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Demo in Berlin
"Der globalisierte Antisemitismus"

Der Zentralrat der Juden in Deutschland ruft für heute zu einer Kundgebung in Berlin gegen Judenhass auf. Dass es in Deutschland überhaupt eine Demonstration gegen Antisemitismus brauche, sei vor ein paar Jahren noch nicht vorstellbar gewesen, sagte der Soziologe Armin Michael Nassehi im DLF. Das sei schon "ein Ding".

    Eine junge Frau mit Kippa nimmt am Samstag (15.09.2012) in Berlin an einer Demonstration teil. Der Kippa-Spaziergang, zu dem im Internet aufgerufen worden war, sollte ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen und fand auch anlässlich des bevorstehenden jüdischen Festes Rosch ha-Schana (jüdischer Neujahrstag) statt.
    Eine junge Frau mit Kippa in Berlin (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Unter dem Motto "Steh auf! Nie wieder Judenhass!" ruft der Zentralrat der Juden in Deutschland für Sonntag, 14. September, 15 Uhr zu einer Großkundgebung am Brandenburger Tor in Berlin auf. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird vor den erwarteten 5.000 Teilnehmern eine Rede halten, Bundespräsident Joachim Gauck und SPD-Chef Sigmar Gabriel haben sich angekündigt. Jüdische Vertreter in Deutschland zeigen sich seit Monaten besorgt über wachsenden Antisemitismus. Am Rande von Demonstrationen gegen die im Sommer eskalierte Gewalt im Gazastreifen waren auch judenfeindliche Parolen laut geworden.
    Der Soziologe Armin Michael Nassehi sagte im Interview mit dem Deutschlandfunk, dass es in der Gesellschaft keinen Konsens darüber gebe, dass der derzeit aufflammende Antisemitismus ein hausgemachter sei. Die Tatsache, dass der Zentralrat der Juden die Demonstration selbst organisieren müsse, sei ein Hinweis darauf. Es sei bequem zu sagen, es handele sich dabei um eine eingewanderte Form von Antisemitismus - etwa von muslimischen Migranten oder auch einhergehend mit einer entsprechenden weltpolitischen Konfliktlage.
    Israel als Repräsentant des Westens
    Denn laut Nassehi gibt es inzwischen das neue Phänomen eines "globalisierten Antisemitismus'", in dem sich anti-westliche Ressentiments arabischer Länder und Konflikte mit Israel zeigen. Israel werde hier als Repräsentant des Westens und der USA gesehen, nicht in erster Linie als Vertreter des Judentums. Auch im linken politischen Lager in Deutschland ergriffen viele Partei für die Palästinenser, weil diese in der bipolaren Welt eher eine linke Bewegung seien, während Israel für das amerikanische, kapitalistische Modell stehe.
    Nassehi betonte, selbstverständlich sei ein Eintreten für Palästina und ein Hinweis auf das Leiden der Menschen im Gaza-Streifen nichts Antisemitisches. Dem Staat Israel würden allerdings häufig Dinge vorgehalten, die man anderen nicht vorhalte, zum Beispiel die Verteidigungspolitik Israels.
    Das vollständige Interview können Sie mindestens fünf Monate lang in unserem Audio-on-demand-Player nachhören.