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Datenschützer kritisiert elektronischen Einkommensnachweis

Der Datenschutzbeauftragter im Lande Sachsen-Anhalt, Harald von Bose, hat Bedenken gegen die Einführung des elektronischen Einkommensnachweises (ELENA) auf Chipkarte angemeldet. Von Bose bemängelte sowohl rechtliche als auch technische Fehler bei der geplanten Umsetzung. So sei beispielsweise der Verlust der Karte problematisch, erklärte von Bose.

Moderation: Jochen Spengler | 25.06.2008
    Jochen Spengler: Wer als Arbeitnehmer vom Staat Kindergeld oder Wohngeld oder andere staatliche Leistungen will, der muss künftig ab dem Jahr 2012 eine elektronische Chipkarte besitzen. Die kostet vermutlich 40 Euro, gilt drei Jahre lang und hat den hübschen Namen ELENA. Das ist eine Abkürzung und steht für "Elektronischer Einkommensnachweis". Das Bundeskabinett hat heute Morgen die Einführung von ELENA beschlossen. Demnächst finden sich also Name, Adresse, Familienstand, Kinderanzahl, bis zu 13 staatliche Sozialleistungen und das monatliche Einkommen auf dieser Chipkarte und diese Informationen werden zentral gespeichert. Am Telefon ist Harald von Bose, Datenschutzbeauftragter im Lande Sachsen-Anhalt. Guten Tag Herr von Bose.

    Harald von Bose: Guten Tag Herr Spengler.

    Spengler: Es heißt, ELENA erfülle die Auflagen des Datenschutzes. Stimmt das?

    von Bose: Ein klares Jein muss ich da sagen. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz - mein Kollege -, aber auch die Landesbeauftragten waren in der Vergangenheit immer befasst. Zu dem aktuellen letzten Entwurf ist allerdings der Bundesbeauftragte spät, ja zu spät nochmals beteiligt worden. Es gab und gibt rechtliche wie auch gewisse technische Datenschutzprobleme.

    Spengler: Was stört Sie denn?

    von Bose: Rechtlich stört mich nach wie vor - und das, was jetzt auch eben im Bericht zum Ausdruck kam -, es geht ja zunächst mal um einige einzelne wenige Anwendungen. Das heißt aber, dass die Arbeitgeber die Daten sämtlicher Arbeitnehmer nun an diese zentrale Stelle melden, die dort dann gespeichert sind. Es betrifft also auch Fälle, wo es gar nicht zur Anwendung kommen kann, etwa weil der Arbeitnehmer gar nicht Kindergeld, Elterngeld oder Arbeitslosengeld beantragt. Das heißt die Daten liegen dort auf Vorrat. Das Problem Vorratsdatenspeicherung kennen wir Datenschützer, aber auch die Politik aus dem aktuellen Thema Telekommunikation und da gibt es natürlich auch erhebliche Probleme. Das Bundesverfassungsgericht hat ja schon im Volkszählungsurteil 1983 gesagt "keine Vorratsdatenspeicherung, es sei denn in der Statistik". Und natürlich ist ELENA kein Statistikthema. Das ist also das rechtliche Problem.

    Spengler: Und dann gibt es noch ein Problem neben dem rechtlichen.

