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Daten-Ausspähung
Neue Vorwürfe gegen Vodafone

Britische Telekommunikationsfirmen sind offenbar tiefer in die Zusammenarbeit mit Geheimdiensten verstrickt als bislang bekannt. Dokumente aus dem Fundus von Whistleblower Edward Snoweden geben Hinweise auf Geldflüsse zwischen dem britischen Geheimdienst und dem Unternehmen Cable & Wireless, das zum Vodafone-Konzern gehört.

Von Thomas Kramer |
    Eien Frau geht telefonierend an einem Vodafone-Shop in London vorbei.
    Der Telekommunikationskonzern Vodafone sieht sich mit Vorwürfen konfrontiert, er habe dem britischen Geheimdienst bereitwillig Daten seiner Kunden überlassen. (AFP/ Justin Tallis)
    Cornwall, an der Südspitze von England. Nicht nur große Wellen treffen hier auf Land, auch große Datenkabel. Sie transportieren Millionen Telekommunikationsdaten. Der IT-Sicherheitsexperte an der Uni Hamburg, Hannes Federath, sagt:
    "Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch deutscher Datenverkehr über diese Leitungen geht. Wenn Sie beispielsweise Softwaredienste wie Amazon, Google oder Apple benutzen, dann müssen die Daten sehr häufig immer noch über den Atlantik und landen dann natürlich auf diesem Glasfaserkabel und können somit auch abgehört werden."
    Zum Beispiel vom britischen Geheimdienst GCHQ. Er soll über Jahre hinweg an einer Landestation Daten abgeschöpft haben. Das zeigen geheime Dokumente aus dem Fundus von Edward Snowden. Ein Team von NDR und WDR, der Süddeutschen Zeitung und dem britischen Fernsehsender Channel 4 hat sie ausgewertet. Danach scheinen britische Telekommunikationsfirmen wohl tiefer in die Zusammenarbeit mit Geheimdiensten verstrickt zu sein als bislang bekannt.
    Codename "Gerontic"
    Einige Firmen haben immer wieder beteuert, Daten nur dann an Geheimdienste weiterzuleiten, wenn sie dazu gesetzlich gezwungen sind. Die Dokumente jedenfalls zeigen eine unerwartet enge Zusammenarbeit der Geheimdienstler mit einem Partner namens "Gerontic". "Gerontic" sei der Tarnname für die Firma Cable & Wireless – seit 2012 gehört sie zu Vodafone.
    Mehrfach finden sich in den Dokumenten Hinweise auf Geldflüsse zwischen Geheimdienst und "Gerontic" – zumindest bis 2012. Immer sind es Millionenbeträge. Sandro Gaycken, IT-Experte von der FU Berlin, vermutet dahinter ein lohnendes Geschäftsmodell:
    "Das wird wahrscheinlich so gewesen sein, dass man rechtlich gezwungen wurde zu kooperieren, und das man sich dann gedacht hat: Wenn ich schon kooperieren muss, kann ich auch ein Geschäft draus machen."
    Vodafone weist Vorwürfe von sich
    Von einer solchen Geschäftspraxis hat Vodafone keine Kenntnis, man mache auch keinen Profit hiermit. Man sei nicht Partner der Geheimdienste und wisse auch nichts von besagten Tarnnamen. Generell betont Vodafone: Man gestatte Geheimdiensten und Behörden in keiner Form Zugang zu Kundendaten, es sei denn, man werde vom Gesetz dazu gezwungen. Bezüglich Cable & Wireless heißt es von Vodafone:
    "Wir haben noch vor dem Kauf 2012 überprüft, ob sich Cable & Wireless in der Vergangenheit immer gesetzeskonform verhalten hat. Und wir konnten keinen Beleg für Aktivitäten finden, die nach deutschem, britischen oder EU-Recht illegal wären."
    Doch die Snowden-Dokumente zeigen: Es soll offenbar eine gemeinsame Projektgruppe gegeben haben. 2008 und 2009 war sogar eine Vollzeitkraft eigens für "Gerontic" abgestellt, heißt es darin. Die Rede ist auch von einer "Gerontic"-Lieferung mit dem Codenamen "Incenser". Dieses Programm wäre wohl eines der größten bisher bekannten Datensammelsysteme.
    Hier besonders brisant: Powerpoint-Folien zeigen, dass "Incenser" auch nach der Übernahme von Cable & Wireless durch Vodafone weitergelaufen sein soll. Sie datieren auf April 2013. Eine Zusammenarbeit von Vodafone mit dem britischen Geheimdienst? Vodafone verneint das. GCHQ verweigert eine Stellungnahme.