"Ah. Wir können das vielleicht noch mal machen, weil das ist nicht so gut synchronisiert ..."
Am Anfang ist Rhythmusgefühl gefragt. Jeder Besucher bekommt einen kleinen Lautsprecher in die Hand und muss ihn auf Kommando einschalten.
"Der Rest ist high tech ... aber dieser Teil ist ganz low tech."
Der Komponist Bill Dietz ist etwas verlegen, denn auch beim dritten Einschaltversuch laufen die Geräte nicht synchron. Zu hören ist eine Tonleiter, die nach dem Modulor-System von Le Corbusier bearbeitet wurde ...
Der Modulor ist ein von Le Corbusier entwickeltes Proportionsschema, mit dem das menschliche Maß zum Ausgangspunkt der Architektur gemacht werden sollte. Das Grundmaß ist die Körpergröße, die Le Corbusier mit 1,83 Meter annahm. Andere Kennmarken sind die Körpergröße mit ausgestrecktem Arm – 2,26 Meter – und die Bauchnabelhöhe – 1,13 Meter. Daraus leiten sich in vielen Corbusier-Gebäuden die Proportionen ab. Das Schema musikalisch anzuwenden, ist jedoch neu ...
"In westlicher Musik man hat Intervalle und Proportionen, die schon vorhanden sind, und die haben wir einfach ersetzt mit den Modulormaßen. Die Ergebnisse sind irgendwie ähnlich, aber wir würden das wahrscheinlich als verstimmt beschreiben."
Der Amerikaner Bill Dietz hat die ganze Führung nach Modulormaßen aufgebaut: Die Entfernungen, die man zurücklegt, die Zeitintervalle, in denen man geht oder stehen bleibt, die Klänge, die man hört – alles ist modulor berechnet. Doch das bekommt man natürlich nur mit, wenn man es weiß.
Der Rundgang ähnelt einer ganz normalen Architekturführung. Man durchquert nach einer kurzen Einführung das Gebäude und hört aus den mitgenommenen Lautsprechern Stimmen der Bewohner ...
"Am Anfang hatte ich ein Bild hängen und da ging der Nagel nicht so weit rein und irgendwann nachts um Drei ist es runter gefallen. Und unter mir sind sie erschrocken und ich stand auch da und habe nicht kapiert, was los war ..."
Die Hellhörigkeit des Gebäudes ist für viele Bewohner ein Thema. Doch sie ist kaum schlimmer als in anderen Häusern. Etwas Besonderes ist das Corbusier-Haus, weil sich an ihm viele Ideen des Architekten ablesen lassen. Nach seiner Errichtung galt es als "vertikale Stadt".
"Gedacht war ja, dass es wirklich eine Ladenstraße in der Hälfte des Gebäudes gibt, dass es auf dem Dach Freizeiteinrichtungen gibt, so wie in Marseille. Da gibt es einen Swimmingpool, ein Kino, eine Gymnastikhalle. Das wurde hier nur teilweise verwirklicht. Es gab am Anfang ein paar Geschäfte hier, aber die sind nach und nach eingegangen."
Erklärt Janina Janke von der Oper Dynamo West, die das Projekt gemeinsam mit Bill Dietz leitet. Das Berliner Corbusier-Haus ist heute ein reines Wohngebäude – ein riesiger Quader, der aus lauter übereinander geschichteten Kisten zu bestehen scheint. Da gemeinschaftsstiftende Orte fehlen, leben die Einwohner relativ anonym nebeneinander her. Und trotzdem bilden sie eine Gemeinschaft, sagt Bill Dietz.
"Eine Art von Gemeinschaft ist das vom Klang. Das drückt sich in der Hellhörigkeit des Hauses aus, was in manchen Fällen sehr extrem ist, in manchen Fällen gar nicht. Wir wollten darauf aufbauen."
Und das tut Dietz, indem er Lautsprecher hinter Wohnungstüren positioniert. Wenn die Besucher draußen vorübergehen, ist drinnen Musik zu hören. Im ersten Augenblick ahnt man gar nicht, dass das eine Inszenierung ist.
"Es gibt verschiedene Klänge – hauptsächlich modulorisierte Lieblingsmusik der einzelnen Bewohner, Stücke, die die uns empfohlen haben und die wir dann durch ein Modulorraster geschickt haben."
Was man durch die geschlossenen Türen aber kaum mitbekommt. Dass man eine Klanginstallation durchwandert wird erst klar, als hinter verschiedenen Türen Klaviertöne abgespielt werden, die zusammen eine Melodie ergeben.
Es ist eine leise, sehr zurückhaltende Inszenierung, die die Oper Dynamo West im Corbusier-Haus präsentiert. Die Musik drängt sich nicht in den Vordergrund und lässt genügend Raum für die Wahrnehmung der Architektur – endlos lange Flure, die mit Linoleum ausgelegt sind, kleine Wohnungstüren und – ein besonderes Detail - Brötchenklappen, hinter denen Lebensmittellieferanten Waren ablegen können. Die Idee ist gut, doch die Klappen wurden nie ihrer eigentlichen Bestimmung gemäß genutzt. Und das kann man auch vom gesamten Gebäude sagen. Es war nie die "vertikale Stadt" von der der Architekt träumte, ein Monument ist es trotzdem – und dank der Installation der Oper Dynamo West zudem ein spannender Klangraum.
