Dienstag, 19. März 2024

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Debatte um Gaspipeline
Nord Stream 2 "wirkt nun mal wie ein Spaltpilz"

Mit Nord Stream 2 soll russisches Erdgas durch die Ostsee nach Deutschland transportiert werden. Die mutmaßliche Absage Frankreichs an das Projekt habe Berlin kalt erwischt, so Dlf-Korrespondent Theo Geers. Bleibt es dabei, dürfe die russische Gazprom künftig nicht zugleich Gasproduzent und Eigner der Pipeline sein.

Theo Geers im Gespräch mit Stefan Heinlein | 08.02.2019
    Das Pipeline-Verlegeschiff "Audacia" verlegt auf der Ostsee vor der Insel Rügen Rohre für die Ostsee-Erdgaspipeline Nord Stream 2.
    Die Ostsee-Pipeline Nord-Stream-2 steht in ihrer jetzigen Form zur Disposition (picture alliance / Stefan Sauer)
    Die Bundesregierung sei auf dem falschem Fuß erwischt worden, sagte Dlf-Korrespondent Theo Geers zur Absage Frankreichs an die EU-Gasrichtlinie Nord Stream 2. Berlin habe in den letzten Monaten eifrig eine sogenannte Sperrminorität in Brüssel gegen diese Gasrichtlinie zusammen gezimmert und zusammen gehalten. Zu ihnen gehören neben Deutschland auch Frankreich, Österreich, die Niederlande, Belgien, Griechenland und Zypern. Diese Minderheit ist so stark, dass gegen sie nichts entschieden werden kann. Doch wenn Frankreich jetzt ausschere, sei die Sperrminorität "perdu", so Geers. Dann würde auch Nord Stream 2 unter das europäische Regewerk fallen: Danach darf ein Unternehmen nicht gleichzeitig Gasproduzent und Eigner der Pipelines sein. Das müsse in Europa – auch bei Strom – getrennt sein. Und das ziele gegen Nord Stream 2, denn nach bisheriger Planung solle Gazprom selbst gefördertes Gas durch diese Pipeline transportieren. Das ginge dann so nicht mehr.
    Hat die Bundesregierung die Kritik aus Frankreich nicht gehört oder nicht ernst genommen?
    Bislang gebe es bisher nur Vermutungen, warum Frankreich seine Meinung geändert habe. Dlf-Korrespondent Geers teilt nicht die Vermutung, das ginge auf den massiven US-Druck zurück. Denn das wäre in Frankreich nicht zu vermitteln. Seine Vermutung sei, dass Macron "den Laden EU" zusammen halten wolle - und Nord Stream 2 "wirkt nun mal wie ein Spaltpilz". Ost- und Mittelosteuropa lehnen das Projekt strikt ab. Basierend auf seiner eigenen Erfahrung als Korrespondent in Brüssel wäre ein Seitenwechsel Frankreichs spektakulär. Geers kann sich nicht an einen solchen Vorgang erinnern, bei dem Deutschland und Frankreich plötzlich getrennt abgestimmt hätten. Hinzu komme, dass sich Berlin und Paris normalerweise vorher miteinander abstimmen.
    Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, weist auf die innere Widersprüchlichkeit von Nord Stream 2 hin: Das Projekt passt nicht zu dem Anspruch, eine gemeinsame europäische Außenpolitik auch gegenüber Russland zu verfolgen.
    Was bedeutet dieses mögliche Nein der EU für Nord Stream 2 – in dieses Projekt wurden ja bereits viele Milliarden investiert?
    Unsicher ist, ob es jetzt das Aus bedeutet. Denn theoretisch wäre es möglich, dass man auch bei Gazprom eine Lösung für das sogenannte Unbundling - also das Trennen von Gasförderung und Transport - findet. Geers glaube nicht, dass Russland einfach so in EU Marktanteile preisgeben werde.
    Wie groß ist der Schaden für das bilaterale Verhältnis Deutschland Frankreich – lässt sich das schon absehen?
    Vielleicht ist der Schaden hinterher gar nicht so groß, vielleicht habe Frankreich Deutschland sogar einen Gefallen getan. Denn Deutschland sei mit dem Festhalten an Nord Stream 2 in der EU weitgehend isoliert: "Da ist unheimlich viel Porzellan zerschlagen worden".
    Wenn es jetzt Änderungen gäbe, die die Macht von Gazprom beschneiden würden, weil Gazprom nicht die Pipeline betreiben dürfte, könnte das den Flurschaden, den Deutschland angerichtet hat, etwas kitten. Und Berlin wäre mit Frankreichs Hilfe aus dieser Nummer raus gekommen.