Friedbert Meurer: Schon dutzendmal sind in der letzten Zeit vor Ostafrika Schiffe entführt worden, aber erst die zwei allerletzten Fälle haben dann allen Beteiligten klar gemacht: so kann es nicht mehr weitergehen. Erst wurde ein Schiff mit russischen Panzern an Bord entführt und dann haben die Piraten sogar einen Supertanker gekapert. Die EU plant eine Mission gegen die Piraterie, an der sich auch die Bundeswehr beteiligen soll und will. Die Bundesregierung treibt diesen Einsatz voran, stößt aber auf erhebliche rechtliche Hürden.
Am Telefon begrüße ich Hans Frank, ehedem Vize-Admiral und Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Guten Tag, Herr Frank.
Hans Frank: Guten Tag!
Friedrich Meurer: Darf die Marine Piraten festnehmen?
Frank: Nach den Auslegungen des Verteidigungsministeriums und des Justizministeriums darf sie es zurzeit nicht.
Meurer: Man versteht es nicht, dass Soldaten keine Gefangenen machen dürfen. Viele halten das für eine Selbstverständlichkeit.
Frank: Ja. Ich bin auch im Zweifel, ob das wir, was wir bisher alles gemacht haben - ob in Bosnien-Herzegowina oder im Kosovo und in Afghanistan -, damit nicht konform ist, denn dort tun wir es bereits. Wir haben ja am Anfang auch im Kosovo beispielsweise Gefängnisse betreut am Anfang und betrieben. Also ich denke schon, wenn man es will, wird es gehen. Denn die rechtlichen Grundlagen sind ja aus meiner Sicht eindeutig. Wir haben das Seerechtsübereinkommen von 1982. Wir haben sogar eine Sicherheitsratsresolution der Vereinten Nationen vom Juni diesen Jahres, die sogar unter Kapitel VII steht, also militärische Zwangsmaßnahmen ermöglicht in den Territorialgewässern von Somalia und der hohen See vor Somalia. Also ich denke, die rechtlichen Gegebenheiten liegen deutlich vor.
Meurer: Was sagt denn das Seerecht zu der Möglichkeit, Gefangene zu machen?
Frank: Das Seerecht erlaubt es den Kriegsschiffen und den Schiffen, die unter einer nationalen Flagge fahren, gegen Piraten vorzugehen, Nacheile zu betreiben, diese auch festzunehmen, allerdings nur auf der hohen See, nicht in den nationalen territorialen Gewässern. Aber die sind ja vor Somalia ausdrücklich mit der Resolution des Sicherheitsrates vom Juni 2008 freigegeben. Insofern sehe ich dort keinen rechtsfreien Raum.
Meurer: Wenn Sie sagen, die internationale Rechtslage geht eigentlich klar dahin, dass man Häftlinge nehmen darf, warum muss dann das Grundgesetz geändert werden?
Frank: Ich glaube - Herr Gertz hat es ja auch schon angedeutet -, dass dieses ein Streit ist zwischen den beiden großen Parteien. Die CDU drängt ja darauf, eine Grundgesetzänderung oder Adaptierung vorzunehmen, um endgültig Klarheit auch für den Einsatz im Inneren zu haben, und die SPD lehnt dies ab. Zumindest ist sie nur bereit, das für die Marine und für den Luftraum zu machen. Aber hier geht es ja nicht um den Einsatz im Inneren, sondern hier geht es um den Einsatz im Äußeren, und hier sind wir ja durch das Bundesverfassungsgericht von 1994 durchaus ermächtigt, uns an kollektiven Maßnahmen zu beteiligen.
Meurer: Besteht aus Sicht der SPD, Herr Frank, die Gefahr, dass man Rückschlüsse zieht: Wenn die Bundeswehr Personen festnehmen darf vor Somalia, dann überträgt sich das auch auf einen möglichen Bundeswehreinsatz im Inneren?
Frank: Die Befürchtung besteht wohl. Nur ich halte sie für nicht begründet, denn was tun wir beispielsweise im Kosovo, was tun wir in Bosnien-Herzegowina, was tun wir in Afghanistan. Genau das machen doch die Soldaten dort, indem sie auch ohne polizeiliche Einwirkung oder polizeiliche Mithilfe Leute festnehmen und die dann an andere Truppenteile oder an die afghanische Polizei beispielsweise übergeben. Also ich halte das für ein sehr konstruiertes Bedenken.
Meurer: Wäre eine einfache Lösung, wenn immer ein Bundespolizist an Bord eines Schiffes der Marine sich befindet?
