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Datenzugriff auf Smart-Home-Geräte
"Zumindest potenziell eine Wanze"

Der Datenschutz-Experte Peter Schaar hat sich dagegen ausgesprochen, dass Sicherheitsbehörden der Zugriff auf Sprachassistenten erleichtert werden soll. "Das ist noch mal eine neue Qualität, wenn man diese sogenannten smarten Geräte dann letztlich umfunktionieren kann", sagte Schaar im Dlf.

Peter Schaar im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
Der Amazon Echo Dot ist ein Lautsprecher, der auf den Namen "Alexa" hört und als Sprachschnittstelle zu Amazon-Produkten fungiert. Er steht auf einem Tisch. Zwei Kinder lehnen sich mit Händen und Köpfen auf den Tisch und schauen den Lautsprecher an.
Sprachassistenten im Wohnzimmer (dpa/M. C. Hurek)
Dirk-Oliver Heckmann: Zugehört hat Peter Schaar, langjähriger Bundesbeauftragter für den Datenschutz. Jetzt ist er Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz. Schönen guten Morgen, Herr Schaar.
Peter Schaar: Guten Morgen, Herr Heckmann.
Heckmann: Herr Schaar, haben Sie zuhause ein Alexa-Gerät stehen?
Schaar: Nein! So was kommt mir nicht ins Haus. Denn technisch sind die Geräte tatsächlich genau das, was der Herr Baum, der ehemalige Bundesinnenminister, in Ihrem Einspieler gesagt hat. Das ist zumindest potenziell eine Wanze, die nicht nur von demjenigen, von dem ich sie mir installieren lasse, von Amazon, sondern gegebenenfalls auch von Dritten, möglicherweise auch von staatlichen Stellen verwendet werden kann. Das ist bei aller Technik-Affinität, die ich ansonsten habe, doch ein Schritt zu weit.
Heckmann: Aber es gibt ja nicht nur Alexa; es gibt Siri, es gibt internetfähige Fernseher, Kühlschränke beispielsweise auch. Irgendwas in der Richtung bei Ihnen im Haushalt?
Schaar: Ja, natürlich. Man kommt ja ohne nicht aus. Jedes Smartphone hat heutzutage einen digitalen Sprachassistenten, der im Prinzip auch das kann, was Alexa kann. Aber da habe ich die Möglichkeit, den abzuschalten. Ich muss ihn auch nicht in mein Schlafzimmer legen und so weiter. Insofern sage ich, das ist noch mal eine neue Qualität, wenn man diese sogenannten smarten Geräte dann letztlich umfunktionieren kann.
Wobei mich allerdings ein bisschen wundert bei der jetzigen Diskussion, dass gesagt wird, man könne die nicht schon heute abhören. Denn vor exakt zwei Jahren hat die Große Koalition, damals in einem Überrumpelungsmanöver, genau das schon ermöglicht, nämlich das Eindringen in informationstechnische Systeme und die Möglichkeit, sich dort umzuschauen und sie umzufunktionieren. Genau das ist vor zwei Jahren schon eingeführt worden. Nun fragt man sich natürlich, was soll diese neue Initiative.
"Es geht um die Erleichterung des Zugriffs und nicht um den Zugriff überhaupt"
Heckmann: Was denken Sie?
Schaar: Ich glaube, es geht jetzt darum, dass die Unternehmen erkannt haben, dass diese Geräte nur installiert werden und verwendet werden von uns, wenn wir sicher sein können oder zumindest ziemlich sicher sein können, dass da niemand anders drauf zugreift. Jetzt sehen die Innenminister oder jedenfalls Sicherheitsbehörden, wir wollen da leichter ran. Das heißt, es geht um die Erleichterung des Zugriffs und nicht um den Zugriff überhaupt. Der Zugriff überhaupt ist schon zulässig, in meines Erachtens schon völlig unverhältnismäßiger Weise, und jetzt soll noch mal eins draufgesetzt werden, indem man die Firmen verpflichtet, diese Daten auch leicht für die Sicherheitsbehörden zugänglich zu machen. Ich denke mal, dann werden wirklich Albträume wahr.
Heckmann: Das Bundesinnenministerium sagt aber auf der anderen Seite, für eine effektive Kriminalitätsbekämpfung sei es sehr wichtig, dass den Sicherheitsbehörden auch auf diesen Geräten gespeicherte Daten nicht verschlossen bleiben. Ist das nicht auch ein Punkt?
Datenschutzexperte Peter Schaar
Peter Schaar, Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (imago stock&people)
Schaar: Natürlich ist die effektive Arbeit von Sicherheitsbehörden ein Punkt. Aber genau zum Beispiel um das Abhören von WhatsApp ging es vor zwei Jahren schon. Da sind die rechtlichen Voraussetzungen schon längst geschaffen worden. Das heißt, die Frage ist, um was geht es jetzt, und ich sehe das in einem Zusammenhang zu einer anderen Initiative, über die diskutiert wird, und vermutlich ist das eine Initiative, dass hier nämlich gesagt wird, ihr dürft nicht verschlüsselt mehr übertragen, oder ihr müsst den Schlüssel, mit dem die Daten geschützt werden, irgendwo hinterlegen, damit zum Beispiel eine Polizeibehörde, die Staatsanwaltschaft oder aber auch der Verfassungsschutz darauf zugreifen können.
