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Debatte um Trisomie-Bluttest
"Down-Syndrom ist keine Krankheit, sondern etwas Besonderes"

Sollen Krankenkassen künftig die Kosten für Trisomie-Bluttests übernehmen? Darüber diskutiert der Bundestag. Die Aktivistin mit Down-Syndrom Natalie Dedreux spricht sich dagegen aus: "Wir wollen nicht mehr abgetrieben werden", sagte sie im Dlf. "Wir sind supercool drauf."

Natalie Dedreux im Gespräch mit Christiane Kaess | 11.04.2019
Dedreux sitzt am Tisch mit Mikro.
Aktivistin Natalie Dedreux: Sie macht gerade ein Praktikum beim Dlf. Dedreux möchte nicht, dass die Krankenkassen künftig die Kosten für Trisomie-Bluttests übernehmen. (Deutschlandfunk / Stefan Ehrhardt)
Christiane Kaess: Und verfolgen wird die Bundestagsdebatte auch die 20-jährige Aktivistin Natalie Dedreux, die mit dem Down-Syndrom lebt. Sie wurde bekannt, als sie Kanzlerin Angela Merkel 2017 in einer Wahlsendung fragte, wie sie es finde, dass in Deutschland neun von zehn Babys mit dieser Diagnose nicht zur Welt kämen? Ich konnte vor dieser Sendung ein Interview mit ihr führen. Sie wollte in diesem Gespräch geduzt werden. Ich habe sie zuerst gefragt, warum sie bei der Debatte im Bundestag dabei sein will?
Natalie Dedreux: Ich will nicht, dass der Bluttest von den Krankenkassen jetzt sofort bezahlt wird, weil es sonst weniger Menschen mit Down-Syndrom auf der Welt gibt. Das Down-Syndrom ist ja auch keine Krankheit, sondern etwas Besonderes, und wir sind auch nicht krank, wir sind fast so, wer wir sind, von der Geburt schon an so, und ich habe jetzt einen Freund, der Niko heißt, und der hat auch ein Down-Syndrom. Wenn ich mir das Leben von meinem Freund angucke, dann habe ich gemerkt, dass das total cool wird, zusammen eine Beziehung zu führen. Deshalb setze ich mich auch für Menschen mit Down-Syndrom ein.
Kaess: Was würdest du den Abgeordneten gern sagen?
Dedreux: Also ich würde ihnen sagen, wir wollen nicht mehr abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben, und die Politiker sollen machen, dass die Krankenkassen den Bluttest von Down-Syndrom nicht bezahlen. Ich persönlich würde mein Kind auch nicht einfach so abtreiben, nur weil es Down-Syndrom hat. Ich würde ihm ein herzliches Willkommen auf der Welt geben und mich auch da drüber freuen, dass ich ein Kind habe, das die Geburt auch überlebt hat.
"Menschen mit Down-Syndrom soll es auch gut gehen"
Kaess: Du hast ja auch eine Petition dazu geschrieben. Wie kam es dazu?
Dedreux: Ich habe die Petition deswegen gestartet, weil die Krankenkassen den Bluttest tun möchten, und ich will die Politiker drauf ansprechen, dass die entscheiden, da drüber sprechen in der Debatte und auch in dem Bundestag da drüber sprechen miteinander. Außerdem bin ich auch ein bisschen berühmt, weil ich mich viel einsetze, und ich erreiche mehr Menschen als andere. Ich will auch meinem Freund damit helfen, und den Menschen mit Down-Syndrom soll es auch gut gehen.
Kaess: Was glaubst du, was kannst du bewirken, wenn du mit Politikern über ihre Meinung zum Bluttest sprichst?
Dedreux: Ich hoffe, dass die mir natürlich zuhören. Sie sollen auch sehen, dass wir, die das Down-Syndrom haben, cool drauf sind, und kann auch etwas da drunter leisten. Ich habe auch einen Instagram-Account, damit die Menschen auch sehen, wie cool ich drauf bin im Alltag, damit die weniger Angst vor uns Menschen mit Down-Syndrom haben.
Kaess: Was würdest du denn gern Menschen sagen, die erfahren, dass das Kind, das sie bekommen, das Down-Syndrom hat?
Dedreux: Also da kann ich dazu sagen, dass die keine Angst erst mal haben müssen. Wir tun ja nichts, und wir können auch nichts dafür, dass wir das Down-Syndrom haben.
Kaess: Wo fühlst du dich denn am meisten eingeschränkt, weil du das Down-Syndrom hast, also was kannst du wegen deines Down-Syndroms nicht so gut wie andere Menschen ohne Down-Syndrom?
