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Datenschutzbeauftragter gegen ungebremste Video-Überwachung

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, hat sich dagegen ausgesprochen, dass alle Informationen der Nachrichtendienste der Polizei zur Verfügung gestellt werden. Dies sei aus Datenschutzgründen und wegen der unterschiedlichen Kompetenzen der Sicherheitsdienste nicht vertretbar. Schaar plädierte zudem für eine Begrenzung der Videoüberwachung auf gefährdete Bereiche.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Wir haben eben vom Berliner Innensenator gehört, dass er die Aufnahmen der U-Bahn-Überwachung gerne speichern würde, und zwar möglichst auch länger als 24 Stunden. Bekämen Sie da Bauchschmerzen?

    Peter Schaar: Wir haben ja mit der Deutschen Bahn eine Verabredung, die auch von der Bundespolizei geteilt wird, wonach die Aufnahmen von den größeren Bundesbahnhöfen für 48 Stunden von der Bundespolizei gespeichert werden dürfen. Das halte ich für vertretbar.

    Spengler: Das heißt Berlin hat Nachholbedarf?

    Schaar: Das will ich hier gar nicht sagen. Man muss die Gefährdung jeweils spezifisch bewerten und die ist möglicherweise in einer U-Bahn anders als beim Berliner Hauptbahnhof, so dass man da sicherlich nicht alles über einen Kamm scheren kann.

    Spengler: Das heißt Sie sagen Ihrem Berliner Kollegen nicht, Mensch, jetzt drück mal ein Auge zu und heb mal deinen Einspruch auf?

    Schaar: Es geht nicht darum, ein Auge zuzudrücken, sondern es geht darum zu fragen, was ist angemessen. Auch in Berlin ist es ja meines Wissens so, dass sich der Berliner Datenschutzbeauftragte nicht gegen jede Videoüberwachung und jede Videoaufzeichnung wehrt, sondern es geht um die Frage, wie lange dürfen diese Informationen dann gespeichert bleiben. Ob das nun 12, 24 oder 48 Stunden sind, das muss dann wirklich ganz konkret beantwortet werden. Da will ich jetzt meinem Berliner Kollegen auch nicht widersprechen.

    Spengler: Aber es wäre klar, ein Erfolg, wie wir ihn jetzt erlebt haben, wäre in einer Berliner U-Bahn im Augenblick nicht möglich?

    Schaar: Das kann ich so nicht beurteilen, weil ich die genauen Praktiken in der Berliner U-Bahn nicht kenne. Ich weiß nur, dass wir in allen größeren Bahnhöfen der Deutschen Bahn AG eine Videoüberwachung haben und es wird darüber diskutiert, das gegebenenfalls noch auszuweiten. Das ist der Bereich, um den ich mich kümmere.

    Spengler: Ja, dann kommen wir mal zu dem Bereich. Die Innenpolitiker - Sie haben es schon gesagt - in Deutschland fordern eine Ausweitung der Videoüberwachung: mehr Plätze, mehr Flughäfen, mehr Züge, mehr Bahnhöfe. Sie haben sich in der Vergangenheit immer für mehr Personal statt für mehr Kameras ausgesprochen, aber mit mehr Personal hätte man den mutmaßlichen Täter jetzt nicht erwischt.

    Schaar: Mit mehr Kameras hat man auch Anschläge nicht verhindert. Das muss man auch sagen. Richtig ist, dass es ja um unterschiedliche Gefährdungssituationen geht, und es geht auch sicherlich in erster Linie darum, Anschläge zu verhindern beziehungsweise herrenlose Koffer aufzufinden. Herrenlose Koffer werden normalerweise, wenn sie in Zügen sich befinden, nicht über Videokameras ausfindig gemacht, sondern über Personal. In diesem Punkt bleibe ich dabei, dass eine personale Sicherheit gerade was die Vorbeugung von solchen Anschlägen anbelangt wesentlich effektiver ist als irgendwelche Videoüberwachungsmaßnahmen.

    Spengler: Herr Schaar, Sie werden aber nicht abstreiten, dass die Videokameras dazu geführt haben, dass man den Täter überführt hat und möglicherweise weitere Anschläge dadurch verhindern kann?

