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DDR-Endlager in Morsleben soll stillgelegt werden

Die DDR lagerte ihren schwach- und mittelaktiven Atommüll in Morsleben ein, ganz nahe an der innerdeutschen Grenze. Damit war 1998 Schluss und jetzt will das Bundesamt für Strahlenschutz das Endlager versiegeln. Die Pläne dafür sollen ab Donnerstag öffentlich diskutiert werden.

Von Susanne Arlt |
    Andreas Fox hat sich für die kommenden zwei Wochen freigenommen. Er will dabei sein, wenn die Mammut-Anhörung für die geplante Stilllegung des Endlagers Morsleben beginnt. Ab morgen will das Bundesamt für Strahlenschutz betroffene Bürger darüber informieren, wie es das Atommülllager für immer schließen will. Andreas Fox wohnt nur fünf Kilometer von Morsleben entfernt. Etwa 37.000 Tonnen schwach- und mittelradioaktive Abfälle lagern in dem ausgehöhlten Salzstock im Westen von Sachsen-Anhalt. Lebensgefährliches Kobalt soll darunter sein, auch Uran und Radium. Der Lehrer kämpft seit bald 20 Jahren darum, dass das Endlager Morsleben nicht für immer verschlossen wird. Zu viele Fragen seien noch offen, sagt der Sprecher der Bürgerinitiative. In der Öffentlichkeit sei nur wenig darüber bekannt, welche radioaktiven Stoffe dort wirklich eingelagert wurden.

    "Wir sind tatsächlich schlecht informiert darüber, was wirklich an Materialien drin ist. Die Fässer, die da reingekommen sind, schwach bis mittelaktive Abfälle, werden äußerlich frei gemessen und was wirklich im Fass drin ist, das ist noch eine ganz andere Geschichte. Also es geht auch um Plutoniumbeimengung. Wir wollen jetzt keine Panik machen von wegen Plutonium. Aber das ist auch in Beimengungen enthalten und kein Mensch weiß, wie viel davon da drin enthalten ist."

    1970 wählten die Staatsoberen der DDR den ausgehöhlten Salzstock als Atommüllendlager aus, in dem einst Kali abgebaut wurde. Auch nach der Wiedervereinigung durften Atomkraftwerksbetreiber mit der Lagerung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen fortfahren. Erst 1998 war durch eine Klage der Umweltorganisation BUND damit Schluss. In Morsleben liegen abgerissen Teile aus Atomkraftwerken, kontaminierte Arbeitsschutzkleidung, Strahlenquellen aus der Medizin, die noch sehr lange lebensgefährliche Strahlen aussenden werden. Die Langzeitsicherheit dieses Endlagers will das Bundesamt für Strahlenschutz mit Hilfe von neun Millionen Tonnen Salzbeton herstellen. Das flüssige Material, das nach wenigen Tagen aushärtet, soll in die riesigen Hohlräume, Sohlen und Schächte in Morsleben gepumpt werden. Zum Teil ist dies auch schon in Schächten passiert, in denen kein Atommüll liegt. An dem langfristigen Erfolg dieses Verfahrens hat Andreas Fox allerdings seine Zweifel.

    "Wir haben nur das Konzept Beton auf dem Tisch. Das heißt: Vogel, friss oder stirb. Alles andere – Auslagerung oder technische Konzepte – werden nicht im Einzelnen dargestellt. Sodass es keine echten Alternativenabwägungen dort in dieser Planfeststellung gibt. Und dagegen wenden wir uns auch. Wir wollen, dass alle technischen Alternativen wirklich dargestellt und auch vernünftig gegeneinander abgewogen werden."

    Vor zwei Jahren räumte der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König ein, dass nach bundesdeutschem Recht Morsleben niemals als Endlager genehmigt worden wäre. Die Mitarbeiter des BfS werden sich bei der Anhörung darum kritische Fragen gefallen lassen müssen. Zum Beispiel, warum die Bundesbehörde jetzt davon ausgeht, dass man nach der Schließung des Endlagers gesundheitliche Risiken für alle Zukunft ausschließen könne. Oliver Wendenkampf vom BUND hält das für Quatsch. Mit seinem Planfeststellungsverfahren versuche das BfS, ein nachweislich unsicheres Grubengebäude durch technische Lösungen sicherer zu machen. Sollte dem Antrag so entsprochen werden, habe das eine fatale Signalwirkung, meint Wendekampf.

    "Man kann versuchen, diese unsichere Altlast sicher zu definieren, sicher zu schreiben, ich glaube noch nicht einmal, dass man diese Altlast sicher betonieren kann. Also die Vermutung liegt doch nahe, dass man jetzt ein unsicheres Grubengebäude und das jetzt irgendwie sicher argumentieren kann, dass man den Rückschluss zieht und sagt, wenn das einmal geht, dann auch überall."

    Letztendlich muss das sachsen-anhaltische Umweltministerium das Verfahren genehmigen. Der Landesumweltminister Hermann Onko Aeikens begrüßt die transparente Mammut-Anhörung, die morgen in Oschersleben beginnt.

    "Das dient der Klarheit, das dient der Transparenz, das dient auch dem Erkenntnisfortschritt beim Antragsteller BfS. Und dem Erkenntnisfortschritt der genehmigenden Behörde, also dem Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt. Es ist ein guter Verfahrensschritt. Wir haben über 13.000 Einwendungen davon 94 Einzeleinwendungen, das zeigt, dass hier sehr viel Engagement aber auch Besorgnis unterwegs ist."

    Der sachsen-anhaltische Umweltminister betont, ob und wie dem Stilllegungsantrag entsprochen werde, sei noch völlig offen. Vor 2014 wird es wohl zu keiner Entscheidung kommen.