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Datenschutz-Grundverordnung
Zustimmen, aber neue AGBs trotzdem durchlesen

Mit der neuen Datenschutz-Grundverordnung gebe es mehr Rechtssicherheit und Sanktionsmöglichkeiten, sagte Datenschützer Thilo Weichert im Dlf. Trotzdem müssten Nutzer sich selbst darum kümmern, dass Einstellungen nach eigenen Vorstellungen und nicht nach denen von Google oder Facebook vorgenommen würden.

Thilo Weichert im Gespräch mit Jule Reimer | 18.05.2018
    Die Silhouette eines Mannes zeichnet sich vor einem Computerbildschirm mit den Logos von Google+ und Facebook ab.
    Es gibt einen kleinen Ausweg aus der DSGVO: "Berechtigtes Interesse legitimiert auch die Nutzung für Werbezwecke" (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte )
    Jule Reimer: Zuallererst geht es bei uns um Datenschutz. Nämlich: In einer Woche tritt sie in Kraft, die neue, EU-weit gültige Datenschutz-Grundverordnung, kurz DSGVO genannt. Derzeit werden alle Nutzer von Facebook, Google, Yahoo und Co. aufgefordert, diese neuen Bestimmungen abzusegnen. Mit der neuen Datenschutz-Grundverordnung soll der Datenschutz deutlich besser funktionieren. Frage deshalb an Thilo Weichert, Ex-Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein und jetzt im Vorstand der Deutschen Vereinigung für Datenschutz: Stimme ich der Abfrage einfach zu und kann dann davon ausgehen, dass die Einstellung in diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Datenschutzrichtlinien der abfragenden Unternehmen erst mal so vorprogrammiert sind, dass alles gut ist, dass ich keine unerwünschte Werbung bekomme?
    Thilo Weichert: Das wäre wunderschön, und dann würde ich also sofort vielleicht auch bei Google und bei anderen Unternehmen Kunde werden. Leider ist es nicht so. Zwar haben sich jetzt die ganzen großen US-Unternehmen genauso wie die deutschen Unternehmen versucht, anzupassen an die Datenschutz-Grundverordnung, aber gleichzeitig verfolgen sie weiterhin ihr illegales Geschäftsmodell. Mit der Konsequenz, dass das, was also jetzt an Zustimmung eingefordert wird, vielleicht ein bisschen mehr Rechtssicherheit gibt, weil man besser informiert ist, aber das ändert nichts daran, dass dieses illegale Geschäftsmodell von diesen Unternehmen durchgängig eigentlich weiter verfolgt wird.
    Reimer: Will heißen, wenn ich vorher bei Google schon gesagt hatte, unerwünschte Werbung möchte ich nicht haben, ist das wahrscheinlich nicht voreingestellt, und ich tue gut daran, mir doch alle AGBs noch mal ordentlich durchzulesen und die Datenschutzrichtlinien?
    Weichert: Also das ist das ganz große Problem, dass die Datenschutz-Grundverordnung das Prinzip des "privacy by default" vorsieht, also eben dass Grundeinstellungen datenschutzfreundlich sein müssen. Das bedeutet aber auch, dass im Prinzip jetzt Google, Facebook und andere Internetfirmen diese Daten, die Nutzungsdaten von uns, nicht mehr verwenden dürften für Werbezwecke. Weil sie eben dann explizit unsere Einwilligung einholen müssten und das entsprechend dann auch technisch umsetzen müssen. Aber das würde eben das Geschäftsmodell infrage stellen, und das tun diese Unternehmen definitiv nicht. Das heißt also, wir müssen uns selbst darum kümmern, dass also die Datenschutz-Einstellungen hier jetzt nach unseren Vorstellungen und nicht nach denen von Google oder Facebook vorgenommen werden.
    Forderungen der Datenschutz-Grundverordnung
    Reimer: Will aber heißen, Unternehmen, die sich daran halten, die würden mir künftig irgendwie eine kleine Info in die App senden und sagen, hallo, ich möchte deine Daten verwenden, stimme zu!
    Weichert: Das ist genau richtig. Das ist eigentlich das, was die Datenschutz-Grundverordnung auch fordert, dass also hier eine umfassende Information über den Zweck der Datenverarbeitung, über die jeweiligen Verantwortlichen und auch über die weiteren Rahmenbedingungen, zum Beispiel auch die Empfänger, dann gibt und dass ich dann als Nutzer, als Kunde, eben dann sagen kann, das möchte ich oder das möchte ich nicht. Es gibt einen kleinen Ausweg auch, der in der Grundverordnung eröffnet wird, und ich befürchte, dass also alle Unternehmen, die jetzt werben wollen und damit Geld verdienen wollen, sich darauf berufen werden. Und zwar heißt es dort: Berechtigtes Interesse legitimiert auch die Nutzung für Werbezwecke. Was das aber bedeutet, und inwieweit ein Profiling möglich ist, das ist noch unklar, und das muss auch dann vor Gericht und vor den Aufsichtsbehörden noch präzisiert werden.
    Reimer: Was passiert, wenn ich nicht zustimme? Schneide ich mir da wahrscheinlich ins eigene Fleisch?
    Weichert: Nein, garantiert nicht. Ich gehe davon aus, dass die Unternehmen ein riesiges Interesse daran haben, Sie als Kunden weiterhin zu behalten. Und es wird sich wahrscheinlich überhaupt nichts ändern …
    Reimer: Also ich stell mich auch nicht juristisch schlechter?
    Weichert: Nee, in keinem Fall. Also was da an Zustimmung erfolgt gegenüber den neuen AGB, das ist ja wahrscheinlich sowieso anfechtbar. Ob dann tatsächlich dann die Unternehmen Sie dann abschalten, davon gehe ich nicht aus, das müsste sich erst zeigen. Ich vermute mal, dass also das dann relativ folgenlos ist, und Sie dann fünf, oder sechs oder sieben Mal eben noch aufgefordert werden, doch bitteschön den neuen AGB, den neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, zuzustimmen.
    Reimer: Bitte um kurze Antwort! Sie waren ja mal staatlicher Datenschützer in Schleswig-Holstein, sind die Möglichkeiten für die Durchsetzung von Datenschutz besser geworden mit der neuen Verordnung?
    Weichert: Die sind erheblich besser geworden, und zwar die Sanktionsmöglichkeiten sind von bisher maximal 300.000 Euro auf 4 Prozent des jährlichen Jahresumsatzes global erhöht worden – das tut gerade großen Unternehmen sehr weh. Außerdem ist die Kooperation der Aufsichtsbehörden verbessert und auch der Rechtsschutz ist besser.
    Reimer: Also da geht es dann um Milliarden. Vielen Dank für diese Informationen an Thilo Weichert, Vorstand der deutschen Vereinigung für Datenschutz!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.