Friedbert Meurer: Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, hat sich heute Mittag diplomatisch aus der Affäre zu ziehen versucht. Natürlich gebe man keine Kommentare dazu ab, wer in Russland als Präsidentschaftskandidat antreten wird oder nicht. Aber wichtig sei, dass die nächsten Duma- und Präsidentschaftswahlen demokratischen Grundsätzen entsprächen. Daran aber gibt es erhebliche Zweifel, und dass Wladimir Putin nach einer Auszeit wieder das Ruder nehmen will, wirft auch Fragen auf. Theoretisch kann er jetzt bis zum Jahr 2024 russischer Staatspräsident sein. Erstmals wurde er es im Jahr 2000. Also Medwedew ist jetzt Staatspräsident und Putin ist jetzt Ministerpräsident. Ab März wird das Ganze wohl umgedreht sein: Putin ist wieder Staatspräsident und Medwedew Ministerpräsident. Ich begrüße in Moskau am Telefon Galina Michailowa. Sie ist Leiterin des Analysezentrums der Oppositionspartei Jabloko. Guten Tag, Frau Michailowa.
Galina Michailowa: Guten Tag!
Meurer: Hatten Sie das erwartet, dass Wladimir Putin tatsächlich wieder den Hut in den Ring wirft und Staatspräsident werden will?
Michailowa: Natürlich, schon seit Langem. Das war im Sommer schon absolut klar, sonnenklar. Aber auch vorher war klar, dass in diesem Tandem, wie es gesagt wird, Putin eigentlich die Leiterrolle spielt.
Meurer: Was wird sich denn verändern gegenüber jetzt? Manche sagen ja, Putin hat sowieso auch derzeit die Macht in Händen.
Michailowa: Es wird sich überhaupt nichts verändern. Es bleibt so, wie es jetzt ist, und das bedeutet Stagnation, und das bedeutet tiefe Krisen. Aber das System, das aufgebaut worden ist, ist nicht verrenkbar, leider, weil die Macht und Business bei uns miteinander verschmolzen sind, und eigentlich, wenn die Leute die Machtposition verlieren, dann verlieren sie auch das Geld, und das wollen sie nicht. Deswegen brauchen sie diese Stabilität.
Meurer: Was ist Ihrer Meinung nach der entscheidende Hebel, mit dem sich Putin so lange an der Macht halten kann? Sind das die Medien?
Michailowa: Ja, das sind natürlich die Medien. Die Medien spielen die Hauptrolle dabei. Aber es ist auch zu beachten, dass die Gesellschaft so bei uns so passiv ist. Die Leute sind bereit, dieses Spiel zu spielen, indem sie ein wenig besser leben, verglichen wie vorher, und sie brauchen nicht viel und sie wollen nicht aktiv sein und sie sind total enttäuscht. Sie denken alle, alles wird auch ohne uns entschieden.
Meurer: Also die Menschen haben den Glauben an die Demokratie verloren in Russland?
Michailowa: Demokratie in Russland ist fast ein Schimpfwort. Alle Leute glauben, das, was unter Jelzin passiert ist, dass sie zweimal zum Beispiel ihr Geld verloren haben, das ist eine Demokratie, das denken sie.
Meurer: Mit Ihrer Partei Jabloko sind Sie nicht mehr im Parlament vertreten. Wie werben Sie für sich im Wahlkampf, um doch aufzurütteln und Stimmen zu bekommen?
Michailowa: Wir sind schon fast acht Jahre nicht mehr im Parlament. Wir sind im Grunde jetzt die einzige demokratische Partei im Lande, die die Interessen der Bürger verteidigt. Wir sind uns im Klaren, dass diese Wahlen ungerecht sind und dass die "einiges Russland", die Partei der Macht, alle Chancen hat. Aber wir werden versuchen, unseren Wählern zu erklären, wie das Regime aufgebaut worden ist. Außerdem: Für uns ist sehr wichtig, einfach zu versuchen, das System zu verändern, ohne Krawall und ohne Blutvergießen.
Meurer: Manche sagen, Russland ist nicht reif für die Demokratie, es gäbe zu viele Widersprüche, Konflikte und es muss eine autoritäre Regierung her. Was entgegnen Sie dieser Argumentation?
Michailowa: Wissen Sie, das kann man über jedes Land sagen. Trotzdem: Die Geschichte geht weiter, und immer mehr Länder haben eine demokratische Regierung.
Meurer: Was erwarten Sie jetzt beispielsweise von der Bundesregierung? Was sollte die Bundeskanzlerin tun?