"Hier geht es um neue Befugnisse, und genau da müssen jetzt die Karten auf den Tisch"
Heckmann: Jetzt ist es aber so, dass das Innenministerium argumentiert, dass diese digitalen Spuren – so nennt man das ja – nur nach richterlicher Anordnung ausgewertet werden dürfen. Damit ist dem Rechtsstaat doch Genüge getan, oder nicht?
Schaar: Erst mal: Das ist ja heute schon so. Das ist ja nichts wirklich Neues, was da eingeführt werden soll. Hier geht es um neue Befugnisse, und genau da müssen jetzt die Karten auf den Tisch. Was ist geplant? Oder müssen wir in der nächsten Woche mit einer sogenannten Formulierungshilfe der Bundesregierung rechnen, die in irgendein anderes Gesetz, wie vor zwei Jahren geschehen, eine solche massive Vergrößerung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden zur Überwachung dann einführt? – Genau das befürchte ich, auch nach dem, was Herr Seehofer gesagt hat zum Thema, man sollte wirklich gefährliche Dinge oder Dinge, die auf Kritik stoßen, verstecken. Genau das ist die Praxis schon seit einigen Jahren und ich befürchte, dass das auch hier geschieht, und diesen Weg muss man abschneiden, indem man Transparenz schafft.
"Wissen, dass viele dieser großen Internet-Konzerne übergriffig sind"
Heckmann: Allerdings muss man dazu sagen, dass jetzt schon Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit haben, Geräte wie zum Beispiel Handys und Laptops natürlich zu beschlagnahmen und auch auszulesen. Wo ist das Problem, wenn man jetzt auch auf die Geräte zugreifen möchte, die neu daherkommen?
Schaar: Wie gesagt, es geht nicht nur um die Geräte. Es geht um die Daten und die Daten sind irgendwo. Sie sind auch im Netz. Und wir wissen, dass viele dieser großen Internet-Konzerne übergriffig sind, dass sie sich alles Mögliche von uns genehmigen lassen, was da von ihnen gesammelt wird. Auf alle diese Daten soll offensichtlich jetzt erleichtert zugegriffen werden, und zwar nicht nur für Kapitalverbrechen, Mord, Totschlag und so weiter, Terrorismus, sondern gegebenenfalls auch für alle möglichen anderen Straftaten, oder auch zur Gefahrenabwehr, und da weiß man dann wirklich irgendwann nicht mehr, sind das nicht möglicherweise sogar Massendaten, auf die da zugegriffen wird. Das wäre jedenfalls hochgradig kritisch anzusehen.
Heckmann: Ich habe es gerade in der Anmoderation schon erwähnt: Union und SPD haben den Widerstand gegen diese sogenannten Upload-Filter massiv unterschätzt. Das wurde auch im Nachgang so zugegeben. Haben Sie den Eindruck, dass da die Politik in die nächste Falle tappt?
Schaar: Ob das eine Falle ist, weiß ich nicht. Jedenfalls ist das ein Weg, den die Große Koalition schon seit einigen Jahren gegangen ist, auch die frühere Große Koalition, und ich würde schon an die Regierungsparteien, auch und gerade an die SPD appellieren, hier nicht alles mitzumachen wie bisher.
"Nur das aktivieren, was man braucht"
Heckmann: Immer mehr Menschen, Herr Schaar, vielleicht abschließend gefragt, stellen sich solche Sprachassistenten in die Wohnung oder ins Haus. Jeder, der ein iPhone von Apple besitzt, hat den Sprachassistenten Siri mit an Bord, habe ich gerade schon erwähnt. Sind die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht selbst schuld, wenn sie sich ausspähen lassen?
Schaar: Ich würde sagen, nur zu einem kleineren Teil. Zum einen ist es so, dass man sich ja nicht allen Segnungen der Technik verschließen kann und sollte. Auf der anderen Seite gehen viele Menschen doch etwas unbedacht mit ihren Daten und mit ihren Geräten um, und vielfach gibt es Privatsphären-Einstellungen, Datenschutz-Einstellungen. Manche sehen das nur als lästig an. Ich finde, das ist ganz wichtig, dass man sich damit beschäftigt, dass man nur das wirklich aktiviert, was man braucht, damit dieser Dienst erbracht werden kann, und nicht erst mal alle Mikrofone an, alle Daten werden weggegeben. Das ist vielleicht der bequemere, aber auf jeden Fall der langfristig schlechtere Weg.
Heckmann: Das heißt ganz konkret: Was würden Sie raten?
Schaar: Solche Vorhaben sollten nicht jetzt in Gang gesetzt werden. Wenn es solche Planungen gibt bei den Innenministern, dann müssen die auf den Tisch. Dann müssen sie öffentlich diskutiert werden. Da gibt es auch ganz klare verfassungsrechtliche Grenzen. Diese verfassungsrechtlichen Grenzen sind zu respektieren.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.