    von Bose: Es gibt neben dem rechtlichen auch gewisse technische Probleme. Es ist zwar so, dass der Gesetzentwurf einige Verbesserungen vorgenommen hat. Es ist auch richtig, dass auf dem Chip selbst keine inhaltlichen Daten gespeichert sind, sondern eben die Nummer, mit deren Hilfe, mit deren Signatur man Zugang bekommt und dann die jeweilige Behörde ermächtigt, Daten bei der zentralen Stelle abzurufen. Aber was ist, wenn der Arbeitnehmer seine Karte verloren hat? Dann muss bei der zentralen Stelle ja entschlüsselt werden. Wir Datenschützer haben deshalb gefordert, dass in solchen Fällen das nicht die zentrale Stelle selbst macht - also diese Stelle bei der Rentenversicherung -, sondern eine unabhängige Treuhänderstelle. Dieses ist im Gesetzentwurf nicht aufgenommen. Besser sieht es an anderer Stelle aus mit einer Regelung, dass diese Daten durch die zentrale Stelle nur in diesem Verfahren verwandt werden dürfen und nicht etwa an dritte Stellen noch weitergegeben werden dürfen. Allerdings Zweckbindung ist natürlich wichtig. Nur wir erleben das auch in anderen Fällen, dass der Gesetzgeber dann ja die Zweckbindung auch wieder durch ein neues Gesetz aufheben kann - etwa immer noch die aktuelle Diskussion mit den Mautdaten.

    Spengler: Herr von Bose, ist es denn richtig, habe ich das alles richtig verstanden, dass es demnächst eine zentrale Stelle geben soll, wo genau jemand nachgucken kann: Was kriege ich an Kindergeld, wie hoch ist mein Einkommen, habe ich möglicherweise noch andere staatliche Vergünstigungen und so weiter?

    von Bose: Zugriff haben nur die Behörden, die das für die jeweilige Anwendung benötigen - etwa Arbeitslosengeld oder Elterngeld.

    Spengler: Sehen die dann immer alles?

    von Bose: Die sehen das, was sie brauchen. Der Zugriff wird aber zugelassen durch den Arbeitnehmer mit Hilfe dieses Zugangs auf der Chipkarte.

    Spengler: Aber der kann sich doch gar nicht dagegen wehren, wenn er Wohngeld bekommen möchte?

    von Bose: Nein, das ist richtig. Dieses Verfahren soll zwar sukzessive eingeführt werden, aber es wird dann natürlich zu einer Pflichtkarte. Es soll ja zu Entlastungen führen, Kostenentlastungen. Man muss natürlich zwischendurch sagen, es gibt weitere Kosten auf der anderen Seite, nämlich bei der zentralen Stelle. Da muss ja Personal eingesetzt werden. Es muss Technik eingerichtet werden. Das ist aber natürlich nicht das rein datenschutzrechtliche Thema. Aber die Pflicht besteht!

    Spengler: Ja, aber wir kommen doch dann ziemlich nahe an die Vision eines gläsernen Arbeitnehmers heran oder nicht?

    von Bose: Diese Gefahr besteht natürlich. Allerdings wäre sie größer, wenn man eine Identifikationsnummer damit noch verbindet, die dann sozusagen einen Querbezug durch alle möglichen Anwendungen erlaubt. Es gab ja mal im Vorfeld die Überlegung, die neue Steueridentifikationsnummer vorzusehen. Dazu ist es jetzt glücklicherweise nicht gekommen.

    Spengler: Aber den Schritt dahin könnte man für die Zukunft auch nicht ausschließen oder?

    von Bose: Ausschließen kann man leider in unserem Rechtsstaat nicht mehr alles, aber ich sage noch mal: Die Bedenken waren zuvor sehr viel größer. Sie bestehen in Teilen fort - Stichwort Vorratsdatenspeicherung, Stichwort auch technische Probleme. Wie ist es mit der Entschlüsselungsberechtigung? Aber ich denke, dass in den Bundestagsberatungen noch mal Gelegenheit sein muss, auch diese Detailfragen anzusprechen. Die Bundesregierung hat aber deutlich gemacht, dass sie die Zielrichtung des Vorhabens nicht aufgeben will. Nur - lassen Sie mich das auch noch mal in aller Deutlichkeit sagen - Effizienzgesichtspunkte und Kostengründe können natürlich nicht Grundrechtsschutz ganz und gar bei Seite schieben.

    Spengler: Danke schön! - Harald von Bose, der Datenschutzbeauftragte des Landes Sachsen-Anhalt.