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Ex-Kulturstaatsminister Nida-Rümelin warnt vor Akademikerschwemme

Der Philosoph und frühere Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin findet: Es gibt zu viele Akademiker. In seinem aktuellen Buch fordert er höhere Hürden für die Aufnahme eines Studiums. Widerspruch erntet er dabei von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka.

Von Claudia van Laak | 15.01.2015
    Ein Porträt von Julian Nida-Rümelin
    In seinem neuen Buch kritisiert Julian Nida-Rümelin einen "Akademisierungswahn" in Deutschland. (Picture Alliance / dpa / Horst Galuschka)
    Der Philosophie-Professor möchte mehr Handwerker. Julian Nida-Rümelin sieht einen ganz gefährlichen Trend: Entschieden sich immer mehr Abiturienten für ein Studium und gegen eine Ausbildung, gerate der Arbeitsmarkt in eine gefährliche Schieflage.
    "Das ist in meinen Augen eine Gefährdung ganzer Branchen und nicht-akademischer Berufe. Das ist auch von Praktikern nicht umstritten. Das zeichnet sich ab. Es gibt einen massiven Nachwuchsmangel. Aber es beschädigt auch die akademische Bildung, so wie ich sie verstehe, nämlich die Verkoppelung von Forschung und Lehre. "
    Ein Studium sei nicht das Maß aller Dinge, so Nida-Rümelin. Dass sich momentan die Hälfte eines Jahrgangs für ein Studium entscheide, diese Quote ist für den Philosophie-Professor zu hoch.
    Wanka: Niemanden vom Studium abhalten
    Bundesbildungsministerin Johanna Wanka will sich dagegen nicht auf eine bestimmte Quote festlegen. Ich werde niemanden vom Studium abhalten, sagt die CDU-Politikerin.
    "Alle, die jetzt klug genug sind, um ein Studium zu absolvieren, erfolgreich, und das auch wollen, die sollen das machen. Egal ob der Prozentsatz über dem jetzigen Stand liegt oder nicht, weil: Wir brauchen jede und jeden, die studieren wollen und das auch können. Denn das sind die Architekten und Rechtsanwälte und Ärzte der 20er-, 30er- und 40er-Jahre dieses Jahrhunderts. Weil es immer weniger junge Menschen gibt, die diese Berufe ergreifen können. Und jetzt, wo es noch viele sind, müssen wir denjenigen, die das können und wollen, auch die Chance geben."
    Nida-Rümelin warnt vor hohen Studienabbrecherzahlen
    Der frühere SPD-Kulturstaatsminister verweist dagegen auf die hohen Abbrecherquoten, besonders in den Naturwissenschaften. Nur die Hälfte der Studienanfänger in den Ingenieurwissenschaften macht auch einen Abschluss. Für Nida-Rümelin ein klares Zeichen dafür, dass sich viele junge Leute an den Hochschulen einschreiben, die gar nicht für ein Studium geeignet sind.
    "Es gibt die naheliegende Interpretation, dass der Anteil derjenigen gewachsen ist, die für das jeweilige Studium, das sie gewählt haben, nicht die Fähigkeiten, nicht das notwendige Engagement oder nicht das notwendige Interesse mitbringen."
    Nida-Rümelin hält deshalb für eine generelle Eignungsprüfung vor Studienbeginn für wünschenswert. Widerspruch von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Die Hochschulen seien verpflichtet, sich auf eine zunehmend heterogene Studentenschaft einzustellen.
    "Na, ja, ich glaube schon, dass ein Hochschullehrer eine Eigenverantwortung hat und dass Hochschulen selbstkritischer sein müssen."
    Der Akademisierungswahn - das ist für Nida-Rümelin auch eine Verlagerung von bisherigen Ausbildungsberufen an die Hochschulen. So können Erzieherinnen und Erzieher seit einigen Jahren einen Bachelor machen, im medizinischen Bereich gibt es Studiengänge wie Pflegemanagement oder Public Health Care. Für den Philosophieprofessor der falsche Weg:
    "Höhere Bildung und akademische Berufe schaffen Distanz zwischen den Dingen und den Menschen. Altmodisch formuliert, man muss sich die Hände nicht mehr schmutzig machen, man muss nicht mehr nah ran gehen an die Dinge und die Menschen."
    Arbeitgeber widersprechen Nida-Rümelin
    "Schuster bleib bei deinen Leisten" scheint das Motto von Julian Nida-Rümelin. Für einen SPD-Politiker argumentiert er erstaunlich konservativ und behauptet, er habe die Unternehmen auf seiner Seite. Doch die großen Arbeitgeberverbände haben gerade erst ein Gegenpapier zu seinem Buch "Der Akademisierungswahn" veröffentlicht. Irene Seling von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände BDA hat es verfasst.
    "Aus unserer Sicht ist diese Diskussion, die von Nida-Rümelin angestoßen wurde, irreführend und undifferenziert und schadet auch dem Gedanken und den Modellen eines durchlässigen Bildungssystems. Ich würde es als Ausdruck eines Wunsches, zu alten Zeiten zurückzukehren, interpretieren."
    Abiturienten vom Studium abzuhalten, sei der falsche Weg, so die Arbeitgeberverbände. Um den Fachkräftemangel zu beseitigen, sei es vielmehr nötig, jedem zu einem Schulabschluss und zu einer Ausbildung zu verhelfen.