Frank: Das wäre sicherlich eine Maßnahme, die man vornehmen könnte, um zumindest Bedenken der SPD aufzufangen und abzuwiegeln. Nur, man kann es machen, zwingend notwendig halte ich es nicht. Aber um damit vielleicht die Rechtsklarheit zu beschleunigen, wäre das sicherlich ein gangbarer Weg.
Meurer: Die Marine darf ja bisher schon im Rahmen der Operation Enduring Freedom vor dem Horn von Afrika aktiv sein, allerdings nicht gewaltsam Schiffe aufbringen. Sind Sie der Meinung, Herr Frank, dass die Bundeswehr durch das Mandat des Bundestages legitimiert werden soll, auch gegen Piraten zu kämpfen und Piraten umzubringen, so wie das jetzt britische Soldaten getan haben?
Frank: Ja. Ich glaube, es geht gar nicht anders, denn wir müssen einmal uns vergegenwärtigen, wie die Piraten vorgehen. Sie versuchen, ein Handelsschiff bei Nacht und schlechter Sicht zu kapern, und wenn sie es erst einmal haben, wird es schwierig sein, eine so genannte Geiselbefreiung - das muss ja mit Spezialkräften vorgenommen werden - durchzuführen. Also geht es darum, die Schiffe zu schützen. Aber wir sehen auch, dass die Piraten ihr Operationsgebiet immer weiter von der Küste entfernen und weiter vorverlegen und sich dabei so genannter Mutterschiffe bedienen, zu denen sie zurückkehren. Und es kann ja nicht sein, wenn eine deutsche Fregatte beispielsweise einen Angriff vereitelt, wie es jetzt in letzter Zeit ja zwei-, dreimal geschehen ist, die Speed-Boote, die Schnellboote, die kleinen Schnellboote der Piraten dann zu ihrem Mutterschiff zurückkehren, und dann ist es das gewesen.
Meurer: Also auf die Speed-Boote, die Schnellboote darf auch geschossen werden?
Frank: Solange sie noch im Angriff sind, ja. In dem Moment, wo sie den Angriff abbrechen - so sagt es jetzt zumindest die Weisung des Verteidigungsministeriums -, dürfen sie nichts mehr machen. Sie dürfen die also nicht beschießen, und sie dürfen vor allen Dingen nicht gegen die Mutterschiffe vorgehen, die dann die kleinen Schnellboote wieder einsammeln und einfach auf das nächste Handelsschiff warten und darauf warten, dass die deutsche Fregatte oder die anderen Schiffe wieder weggefahren sind. So ist es ja auch mit der indischen Fregatte gewesen, die ein solches Mutterschiff durchsuchen wollte, wo das Feuer eröffnet wurde, und sie dann dieses Mutterschiff versenkt haben.
Am Telefon begrüße ich Hans Frank, ehedem Vize-Admiral und Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Guten Tag, Herr Frank.
Hans Frank: Guten Tag!
Friedrich Meurer: Darf die Marine Piraten festnehmen?
Frank: Nach den Auslegungen des Verteidigungsministeriums und des Justizministeriums darf sie es zurzeit nicht.
Meurer: Man versteht es nicht, dass Soldaten keine Gefangenen machen dürfen. Viele halten das für eine Selbstverständlichkeit.
Frank: Ja. Ich bin auch im Zweifel, ob das wir, was wir bisher alles gemacht haben - ob in Bosnien-Herzegowina oder im Kosovo und in Afghanistan -, damit nicht konform ist, denn dort tun wir es bereits. Wir haben ja am Anfang auch im Kosovo beispielsweise Gefängnisse betreut am Anfang und betrieben. Also ich denke schon, wenn man es will, wird es gehen. Denn die rechtlichen Grundlagen sind ja aus meiner Sicht eindeutig. Wir haben das Seerechtsübereinkommen von 1982. Wir haben sogar eine Sicherheitsratsresolution der Vereinten Nationen vom Juni diesen Jahres, die sogar unter Kapitel VII steht, also militärische Zwangsmaßnahmen ermöglicht in den Territorialgewässern von Somalia und der hohen See vor Somalia. Also ich denke, die rechtlichen Gegebenheiten liegen deutlich vor.
Meurer: Was sagt denn das Seerecht zu der Möglichkeit, Gefangene zu machen?
Frank: Das Seerecht erlaubt es den Kriegsschiffen und den Schiffen, die unter einer nationalen Flagge fahren, gegen Piraten vorzugehen, Nacheile zu betreiben, diese auch festzunehmen, allerdings nur auf der hohen See, nicht in den nationalen territorialen Gewässern. Aber die sind ja vor Somalia ausdrücklich mit der Resolution des Sicherheitsrates vom Juni 2008 freigegeben. Insofern sehe ich dort keinen rechtsfreien Raum.
