Donnerstag, 28. März 2024

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Debatte über die Essener-Tafel
"Da ist man ganz schnell in der rechten Ecke"

Der Beschluss der Essener Tafel, zeitweise nur Menschen mit deutschem Pass als Neukunden aufzunehmen, sorgte für einen bundesweiten Aufschrei - Bundeskanzlerin inklusive. In der Folge wurde der Essener-Tafel-Chef als Nazi beschimpft. Einem SPD-Politiker - ebenfalls in Essen - erging es vor zwei Jahren ähnlich.

Von Moritz Küpper | 07.03.2018
    Hilfsbedürftige warten vor der Essener Tafel
    Wartende vor der Tafel - "Es um junge kräftige Männer, die wenig Rücksicht gegenüber Frauen haben", sagt der Theologe Richard Schröder. (imago / epd)
    Stephan Duda steht auf dem Parkplatz eines Supermarkts in Essen-Karnap und schüttelt den Kopf:
    "Der Herr Sartor wird hingestellt als rechts, das finde ich fatal."
    Duda, 47 Jahre alt, ist Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Essen-Karnap, Mitglied im Vorstand der Essener SPD, zugleich auch an der Spitze des örtlichen Fußball-Vereins. Der Vater zweier Kinder ist als Vertriebsleiter tätig – und parallel seit Jahren eben politisch engagiert. Sport, Soziales und die Flüchtlingspolitik sind seine Themen. Und der Fall um die Essener Tafel, vor allem die dann einsetzende bundesweite Diskussion sowie der mediale Sturm, rufen bei Duda Erinnerungen hervor:
    "Ja, das ein unbescholtener Bürger auf einmal in die rechte Ecke gedrückt wird. Ja, das hat mich dann schon erinnert, bei mir war es die gerechte Verteilung, eigentlich was positives, für die Flüchtlinge, genauso für die Helfer. Es wurde dann aber ganz schnell in die rechte Ecke geschoben und das finde ich wirklich schade, dass das heutzutage leider sehr schnell geschieht."
    "Integration hat Grenzen, der Norden ist voll", hatte Duda im Januar 2016, also vor gut zwei Jahren, auf der Facebook-Seite des Essener Ortsvereins geschrieben. Wörtlich hieß es da zu der von drei SPD-Ortsvereinen initiierten Aktion:
    "Wir rufen zur friedlichen Demonstration auf. Es kann nicht sein das mehr als 70% der neuen Flüchtlingsunterkünfte im Essener Norden errichtet werden sollen. Unsere Stadt ist groß genug. Auch der Essener Norden hat Grenzen der Integration. Ich bitte die Chance der Demonstration zu nutzen um den Entscheidern zu zeigen, dass der Norden sich nicht alles gefallen lässt."
    Der Hilferuf von Kommunalpolitikern. Der Hintergrund: Sechs der geplanten sieben neuen Flüchtlingsunterbringungen sollten damals im ärmeren, von vielen Problemen geplagten Essener Norden errichtet werden:
    "Da ist dann irgendwann mal Feierabend gewesen, wo ich gesagt hab, da ich selber am Runden Tisch, auch in der Flüchtlingshilfe tätig war, zu dem Zeitpunkt wo wir hier auch in Karnap ein großes Zeltdorf hatten mit 700 Flüchtlingen. Habe ich gemerkt, dass das nicht funktioniert. Und deswegen habe ich auch gesagt: Bitte überprüft das nochmal."
    Und letztendlich dann zu einer Demonstration aufgerufen:
    "Der Slogan, den ich damals genannt hatte, der war harsch und scharf. Das ist richtig. Letztendlich wollte ich aufmerksam machen: Es geht so nicht. Lasst uns mehrere Standorte finden, über die Stadt verteilt. Die Hilfe wäre viel, viel besser angekommen. Letztendlich, was ist daraus geschehen? Genauso wie bei dem Herrn Sartor war ich innerhalb von drei Stunden nach dem Bekanntgeben in der rechten Ecke."
    Das eigentliche Anliegen rückte in den Hintergrund
    Die Kritik kam bundesweit, auch die damalige SPD-Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, stellte klar: Die NRW-SPD stehe für eine offene vielfältige Gesellschaft und eine Willkommenskultur für Flüchtlinge, so Kraft, Protestaktionen, die das in Frage stellen könnten, lehnen sie entschieden ab. Letztendlich sagte Duda die Veranstaltung ab, auch weil AfD und NPD angekündigt hatten, die Demonstration als Plattform nutzen zu wollen. Sein eigentliches Anliegen war da schon längst in den Hintergrund gerutscht:
    "Letztendlich hat man nur noch den Flyer, sozusagen, den ich da erstellt habe, geteilt, in den Medien. Ohne einen Text darunter."
    Ein Umstand, den er ja mit der Formulierung "Der Norden ist voll" selbst provozierte. Doch auf die Frage, ob er es wieder machen würde, nickt Duda:
    "Ja, weil es nämlich um humanitäre Hilfe geht und um mehr Flüchtlingshelfer und mehrere Runde Tische. Würde ich den Flyer jetzt genauso gestalten? Sehr wahrscheinlich nicht."
    Ein Hauch von Selbstkritik. Dennoch: Man sollte, wenn irgendwo etwas schief läuft, den Mund aufmachen, so Duda. Aber, sein Fall, der Fall der Essener Tafel, zeige ihm:
    "Man kann über alles, was schief läuft, den Mund aufmachen. Bloß ist es tatsächlich so: Wenn man über Zuzug, über Flüchtlinge den Mund aufmacht, ja, wenn es da irgendwelche Schieflagen gibt – egal in welcher Form - dann ist man ganz schnell in der rechten Ecke. Und viele, viele trauen sich an dieses Thema gar nicht ran, weil sie nämlich dann, ganz schnell, in die rechte Ecke geschoben werden. Und das finde ich wirklich fatal."