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Deepwater Horizon
Wie das Öl die Korallenriffe im Golf von Mexiko angreift

Der Brand der Plattform Deepwater Horizon hat im Jahr 2010 eine Umweltkatastrophe ausgelöst. Das ausströmende Öl hat auch den Korallen im Golf von Mexiko schwer zugesetzt. Welche Erkenntnisse dazu nach gut vier Jahren zusammengekommen sind, darüber hat Monika Seynsche mit Charles Fisher von der Penn State University gesprochen.

Monika Seynsche im Gespräch mit Charles Fisher | 29.07.2014
    Monika Seynsche: Warum haben Sie Tiefseekorallen untersucht?
    Charles Fisher: Nun, es ist sehr einfach, die Folgen des Ölunfalls im flachen Wasser zu sehen. Aber es ist sehr schwer zu erkennen, was in der Tiefsee geschah. Und Korallen sind exzellente Bioindikatoren für die Auswirkungen in der Tiefsee, weil sie festsitzen. Und die Korallenarten, die wir normalerweise untersuchen, sind mit lebendem Gewebe überzogen. Dadurch lassen sich die Auswirkungen des Öls ganz einfach nachweisen und die Skelette überdauern viele Jahre. Sie können die Folgen also auch noch sehr lange Zeit nach dem Unfall erkennen.
    Seynsche: Und welche Folgen des Ölunfalls haben Sie in den Korallengemeinschaften entdeckt?
    Fisher: Vor ein paar Jahren schon hatten wir eine Korallengemeinschaft entdeckt, die mit braunen Flocken überzogen war. Mehr als die Hälfte der Korallen war zur Hälfte bedeckt. Wir haben diese braunen Flocken untersucht und in ihnen Öl entdeckt, das aus dem Macondo-Bohrloch stammte. Seitdem haben wir uns weitere Korallen angeschaut auf der Suche nach ähnlichen Veränderungen. Wir entdeckten Korallen, in denen zwischen 10 und 90 Prozent der Kolonie schon tot sind oder gerade absterben. Als wir damals die erste Korallengemeinschaft entdeckt hatten und sie noch mit den braunen Flocken bedeckt waren, waren sie gerade dabei abzusterben. Als wir dann die Flocken entfernten fand sich darunter nur noch totes Gewebe, eine braune Masse. Als wir dann später auf die anderen betroffenen Gemeinschaften stießen, war seit dem Ölunfall schon mehr als ein Jahr vergangen und zu diesem Zeitpunkt waren die braunen Flocken schon verschwunden. Aber was übrig blieb, waren Korallengemeinschaften, die normalerweise mit lebendigem Korallengewebe überzogen sind, jetzt aber große Flächen toten Gewebes aufwiesen, an das sich andere Tiere angeheftet hatten. Es sieht aus wie ein Flickenteppich aus lebenden und toten Korallen.
    Bedeutung der Korallen für das Ökosystem im Ganzen
    Seynsche: Sie sagten, einige dieser Korallen waren von Ölunfall betroffen. Was bedeutet das für den Rest des Ökosystems? Wer ist auf diese Korallen angewiesen?
    Fisher: Es gibt eine ganze Reihe von Tieren, die in, zwischen oder auf den Korallen leben. Einige sitzen direkt auf den Korallen, wie Schlangensterne und Seeanemonen. Dann gibt es Krabben, Garnelen und andere kleine Tiere, die wir oft zwischen den Korallen herumlaufen sehen. Und wir finden Hüllen von Haieiern auf den Korallen. Es fällt mir schwer, Ihnen ein komplettes Inventar zu nennen, denn diese Korallen sind mehr als eine Meile tief und offen gestanden wissen wir nicht sehr viel über sie. Aber die Korallen sind schon allein deshalb wichtig, weil wir an ihnen die Folgen des Ölunfalls sehen können. Sie bleiben ja an Ort und Stelle. Wenn dagegen mobile Tiere, wie Fische, Krabben oder Garnelen vom Öl getötet wurden, werden wir das wahrscheinlich nie erfahren, weil sie einfach weggeschwemmt wurden.
    Seynsche: Verstehe ich Sie recht, dass die Auswirkungen auf den Rest des Ökosystems nicht klar sind, weil man einfach sehr wenig über das Ökosystem dort unten weiß?
    Fisher: Ich denke, das kann man so sagen. Was wir detektiert haben sind die akuten Auswirkungen. Mit anderen Worten: die Teile der Korallen, die sofort und sichtbar abgestorben sind. Wenn es subakute Folgen gibt, und damit meine ich Dinge wie langsam wachsende Tumore oder eine geringere Reproduktionsfähigkeit, dann wird es noch viele Jahre dauern, bis man diese Effekte spürt.
    Seynsche: Einige der Korallen, die Sie sich angeschaut haben, waren ja nicht betroffen. Wie groß ist Ihrer Ansicht nach der Einfluss der Deep Water Horizon auf alle Korallengemeinschaften im Golf von Mexiko?
    Fisher: Das muss ich etwas eingrenzen. Denn ich habe nur Korallengemeinschaften untersucht, die in größeren Tiefen als 400 Metern leben. Und unter diesen Tiefsee- und Kaltwassergemeinschaften haben wir noch in 22 Kilometer Entfernungen Schäden durch das Öl nachweisen können. Aber wir müssen im Kopf behalten, dass wir uns nicht den gesamten Golf von Mexiko angeschaut haben. Möglicherweise müssen wir diesen Radius also eventuell noch etwas erweitern. Andererseits haben wir uns viele Gemeinschaften angeschaut, die 30, 40, 50, 60 70 oder auch 100 Kilometer entfernt waren und keine Zeichen akuter Schäden durch den Ölunfall aufwiesen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.