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Death Metal Angola

Im vom Bürgerkrieg zerstörten Angola entstand der Plan, ein Death Metal Festival zu veranstalten. Ein amerikanischer Filmregisseur war dabei. Er zeigt Musiker die von Tod, Hass und Lügen singen. Aus den Erfahrungen der Zerstörung entstand eine neue Kultur.

Von Silke Hahne |
    Ein Death Metal Festival: Auf der Bühne geben die Musiker alles, singen, schreien von Tod, Blut, Lügen. Das Publikum 'bangt' mit den Köpfen, sie verausgaben sich, geben sich ihrer Musik hin. Eine Szene, wie aus der amerikanischen oder europäischen Jugendkultur der 90er Jahre. Nur eins wirkt ungewohnt: Musiker und Publikum sind fast alle dunkelhäutig. Wir sind in Huambo, einer Provinzstadt in Angola, Südwestafrika.

    "Ich denke, der Beat in Death Metal und Black Metal hat sich aus afrikanischen Beats abgeleitet. Wenn wir uns im Landesinneren die Rituale an den Lagerfeuern ansehen und die Tänze der Tchigange: Der Klang der Trommeln und die Rhythmen sind die gleichen, die wir im Death Metal finden. Also wurde Death Metal in Afrika geboren."

    Death Metal, eine afrikanische Musik. So sieht es Wilker Flores, ein junger Musiker und einer der Protagonisten in der Dokumentation "Death Metal Angola". Er und seine Freundin Sonia Ferreira haben einen Traum: Sie wollen mit befreundeten Bands aus dem ganzen Land Angolas erstes Death Metal Festival auf die Beine stellen - auf einer brachliegenden Wiese, wie in Woodstock, sagen sie, und ausgerechnet in Huambo. Die Stadt im Landesinnern Angolas war eines der Zentren des Bürgerkriegs und wurde nahezu vollständig zerstört. Hier leitet Sonia auch ein Kinderheim, in dem viele Kriegswaisen untergekommen sind. Auch Sonias Leben wurde von Kriegserlebnissen geprägt:

    "Wir konnten es spüren und hören, das Geräusch der Bomben."
    "Überall Staub. Und wir konnten hören, dass dort jemand starb, und dort und dort noch zwei Menschen. Die Leute konnten nichts mehr sehen. Das Leiden schien so normal. Sie waren lebende Tote."

    Sie hat überlebt - aber mit dem Trauma des Bürgerkriegs. Das gilt für viele Angolaner, egal ob jung oder alt. Ein Vierteljahrhundert lang brachen immer wieder Kämpfe aus, bis der Rebellenführer Jonas Savimbi vor gut zehn Jahren von Regierungssoldaten getötet wurde. Es kam zum Waffenstillstand. Seither boomt die ehemalige portugiesische Kolonie - denn Angola ist reich an Erdöl. Aber nicht nur die Wirtschaft erholt sich. Nach dem Krieg erhob sich auch die Rock-Szene aus den Ruinen. Mit einem neuen, aggressiveren Sound.

    "Es ist ein extremer Musikstil. Und dieses Extreme macht es so fesselnd."

    Im vom Bürgerkrieg zerstörten Angola entstand der Plan, ein Death Metal Festival zu veranstalten. Ein amerikanischer Filmregisseur war dabei. Er zeigt Musiker, die von Tod, Hass und Lügen singen. Aus den Erfahrungen der Zerstörung entstand eine neue Kultur.

    "Diese Musik klingt so wahrhaftig, und die Wahrheit ist das, was wir suchen. Ich glaube, wir erleben hier eine kleine Revolution. Rock ist eine Ausdrucksform, die uns ermöglicht, all den Schutt und unser Leiden aus den Kriegsjahren wegzuräumen."

    Unter Schutt begraben - das gilt besonders für die Kindheit vieler junger Menschen in Angola. Denn auch wenn der Krieg vorbei ist, die Wunden sind nicht verheilt. Sonia Ferreira erlebt in ihrem Waisenhaus hautnah, wie viele Kinder im Krieg ihre Eltern verloren haben, oder wegen der Kriegsfolgen, auch, weil sie von traumatisierten Eltern verlassen wurden. Sonias 55 Kindern hilft es, sich im Waisenhaus so richtig gehen zu lassen - zumindest musikalisch.

    "Rock kann mein Herz säubern. Wenn ich wütend bin und spiele, reinigt das und wischt alles weg, was war."

    "Ich glaube, dass Rock den Kindern hier in Okutiuka hilft, ihr Trauma ein wenig zu überwinden. Menschen sind glücklicher, wenn sie sich ausdrücken können. Da ist so viel Energie in ihnen. Wenn die Leute das rauslassen, fühlen sie sich viel besser."

    Jeremy Xido, der Regisseur von "Death Metal Angola", ist US-Amerikaner. Er kommt aus Detroit, ehemals wohlhabend, heute bankrott. Xido sieht Parallelen zwischen seiner Heimat und Huambo, dieser Stadt in Angola. Auch wenn Vergleiche immer hinken: Zerstörung, verlassene Häuser und Armut gibt es hier wie dort - aber auch den unbedingten Willen, etwas Neues auf die Beine zu stellen. Diesen Überlebenskampf im angolanischen Waisenhaus beobachtet Jeremy Xido genau und engagiert, aber ohne Kommentar. Die jungen Musiker, die Waisenjungen und Sonia sprechen für sich. Und es lohnt sich zuzuhören, auch für Nicht-Metal-Fans.

    Der Dokumentarfilm "Death Metal Angola" ist am 19. November 2013 im Murnau Filmtheater in Wiesbaden im Rahmen des Exground-Filmfests zu sehen.