht zum Profil der CDU. Nur: im Moment tun wir das nicht. Wir müssen aber davor warnen, dass das auch wirklich nicht passiert.