Meurer: Wenn Sie sagen, die internationale Rechtslage geht eigentlich klar dahin, dass man Häftlinge nehmen darf, warum muss dann das Grundgesetz geändert werden?
Frank: Ich glaube - Herr Gertz hat es ja auch schon angedeutet -, dass dieses ein Streit ist zwischen den beiden großen Parteien. Die CDU drängt ja darauf, eine Grundgesetzänderung oder Adaptierung vorzunehmen, um endgültig Klarheit auch für den Einsatz im Inneren zu haben, und die SPD lehnt dies ab. Zumindest ist sie nur bereit, das für die Marine und für den Luftraum zu machen. Aber hier geht es ja nicht um den Einsatz im Inneren, sondern hier geht es um den Einsatz im Äußeren, und hier sind wir ja durch das Bundesverfassungsgericht von 1994 durchaus ermächtigt, uns an kollektiven Maßnahmen zu beteiligen.
Meurer: Besteht aus Sicht der SPD, Herr Frank, die Gefahr, dass man Rückschlüsse zieht: Wenn die Bundeswehr Personen festnehmen darf vor Somalia, dann überträgt sich das auch auf einen möglichen Bundeswehreinsatz im Inneren?
Frank: Die Befürchtung besteht wohl. Nur ich halte sie für nicht begründet, denn was tun wir beispielsweise im Kosovo, was tun wir in Bosnien-Herzegowina, was tun wir in Afghanistan. Genau das machen doch die Soldaten dort, indem sie auch ohne polizeiliche Einwirkung oder polizeiliche Mithilfe Leute festnehmen und die dann an andere Truppenteile oder an die afghanische Polizei beispielsweise übergeben. Also ich halte das für ein sehr konstruiertes Bedenken.
Meurer: Wäre eine einfache Lösung, wenn immer ein Bundespolizist an Bord eines Schiffes der Marine sich befindet?
Frank: Das wäre sicherlich eine Maßnahme, die man vornehmen könnte, um zumindest Bedenken der SPD aufzufangen und abzuwiegeln. Nur, man kann es machen, zwingend notwendig halte ich es nicht. Aber um damit vielleicht die Rechtsklarheit zu beschleunigen, wäre das sicherlich ein gangbarer Weg.
Meurer: Die Marine darf ja bisher schon im Rahmen der Operation Enduring Freedom vor dem Horn von Afrika aktiv sein, allerdings nicht gewaltsam Schiffe aufbringen. Sind Sie der Meinung, Herr Frank, dass die Bundeswehr durch das Mandat des Bundestages legitimiert werden soll, auch gegen Piraten zu kämpfen und Piraten umzubringen, so wie das jetzt britische Soldaten getan haben?
Frank: Ja. Ich glaube, es geht gar nicht anders, denn wir müssen einmal uns vergegenwärtigen, wie die Piraten vorgehen. Sie versuchen, ein Handelsschiff bei Nacht und schlechter Sicht zu kapern, und wenn sie es erst einmal haben, wird es schwierig sein, eine so genannte Geiselbefreiung - das muss ja mit Spezialkräften vorgenommen werden - durchzuführen. Also geht es darum, die Schiffe zu schützen. Aber wir sehen auch, dass die Piraten ihr Operationsgebiet immer weiter von der Küste entfernen und weiter vorverlegen und sich dabei so genannter Mutterschiffe bedienen, zu denen sie zurückkehren. Und es kann ja nicht sein, wenn eine deutsche Fregatte beispielsweise einen Angriff vereitelt, wie es jetzt in letzter Zeit ja zwei-, dreimal geschehen ist, die Speed-Boote, die Schnellboote, die kleinen Schnellboote der Piraten dann zu ihrem Mutterschiff zurückkehren, und dann ist es das gewesen.
Meurer: Also auf die Speed-Boote, die Schnellboote darf auch geschossen werden?
Frank: Solange sie noch im Angriff sind, ja. In dem Moment, wo sie den Angriff abbrechen - so sagt es jetzt zumindest die Weisung des Verteidigungsministeriums -, dürfen sie nichts mehr machen. Sie dürfen die also nicht beschießen, und sie dürfen vor allen Dingen nicht gegen die Mutterschiffe vorgehen, die dann die kleinen Schnellboote wieder einsammeln und einfach auf das nächste Handelsschiff warten und darauf warten, dass die deutsche Fregatte oder die anderen Schiffe wieder weggefahren sind. So ist es ja auch mit der indischen Fregatte gewesen, die ein solches Mutterschiff durchsuchen wollte, wo das Feuer eröffnet wurde, und sie dann dieses Mutterschiff versenkt haben.