Dedreux: Ich kann zum Beispiel nicht alle Texte jetzt so direkt verstehen, wenn es eine schwere Sprache ist. Da brauche ich auch einen Übersetzer, der für leichte Sprache übersetzt. Sport kann ich auch nicht alles machen, weil ich einen Herzschrittmacher trage jetzt persönlich. Ich kann auch zum Beispiel keine Achterbahn fahren, was auch eigentlich nichts zum Lachen ist, sondern auch weil ich einen Herzschrittmacher habe, und dadurch wird mir einfach übel danach.
Dedreux: Will alleine über mich bestimmen
Kaess: Wer hilft dir denn, im Alltag mit dem Down-Syndrom umzugehen, und wie machen die Menschen das?
Dedreux: Also ich finde es gut, dass meine Mutter den Betreuer als Rolle hat, weil ich eigentlich alleine über mich bestimmen will und mein Leben gerne alleine selbstständig machen will. Wo es noch hakt, brauche ich schon Hilfe und Unterstützung, weil ich werde irgendwann auch ausziehen in eine Wohnung und damit es meiner Beziehung gutgeht und gut läuft. Mein Freund und ich wollen auch in unserer Beziehung einfach über manche Sachen alleine bestimmen und wollen nicht ständig kontrolliert werden.
Kaess: Was wünschst du dir denn von den Menschen, mit denen du zu tun hast?
Dedreux: Die Menschen sollen einfach nett zu mir sein. Ich mag auch nicht, wenn meine Kollegen mit Down-Syndrom andauernd angeguckt werden und auch angestarrt werden. Wir sind ganz normal und einfach supercool drauf.
Kaess: Was würdest du denn in deinem Leben gerne noch erreichen?
Dedreux: Ich würde gerne Journalistin werden, und deshalb mache ich jetzt gerade ein Praktikum bei Deutschlandfunk und schreibe Nachrichten, und ich möchte eine glückliche Beziehung mit meinem Freund führen und vielleicht auch mal eigene Kinder haben.
Kaess: Was hast du schon erreicht, worauf bist du stolz, was du schon gemacht hast?
Dedreux: Ich finde es ja gut, dass ich Interviews geben kann und das auch bislang gut gemacht habe und natürlich, dass ich der Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Frage gestellt habe, die sehr mutig war von mir. Die Frage war, wieso darf man Babys mit Down-Syndrom bis kurz vor der Geburt noch abtreiben, und da muss die ja erst mal schlucken, und dann hat sie mir gesagt, dass das die Entscheidung der Mutter ist und sie das Kind zur Welt bringt oder nicht. Sie hat aber auch gesagt, was für ein toller Mensch ich zum Vergleich bin. Ich war auch in der Sendung von Eckart von Hirschhausen in der Show "Quiz des Menschen", jetzt auch mit Down-Syndrom. Da habe ich auch den Film gedreht mit dem Schauspieler Bjarne Mädel, worauf ich sehr stolz bin.
Kaess: Und du schreibst beim Magazin "Ohrenkuss". Worüber schreibst du?
Dedreux: Wir schreiben über Themen, die uns selber betreffen. Wir schreiben auch zum Beispiel über lustige Dinge, wie zum Beispiel über Sex und sowas. Das Heft, was jetzt rauskommt, ist das Thema Ukraine, und da waren wir gerade gewesen, und dann habe ich auch viele Leute mit Down-Syndrom da kennengelernt, konnte mit denen zusammenarbeiten, und wir haben geguckt, wie das Leben so in der Ukraine ist. Wir haben die Ausstellung gemacht über deren Leben, wie es denen geht, und ich habe diese Ausstellung da eröffnet.
"Spiele gerne auch Theater zusammen mit meinem Freund"
Kaess: Glaubst du, dass du ein Vorbild für andere Menschen mit Down-Syndrom bist?
Dedreux: Ja, mit jedem Fall, weil ich mich ja für Menschen mit Down-Syndrom auch einsetze zum Teil, und ich zeige ja natürlich das, was Menschen mit Down-Syndrom alles leisten können. Ich spiele zum Beispiel gerne auch Theater zusammen mit meinem Freund.
Kaess: Du hast schon erzählt, du hast auch Angela Merkel getroffen. Wie kam es dazu?
Dedreux: Ich war in der Sendung ARD "Wahlarena" gegangen. Da habe ich der Frau Merkel eine Frage gestellt. Wieso kann man Babys noch abtreiben mit Down-Syndrom. So haben wir uns kennengelernt. Dann hat sie mich später bei der Caritas-Werkstatt in Köln auf der Arbeit besucht.
Kaess: Wie war denn die Begegnung mit Angela Merkel für dich?
Dedreux: Schön, und es war auch mal ein bisschen anstrengend, vor so vielen Kameraleuten zu reden. Da war ich auch ein bisschen aufgeregt.
Kaess: Und welche Politikerin oder welchen Politiker würdest du gerne noch treffen?
Dedreux: Am liebsten den Frank-Walter Steinmeier, unser Bundespräsident von Deutschland. Dem würde ich auch sagen wollen, dass es Menschen mit Down-Syndrom auf der Welt geben soll.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.