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Debatte in Nationalversammlung
Dürfen Terroristen Franzosen bleiben?

Die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung diskutieren aktuell über Konsequenzen aus den Pariser Terroranschlägen: Soll der Ausnahmezustand in die Verfassung aufgenommen werden? Und: Kann man verurteilten Terroristen die französische Staatsbürgerschaft entziehen?

Von Barbara Kostolnik | 05.02.2016
    Hollande bei der Sitzung der Nationalversammlung und des Senats
    Frankreichs Präsident Hollande bei einer Sitzung der französischen Nationalversammlung. (dpa/picture alliance/Philippe Wojazer/Pool)
    Vom Geist der Einheit, der direkt nach den Attentaten vom 13. November in die Franzosen und ihre Volksvertreter gefahren war, war zum Auftakt der Debatte in der Nationalversammlung wenig übrig, auch wenn Premier Manuel Valls sich alle Mühe gab, ihn hervorzulocken:
    "Ich werde für alle Zeiten dieses Bild im Gedächtnis behalten, dieses Bild vom Präsidenten der Republik, dem Präsidenten aller Franzosen, als er zum Kongress gesprochen hat, zu Abgeordneten und Senatoren, und sie alle aufgestanden sind und ihm applaudiert haben."
    Der 16. November aber liegt lange zurück, und Beifall für den Präsidenten gibt es derzeit weder von den Konservativen noch von seinen Sozialisten. Auch wenn der Premier-Minister im umstrittensten Punkt, der Aberkennung der Staatsbürgerschaft für verurteilte Terroristen, auf seine Kritiker zukam.
    "Die Regierung hat gewünscht, dass das Prinzip Gleichheit in die Verfassung geschrieben wird. Dieser Text unterscheidet also nicht zwischen gebürtigen Franzosen und denen, die die Staatsbürgerschaft erst später bekommen haben und macht auch keinen Unterschied ob jemand eine oder mehrere Staatsbürgerschaften besitzt."
    Folglich soll künftig jedem Franzosen, der eine schwere Straftat begeht und Frankreich und die Republik angreift, die Staatsbürgerschaft genommen werden dürfen, auch wenn man damit riskiert, dass Menschen ohne Pass dastehen, also staatenlos sind. Ein Zugeständnis an die linken Sozialisten, die kritisiert hatten, wenn man nur Franzosen mit zwei Pässen die Staatsbürgerschaft wegnehmen würde, wäre das diskriminierend. Für Valls gibt es ohnehin nur einen Unterschied: Franzosen und diejenigen, die sie attackieren.
    Abstimmung nächsten Mittwoch
    "Die Aberkennung der Staatsbürgerschaft ist die kollektive Antwort der Franzosen auf diejenigen, die beschlossen haben, die Nation anzugreifen, es ist eine Geste, die den Zusammenhalt derjenigen beschwört, die die republikanischen Werte gegen diejenigen verteidigen, die diese Werte zerstören."
    In der Nationalversammlung könnte Valls mit diesem Manöver bei seinen Sozialisten eine Mehrheit bekommen, die wenigen Staatenlosen fallen nach Ansicht der Regierung nicht ins Gewicht. Allerdings finden die konservativen Republikaner die Volte höchst unschön:
    "Wir bedauern sehr diese ständigen juristischen Winkelzüge dieser Regierung, sagte der republikanische Abgeordnete Alain Chrétien, ständig tischen sie uns etwas neues auf, wir wollen endlich Klarheit darüber haben, was die Regierung will."
    Fest steht, die sozialistische Regierung will erst einmal die eigenen Reihen schließen und ihre Abgeordneten auf Linie bringen: für die Abstimmung nächsten Mittwoch. Dass man damit die Konservativen vor den Kopf stößt, nun gut. Denn das Verfassungs-Vorhaben muss ohnehin in den Senat, in der zweiten Kammer sind die Republikaner in der Mehrheit und die werden den Text garantiert noch einmal radikal verändern.
    Ob es überhaupt zu einem Kongress kommt, in dem Abgeordnete der Nationalversammlung und Senatoren dann gemeinsam über die Verfassungs-Änderungen abstimmen, kann heute niemand sagen. Eine 3/5-Mehrheit, die es für die Änderungen bräuchte, ist jedenfalls nicht in Sicht.