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David Bowie
Der Mann, dem das Jahr gehörte

2013 war das Jahr seiner Wiederkehr: "Where Are We Now?", wo sind wir jetzt?, fragt David Bowie im Januar. In London wird ihm eine Ausstellung gewidmet, die große Schauspielerin Tilda Swinton spielt seinen Doppelgänger. Und das war noch lange nicht alles.

Von Klaus Walter | 21.12.2013
    Hinter einigen Schaufensterpuppen ist eine Leinwand mit einer Großaufnahme von David Bowie zu sehen.
    David Bowie ist überall - zum Beispiel auf einer Leinwand im Museum. (picture alliance / dpa / Bogdan Maran)
    "The man who sold the world", singt David Bowie 1970. Der Mann, der die Welt verkaufte.
    "Der Mann, der vom Himmel fiel", ist David Bowie 1976 im Kino.
    Der Mann, dem das Jahr gehörte, lautet die Schlagzeile des New Musical Express im Oktober. Es ist die zweite Titelgeschichte für David Bowie in diesem Jahr, die Welt liegt ihm zu Füßen, sogar: "Deutschland, die verspätete Nation. Zum ersten Mal ist ein David-Bowie-Album an der Spitze der deutschen Charts."
    So kommentiert der Kritiker Tobias Rapp die Bowiemania 2013. Sie beginnt am 8. Januar. Pünktlich zu seinem 66. Geburtstag veröffentlicht David Bowie einen neuen Song, den ersten seit zehn Jahren. "Where Are We Now?" Wo sind wir jetzt? In der Nürnberger Straße, am Potsdamer Platz, im Dschungel, im KaDeWe.
    Reminiszenz an das alte Westberlin
    Das Video zu "Where Are We Now?" ist eine melancholische Reminiszenz an das alte Westberlin, dort hat Bowie Ende der Siebziger seine produktivste Zeit - mit Iggy Pop und Kokain. Wo sind wir jetzt? Bei Facebook gibt das Video den Anstoß zu einer faszinierenden medialen Kollektiv-Praxis.
    "Das war glaube ich sein letztes großes Lied", behauptet der Berliner Schriftsteller Detlef Kuhlbrodt und postet das letzte große Lied. Unzählige Bowieaner tun es ihm gleich, es entsteht eine selbstreferenzielle Bowiespirale: Bowie posten, sich selbst zu Bowie in Bezug setzen, die eigene Geschichte spiegeln in Bowie-Geschichte, sich wieder erkennen in Bowie. Sich erinnern an Bowie und seine Alter Egos.
    Die Ziggymania hatte begonnen, aber das war mehr als nur der Ruhm eines Stars. So erinnert sich der englische Pop-Historiker Jon Savage an die Massenhysterie um Ziggy Stardust, Bowies Kunstfigur in den Siebzigern:
    "Bowie war zum Phänomen geworden - ein Performer, wie es ihn in jeder Generation nur einmal gibt und der die gesamte Kultur in seinem Kielwasser mitzieht. Bowie schritt schneller voran als die Medien, die ihn vereinnahmen wollten."
    Der Text von Jon Savage stammt aus dem Katalog zu einer Ausstellung, die 2013 in London läuft: "David Bowie is" heißt die Schau. In London wird ihm eine ganze Ausstellung gewidmet, in Liverpool und Frankfurt ist der historische Bowie einer der Stars der Ausstellung "Glam – The Performance Of Style".
    Vor mehreren Bildschirmen, die David Bowie zeigen, stehen Schaufensterpuppen, die glitzernde Anzüge tragen.
    Das trug er als Ziggy Stardust - ein Exponat aus der David-Bowie-Ausstellung in London. (picture alliance / dpa / Bogdan Maran)
    Im Herbst wird nachgelegt: Bowie als Gastsänger bei Arcade Fire, eine der Konsensbands des Jahres. "Reflektor", das Album von Arcade Fire wird produziert von James Murphy. Murphy ist einer der gefragtesten Produzenten der Gegenwart und mit von der Partie auf Teil zwei der Bowie-Herbstoffensive: The Next Day Extra: das Album aus dem Frühjahr, dazu eine CD mit Bonusmaterial, plus DVD mit Videoclips. James Murphy liefert einen spektakulären Remix.
    Hallo Facebook, hallo Twitter
    Es geht los mit dem Klatschen von Steve Reich, dem Pionier der Minimal Music. Dessen "Clapping Music" benutzt Murphy für seine Bearbeitung von Bowies "Love is lost": "Ich verwende nie Originalsounds bei meinen Remixen, ich versuche, ein passendes Umfeld für die Stimme zu schaffen."
    Auch vom "Rekontextualisieren" spricht James Murphy und das ist vielleicht das Leitmotiv der Bowie-Renaissance 2013: Er stellt sich in neue Kontexte, hallo Facebook, hallo Twitter. Und er stellt sich in alte Kontexte, hallo Westberlin 1978. Das Wort Aufmerksamkeitsökonomie war damals noch nicht erfunden. Wie sie funktioniert, diese Aufmerksamkeitsökonomie, das hat kaum einer so gut verstanden wie David Bowie mit 66.