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Debütalbum von Sampha
Sounds und Seele

Superstars wie Drake oder Kanye West haben seine Stimme und seine Ideen schon eingesetzt. Nun veröffentlicht der britische Songwriter und Produzent Sampha sein Debütalbum. Er zeigt sich darauf so innovativ wie anrührend - und lässt alle angesagten Trends links liegen.

Von Bernd Lechler | 28.01.2017
    Sampha Sisay bei einem Konzert in Berlin
    Sampha Sisay bei einem Konzert in Berlin (imago stock&people/Votos Roland Owsnitzki)
    Mit zwölf hat er seine ersten Tracks produziert. Am Computer zu Hause bei der Mutter, oder zwei Straßen weiter bei einem seiner vier großen Brüder, der die richtige Software hatte.
    "Ich war ständig bei ihm. Und hab seine CD-Rohlinge aufgebraucht, das hat er gehasst. Da passen ja immer 80 Minuten drauf, aber ich brannte nur einen Anderthalb-Minuten-Track, und den 50 Mal! Weil ich immer noch eine Kleinigkeit änderte und die neueste Version mitnehmen wollte. Ich finde heute noch manchmal verkratzte CD-Rs von damals. So fing das an mit dem Produzieren."
    Die älteren Brüder waren noch in Sierra Leone aufgewachsen, bevor die Familie dann nach London ging. Sampha hört ihre Stevie-Wonder-CDs, ihre Kassetten aus der alten Heimat, die er nicht kennt. Er bastelt seine Tracks, spielt auf dem Klavier, das der Vater gekauft hat - und der an Krebs stirbt, als Sampha neun ist.
    Leiser Sampha und lauter Kanye West
    Ein Studium, Musikproduktion, im Norden Englands bricht er bald ab, fasst dafür in den Londoner Szene Fuß. Sein Name macht die Runde. Starproduzent Rick Rubin lädt ihn nach Los Angeles ein. Kanye West ist auch da. Sampha verehrt ihn. Nun arbeiten sie zusammen - ausgerechnet dieser leise Junge und das größenwahnsinnigste Lautmaul des Popbusiness?
    "Schon komisch, ja, aber es hat gepasst. Trotz seiner extremen Direktheit - er ist immer echt, er will zu allem einen Bezug entwickeln. Klar, ist sein Glaube an sich selbst einzigartig. Aber eben auch, wie er das in Musik umsetzen kann. So verschieden wir sind - es gab Punkte, an denen haben wir uns getroffen."
    Was er aus solchen hochkarätig besetzten Teamprojekten mitgenommen hat? Dass man kein einsames Genie sein muss:
    "Am Ende mache ich doch gar nichts alleine. Mein Computer, die Software, die Synthesizer - das alles hat jemand konstruiert. Selbst wenn ich mich also allein glaube, ist doch jeder Aspekt meines Lebens mit anderen Menschen verbunden. Von daher bleibt meine Arbeit authentisch, auch wenn ich andere dazu bitte oder nach ihrer Meinung frage."
    Album kommt ohne prominente Gäste aus
    Trotzdem trägt jeder Ton, jeder Takt des Albums Samphas Handschrift. Er spielt Klavier, schichtet seine Stimme zu Akkorden, montiert Samples und Geräusche und Instrumentalparts zu extrem detailreichen Arrangements. Die Trends aus Hip-Hop und Pop und R&B, wie weite Räume oder rasant klappernde Hihats, klingen nur an, wie von fern; manchmal ist Sampha nah am Trip-Hop der 90er und klingt doch aktuell und ganz und gar eigen, und immer eindringlich.
    Ungewöhnlich ist, dass Sampha sein Album nicht mit prominenten Gästen dekoriert hat. Außer Kanye West wäre vielleicht auch Hip-Hop- und R&B-Superstar Drake in Frage gekommen. Ihm hatte das Label früher schon mal einen Beat von Sampha geschickt, den Drake tatsächlich verwenden wollte.
    "Das flog am Ende wieder runter, trotzdem: Dass Drake sich meine Produktionen anhört, das war schon was. Aber so sichern sich Leute wie er wohl ihren Vorsprung: Sie sperren die Ohren auf."
    Emotionale Tiefe und sound-tüftlerische Virtuosität
    Was diese Größen in Sampha hören und von ihm haben wollen, ist zum einen sicher seine sound-tüftlerische Phantasie und Virtuosität. Aber ebenso seine emotionale Tiefe - und diese Stimme, die alles so anrührend transportiert. Ein Album-Refrain lautet: "Niemand kennt mich so gut wie das Klavier im Haus meiner Mutter", und das ist letztlich ein Song für und über die Mutter selbst, die im Herbst 2015 an Krebs starb.
    "Manchmal kann ich das einfach so singen. Manchmal löst es schon Erinnerungen aus. Aber das ist gut. Mir geht's schlechter, wenn ich nicht durch die Erinnerung mit meiner Mutter verbunden bin.”
    Als hätte man sich selbst zum Freund
    An anderer Stelle singt Sampha über Ängste, die ihn jagen. Mit der Zeile: "Ich schwöre, sie riechen das Blut an mir". Oder über den Kloß in seiner Kehle, der ihn von Arzt zu Arzt trieb und nachts wachliegen ließ. War aber nichts Schlimmes.
    "Man sollte noch viel offener sein als ich es bin. Für mich ist es wichtig, das alles auszudrücken, und ich teile es auch gern. Denn es tut ja sogar mir gut, meine Musik zu hören, wenn ich jetzt durch etwas durch muss. Es weitet den Blick. Es ist als hätte man sich selbst zum Freund. Auch wenn das komisch klingt.”
    Sampha
    "Process" - sein Debütalbum erscheint am 3. Februar 2017.

    Tourdaten:
    13. März Gloria-Theater, Köln
    15. März Uebel & Gefährlich, Hamburg
    18. März ASTRA Kulturhaus, Berlin