Michailowa: Die Bundeskanzlerin soll immer die Wahrheit sagen. Das ist leider immer ein Doppelspiel, das wir hier beobachten, das Spiel, das in Europa gespielt wird. Einerseits wird Realpolitik betrieben, andererseits gibt es auch kritische Stimmen. Aber man kann auch Handel mit China treiben, aber dabei auch im Klartext sagen, wir haben es mit einem autoritären Regime zu tun. Aber in Europa werden die Augen geschlossen und wird so gemacht, als ob Putin zu diesem engen Kreis in den europäischen Führungen gehört.
Meurer: Galina Michailowa von der Oppositionspartei Jabloko zur Ankündigung Putins, nächstes Jahr wieder Präsident werden zu wollen. Danke schön, Frau Michailowa, für das Gespräch und auf Wiederhören.
Michailowa: Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Meurer: Hatten Sie das erwartet, dass Wladimir Putin tatsächlich wieder den Hut in den Ring wirft und Staatspräsident werden will?
Michailowa: Natürlich, schon seit Langem. Das war im Sommer schon absolut klar, sonnenklar. Aber auch vorher war klar, dass in diesem Tandem, wie es gesagt wird, Putin eigentlich die Leiterrolle spielt.
Meurer: Was wird sich denn verändern gegenüber jetzt? Manche sagen ja, Putin hat sowieso auch derzeit die Macht in Händen.
Michailowa: Es wird sich überhaupt nichts verändern. Es bleibt so, wie es jetzt ist, und das bedeutet Stagnation, und das bedeutet tiefe Krisen. Aber das System, das aufgebaut worden ist, ist nicht verrenkbar, leider, weil die Macht und Business bei uns miteinander verschmolzen sind, und eigentlich, wenn die Leute die Machtposition verlieren, dann verlieren sie auch das Geld, und das wollen sie nicht. Deswegen brauchen sie diese Stabilität.
Meurer: Was ist Ihrer Meinung nach der entscheidende Hebel, mit dem sich Putin so lange an der Macht halten kann? Sind das die Medien?
Michailowa: Ja, das sind natürlich die Medien. Die Medien spielen die Hauptrolle dabei. Aber es ist auch zu beachten, dass die Gesellschaft so bei uns so passiv ist. Die Leute sind bereit, dieses Spiel zu spielen, indem sie ein wenig besser leben, verglichen wie vorher, und sie brauchen nicht viel und sie wollen nicht aktiv sein und sie sind total enttäuscht. Sie denken alle, alles wird auch ohne uns entschieden.
Meurer: Also die Menschen haben den Glauben an die Demokratie verloren in Russland?
Michailowa: Demokratie in Russland ist fast ein Schimpfwort. Alle Leute glauben, das, was unter Jelzin passiert ist, dass sie zweimal zum Beispiel ihr Geld verloren haben, das ist eine Demokratie, das denken sie.
Meurer: Mit Ihrer Partei Jabloko sind Sie nicht mehr im Parlament vertreten. Wie werben Sie für sich im Wahlkampf, um doch aufzurütteln und Stimmen zu bekommen?
Michailowa: Wir sind schon fast acht Jahre nicht mehr im Parlament. Wir sind im Grunde jetzt die einzige demokratische Partei im Lande, die die Interessen der Bürger verteidigt. Wir sind uns im Klaren, dass diese Wahlen ungerecht sind und dass die "einiges Russland", die Partei der Macht, alle Chancen hat. Aber wir werden versuchen, unseren Wählern zu erklären, wie das Regime aufgebaut worden ist. Außerdem: Für uns ist sehr wichtig, einfach zu versuchen, das System zu verändern, ohne Krawall und ohne Blutvergießen.
Meurer: Manche sagen, Russland ist nicht reif für die Demokratie, es gäbe zu viele Widersprüche, Konflikte und es muss eine autoritäre Regierung her. Was entgegnen Sie dieser Argumentation?
Michailowa: Wissen Sie, das kann man über jedes Land sagen. Trotzdem: Die Geschichte geht weiter, und immer mehr Länder haben eine demokratische Regierung.
Meurer: Was erwarten Sie jetzt beispielsweise von der Bundesregierung? Was sollte die Bundeskanzlerin tun?
Michailowa: Die Bundeskanzlerin soll immer die Wahrheit sagen. Das ist leider immer ein Doppelspiel, das wir hier beobachten, das Spiel, das in Europa gespielt wird. Einerseits wird Realpolitik betrieben, andererseits gibt es auch kritische Stimmen. Aber man kann auch Handel mit China treiben, aber dabei auch im Klartext sagen, wir haben es mit einem autoritären Regime zu tun. Aber in Europa werden die Augen geschlossen und wird so gemacht, als ob Putin zu diesem engen Kreis in den europäischen Führungen gehört.
Meurer: Galina Michailowa von der Oppositionspartei Jabloko zur Ankündigung Putins, nächstes Jahr wieder Präsident werden zu wollen. Danke schön, Frau Michailowa, für das Gespräch und auf Wiederhören.
Michailowa: Auf Wiederhören!
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