    Schaar: Völlig richtig! Diese Maßnahme der Videoüberwachung bei den Bahnhöfen, bei den gefährdeten Bereichen, bei Bahnsteigen, ist auch mit mir abgestimmt und hat auch meine Zustimmung gefunden.

    Spengler: Wo ist für Sie die Grenze?

    Schaar: Die Grenze ist die Totalüberwachung. So etwas darf es nicht geben. Wie Herr Körting völlig zu Recht sagt: jede Parkbank zu überwachen macht weder Sinn, noch ist es letztlich zu rechtfertigen. Man muss sich darüber Gedanken machen, welche Bereiche sind besonders gefährdet und dort dann gegebenenfalls auch eine Videoüberwachung durchführen, wobei aber eben auch gewährleistet werden muss, dass diese Videoaufnahmen, die dann gemacht werden, nicht in die falschen Hände geraten.

    Spengler: Eine weitere Maßnahme im Kampf gegen den Terror ist die so genannte Anti-Terror-Datei. Darum wird nun schon seit drei Jahren gerungen und der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach hat nun gefordert, man müsse diese Datei als Volltext-Datei anlegen und darin auch dann zum Beispiel die Religionszugehörigkeit von Verdächtigen erfassen. Gibt es dagegen Bedenken bei Ihnen?

    Schaar: Ich habe grundsätzlich keine Bedenken dagegen, eine verbesserte Zusammenarbeit auch was den Informationsaustausch anbelangt zwischen den Nachrichtendiensten und der Polizei endlich zu realisieren, auch im Wege einer Anti-Terror-Datei.

    Die Frage ist allerdings: Kann man wirklich alle Informationen, die ein Nachrichtendienst hat, jetzt praktisch ungefiltert der Polizei zur Verfügung stellen? Da bin ich absolut dagegen. Das ist sowohl unter Datenschutzgesichtspunkten als auch im Hinblick darauf, dass ja die verschiedenen Sicherheitsbehörden unterschiedliche Kompetenzen haben und auch unterschiedliche Personenkreise speichern, aus meiner Sicht nicht vertretbar. Insofern bin ich für eine solche so genannte Index-Datei mit entsprechenden Hinweisen, wo dann die jeweilige Polizeibehörde, die sich dann stärker für eine Person interessiert, direkt an den Nachrichtendienst heran tritt und dann der Nachrichtendienst entscheidet, welche Informationen er dann weitergeben kann und welche nicht. Wenn es praktisch ungefiltert von den Nachrichtendiensten zur Polizei geht, wenn die Daten praktisch insofern allen zur Verfügung stehen, dann ist die nachrichtendienstliche Arbeit auch am Ende und damit würde man das Ziel letztlich auch nicht erreichen.

    Spengler: Nun sagen sich viele Bürger, lieber überwacht als tot. Sind nicht manche hehren Grundsätze des Datenschutzes überholt?

    Schaar: Ich finde diese pauschale Gegenüberstellung völlig verfehlt. Es ist ja überhaupt nicht so, dass der Datenschutz die Aufklärung von Verbrechen irgendwo behindert hätte. Jedenfalls gibt es keine gravierenden oder Kapitalverbrechen, die mir bekannt sind, die hätten verhindert werden können, wenn es weniger Datenschutz gegeben hätte. Insofern denke ich wir müssen eine versachlichte Diskussion führen, wie Sicherheit gewährleistet werden kann und inwieweit dabei dann auch Freiheitsrechte zurücktreten. Hier wird sehr häufig sehr pauschal argumentiert und diese pauschale Argumentation ist es letztlich, die es so schwierig macht, zu sachlichen Ergebnissen zu kommen. Wenn man von Anfang an sachlich über diese Anti-Terror-Datei diskutiert hätte und nicht immer aufgesattelt hätte, dann hätten wir diese Datei schon längst.

    Spengler: Das war der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Peter Schaar. Herzlichen Dank, Herr Schaar, für das Gespräch!

    Schaar: Auf Wiederhören!