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"Definitiv eine weniger starke Erwärmung, als wir erwartet haben"

Deutlich geringer als erwartet habe die Erde sich in den vergangenen 15 Jahren erwärmt, sagt Hans von Storch. Das kann an einer nicht vorhersehbaren natürlichen Klimavariabilität liegen, oder dass man die Wirkung der Treibhausgase überschätzt habe, so der Meteorologe vom Institut für Küstenforschung.

Hans von Storch im Gespräch mit Georg Ehring | 09.09.2013
    Georg Ehring: Der Mensch bläst immer mehr Treibhausgase in die Luft und das erwärmt die Erdatmosphäre. Soweit die Theorie. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts stiegen die Temperaturen auch steil an - bis 1998, einem Rekordjahr mit einem großen Temperatursprung. Danach ging es aber nicht so weiter: Die ersten Jahre des neuen Jahrtausends waren zwar so warm, wie keine Dekade seit Beginn der Messungen zuvor. Doch der steile Anstieg der Temperaturen ist erst einmal vorbei. Wie ist das zu erklären?

    Hans von Storch forscht am Institut für Küstenforschung über dieses Thema und ich habe ihn gefragt, ob die globale Erwärmung zu Ende ist.

    Hans von Storch: Nein. Das erwarten wir nicht. Es ist aber so, dass wir tatsächlich in den letzten 15 Jahren einen deutlich geringeren Erwärmungstrend hatten, als unsere Szenarien, die mit Klimamodellen hergestellt worden sind, uns avisiert haben. Da kann man nun argumentieren, na ja, 1998 war ein außergewöhnlich warmes Jahr, wenn man das wegnimmt, dann ist das ein bisschen schwächer. Aber das hängt nicht nur an diesem 1998-Jahr. Wir haben definitiv eine weniger starke Erwärmung, als wir erwartet haben.

    Ehring: Was könnte denn die Ursache für diese Trendverlangsamung sein?

    von Storch: Grundsätzlich sind da mehrere Kandidaten, die denkbar sind. Zum einen ist das die natürliche Klimavariabilität. Das Klima wackelt auch von alleine und weil es dynamische Prozesse in dem Klimasystem gibt. Diese Variabilität könnte nun mal in eine andere Richtung gehen, hin zu einer Verlangsamung der Erwärmung. Eine andere Erklärung könnte sein, dass wir bisher die Wirkung der Treibhausgase ein bisschen überschätzt haben, dass wir deshalb stärkere Erwärmungen erwartet haben. Oder schließlich, dass ein weiterer Faktor hier mitwirkt: Man könnte da zum Beispiel an die Sonne denken oder Ähnliches.

    Ehring: Nun wird eingewandt, die Ozeane haben sich weiter erwärmt, von daher wäre der Trend eigentlich gar nicht gebrochen.

    von Storch: Das könnte schon so sein. Und was hier auffällig ist, ist ja, dass unsere Klimamodelle dieses nicht antizipiert haben. Dieses Erwärmen der Ozeane, oder ein besonders häufiges negatives El-Nino-Ereignis, das sind alle Teile der natürlichen Klimavariabilität, von denen wir bisher gedacht haben, dass unsere Klimamodelle die gut darstellen. Die Möglichkeit, dass dies die Erklärungen sind, ist durchaus gegeben, aber es wirft natürlich kein gutes Licht auf unsere Modelle, dass sie dieses nicht vorwegnehmen konnten.

    Ehring: Vertrauen Sie den Klimamodellen, die ja für sehr wichtig genommen werden, denn nicht mehr?

    von Storch: Doch, im Großen und Ganzen schon. Aber ich denke mir, dass wir trotzdem noch mal kritisch hinsehen müssen. Es kann zum Beispiel sein, dass die Klimamodelle ganz in Ordnung sind, dass da nichts gegen zu sagen ist. Aber dass wir den Klimamodellen nicht alle Zutaten gesagt haben, von denen wir glauben, dass sie für die Zukunft von Bedeutung sind. Wir rechnen eigentlich mit unseren Klimamodellen immer nur den zukünftigen Effekt von Treibhausgasen und eventuell auch industriellen Aerosolen hinein. Aber wir berücksichtigen zum Beispiel nicht die systematischen Änderungen der Sonnenleistung in der Zukunft. Insofern kann es sein, dass die Klimamodelle ganz wunderbar in Ordnung sind. Nur wir haben sie nicht genügend versorgt mit den relevanten Angaben, die man braucht, um Zukunft bestimmen zu können.

    Ehring: Was ist denn Ihre wahrscheinlichste Erklärung? Was vermuten Sie, was sich am Ende herausstellen wird?

    von Storch: Sozusagen mein eigener Instinkt, und mehr als Instinkt kann das zurzeit nicht sein. Es sind mehrere Hypothesen da, die man am Ende durchdeklinieren muss. Mich persönlich würde es nicht wundern, wenn es darauf hinausläuft, dass tatsächlich die natürliche Klimavariabilität unterschätzt worden ist. Dass also das Klima mehr schwankt aus sich heraus, als wir das bisher angenommen haben. Das hätte aber eine Reihe von unerfreulichen Konsequenzen, insbesondere was unsere Fähigkeit angeht festzustellen, ob wir tatsächlich einen menschgemachten Antrieb haben, oder ob wir Kapriolen sehen im Klimageschäft, die aufgrund dieser natürlichen Klimavariabilität möglich sind.

    Ehring: Das heißt, die Variationen sind für Sie so groß, dass diese Möglichkeit, dass der Mensch das Klima gar nicht erwärmt hat, durchaus besteht?

    von Storch: Ich würde das für extrem unwahrscheinlich halten. Andererseits: Als Wissenschaftler hat man auch einfach Möglichkeiten offenzuhalten und man muss sich im Zweifelsfall auch gefallen lassen, dass dann Daten am Ende so aussehen, dass sie zu der bisherigen Erklärung nicht so ganz passen. Dann muss man wirklich darüber nachdenken, was denn da geschieht. Also wir Klimaforscher haben schon ein bisschen Grund, uns an die Nase zu fassen und erneut kritisch nachzuprüfen, ob wir wirklich alles richtig gemacht haben.

    Ehring: Das Gespräch mit Hans von Storch vom Institut für Küstenforschung in Geesthacht haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.