Die Benützer
Oper Dynamo West
Am Anfang ist Rhythmusgefühl gefragt. Jeder Besucher bekommt einen kleinen Lautsprecher in die Hand und muss ihn auf Kommando einschalten.
"Der Rest ist high tech ... aber dieser Teil ist ganz low tech."
Der Komponist Bill Dietz ist etwas verlegen, denn auch beim dritten Einschaltversuch laufen die Geräte nicht synchron. Zu hören ist eine Tonleiter, die nach dem Modulor-System von Le Corbusier bearbeitet wurde ...
Der Modulor ist ein von Le Corbusier entwickeltes Proportionsschema, mit dem das menschliche Maß zum Ausgangspunkt der Architektur gemacht werden sollte. Das Grundmaß ist die Körpergröße, die Le Corbusier mit 1,83 Meter annahm. Andere Kennmarken sind die Körpergröße mit ausgestrecktem Arm – 2,26 Meter – und die Bauchnabelhöhe – 1,13 Meter. Daraus leiten sich in vielen Corbusier-Gebäuden die Proportionen ab. Das Schema musikalisch anzuwenden, ist jedoch neu ...
"In westlicher Musik man hat Intervalle und Proportionen, die schon vorhanden sind, und die haben wir einfach ersetzt mit den Modulormaßen. Die Ergebnisse sind irgendwie ähnlich, aber wir würden das wahrscheinlich als verstimmt beschreiben."
Der Amerikaner Bill Dietz hat die ganze Führung nach Modulormaßen aufgebaut: Die Entfernungen, die man zurücklegt, die Zeitintervalle, in denen man geht oder stehen bleibt, die Klänge, die man hört – alles ist modulor berechnet. Doch das bekommt man natürlich nur mit, wenn man es weiß.
Der Rundgang ähnelt einer ganz normalen Architekturführung. Man durchquert nach einer kurzen Einführung das Gebäude und hört aus den mitgenommenen Lautsprechern Stimmen der Bewohner ...
"Am Anfang hatte ich ein Bild hängen und da ging der Nagel nicht so weit rein und irgendwann nachts um Drei ist es runter gefallen. Und unter mir sind sie erschrocken und ich stand auch da und habe nicht kapiert, was los war ..."
Die Hellhörigkeit des Gebäudes ist für viele Bewohner ein Thema. Doch sie ist kaum schlimmer als in anderen Häusern. Etwas Besonderes ist das Corbusier-Haus, weil sich an ihm viele Ideen des Architekten ablesen lassen. Nach seiner Errichtung galt es als "vertikale Stadt".
"Gedacht war ja, dass es wirklich eine Ladenstraße in der Hälfte des Gebäudes gibt, dass es auf dem Dach Freizeiteinrichtungen gibt, so wie in Marseille. Da gibt es einen Swimmingpool, ein Kino, eine Gymnastikhalle. Das wurde hier nur teilweise verwirklicht. Es gab am Anfang ein paar Geschäfte hier, aber die sind nach und nach eingegangen."
Erklärt Janina Janke von der Oper Dynamo West, die das Projekt gemeinsam mit Bill Dietz leitet. Das Berliner Corbusier-Haus ist heute ein reines Wohngebäude – ein riesiger Quader, der aus lauter übereinander geschichteten Kisten zu bestehen scheint. Da gemeinschaftsstiftende Orte fehlen, leben die Einwohner relativ anonym nebeneinander her. Und trotzdem bilden sie eine Gemeinschaft, sagt Bill Dietz.
"Eine Art von Gemeinschaft ist das vom Klang. Das drückt sich in der Hellhörigkeit des Hauses aus, was in manchen Fällen sehr extrem ist, in manchen Fällen gar nicht. Wir wollten darauf aufbauen."
Und das tut Dietz, indem er Lautsprecher hinter Wohnungstüren positioniert. Wenn die Besucher draußen vorübergehen, ist drinnen Musik zu hören. Im ersten Augenblick ahnt man gar nicht, dass das eine Inszenierung ist.
"Es gibt verschiedene Klänge – hauptsächlich modulorisierte Lieblingsmusik der einzelnen Bewohner, Stücke, die die uns empfohlen haben und die wir dann durch ein Modulorraster geschickt haben."
Was man durch die geschlossenen Türen aber kaum mitbekommt. Dass man eine Klanginstallation durchwandert wird erst klar, als hinter verschiedenen Türen Klaviertöne abgespielt werden, die zusammen eine Melodie ergeben.
Es ist eine leise, sehr zurückhaltende Inszenierung, die die Oper Dynamo West im Corbusier-Haus präsentiert. Die Musik drängt sich nicht in den Vordergrund und lässt genügend Raum für die Wahrnehmung der Architektur – endlos lange Flure, die mit Linoleum ausgelegt sind, kleine Wohnungstüren und – ein besonderes Detail - Brötchenklappen, hinter denen Lebensmittellieferanten Waren ablegen können. Die Idee ist gut, doch die Klappen wurden nie ihrer eigentlichen Bestimmung gemäß genutzt. Und das kann man auch vom gesamten Gebäude sagen. Es war nie die "vertikale Stadt" von der der Architekt träumte, ein Monument ist es trotzdem – und dank der Installation der Oper Dynamo West zudem ein spannender Klangraum.
Die Benützer
Oper Dynamo West