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Demokratiebewegung in Hongkong
Andauernde Proteste machen China zunehmend nervös

In Hongkong sind wieder Demonstranten und Polizei aneinander geraten. Die Sicherheitskräfte verschärften die Gangart gegen Künstler und Aktivisten. In der Nacht zu Mittwoch räumten sie eine besetzte Hauptstraße und nahmen mindestens 45 Menschen fest. Auf beiden Seiten gab es Verletzte. Je länger die Proteste in der Sonderwirtschaftszone dauern, desto nervöser werden auch die Behörden auf dem chinesischen Festland - das merken auch deutsche Journalisten.

Von Ruth Kirchner | 15.10.2014
    Anhänger der Demokratiebewegung in Hongkong stellen sich der Polizei entgegen.
    Bei neuen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gab es in Hongkong auf beiden Seiten Verletzte. (afp / Alex Ogle)
    Das Foto im Internet war eigentlich harmlos. Es zeigte den Künstler Wang Zang mit einem blauem Regenschirm – ein Symbol des Protests in Hongkong. Der 30-Jährige hatte sich den Kopf kahl geschoren – eine Geste der Solidarität. Er trug eine dunkle Sonnenbrille und hielt provozierend den Mittelfinger hoch. Doch nun sitzt Wang Zang im Gefängnis. Sein Anwalt Sui Muqing ist machtlos:
    "Es ist (wie 2011) nach den Aufrufen zu einer Jasmin-Revolution (nach dem Arabischen Frühling)", sagt Sui vom südchinesischen Guangzhou aus: "Sie nehmen im großen Stil Leute einfach willkürlich fest."
    Anwalt Sui schätzt, dass in den letzten Tagen in ganz China rund 100 Leute festgenommen wurden. Über 20 allein in Guangzhou, über zehn in Songzhuang, der Künstlerkolonie vor den Toren Pekings, in der auch Wang Zang lebt. Dort traf es auch den Künstler Kuang Laowu. Wieder ging es offenbar um ein Foto und Sympathien für die Demonstranten in Hongkong.
    Welches Gesetz legt fest, dass ein Gruppenfoto einen Gesetzesverstoß darstellt?
    "Ihn wegen eines Gruppenfotos festzunehmen, ist das doch lächerlich, sagt seine Ehefrau Zhai Yue, die immer noch darauf wartet, ihren Mann in Untersuchungshaft besuchen zu dürfen. Welches Gesetz legt fest, dass ein Gruppenfoto einen Gesetzesverstoß darstellt?"
    Aber die Behörden bleiben hart. Die Teilnehmer einer privaten Dichterlesung, Zhang Miao, die chinesische Mitarbeiterin der Wochenzeitung "Die Zeit", Guo Yushan ein bekannter liberaler Intellektueller – sie alle wurden festgenommen. Kritik an der Verhaftungswelle weist Außenamtssprecher Hong Lei zurück.
    "Ich weise darauf hin, dass China ein Rechtsstaat ist. Wenn jemand Gesetze gebrochen hat, ergreifen die Justizbehörden entsprechende Maßnahmen, um unsere das öffentliche Interesse und die nationale Stabilität zu wahren."
    Mit dem Finger aufs Ausland zu zeigen heißt die Behörden-Strategie
    Der Crack Down traf auch eine Reihe liberaler Autoren. Der Verkauf ihrer Bücher wurde eingeschränkt oder untersagt. Wie so oft bei der Zensur bleibt vieles im Unklaren, gibt es keine schriftlichen Anweisungen. Auch der Propagandaapparat läuft auf Hochtouren, um "feindliche Kräfte" im Ausland auszumachen, die die Proteste in Hongkong organisiert hätten, um die Regierung zu untergraben: nach dem Vorbild der Farbenrevolutionen in Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Das amerikanische Konsulat in Hongkong wird von Chinas Staatsmedien angegriffen, die leitende Mitarbeiterin einer US-Stiftung und westliche Journalisten.
    "Vieles deutet darauf hin, dass viele von ihnen die Studenten angeleitet hätten, darf ein politischer Kommentator, Zheng Hao, im Fernsehsender Phoenix behaupten. Darunter ein deutscher Journalist aus Peking, der sich öffentlich in Hongkongs interne Angelegenheiten eingemischt und Aktivisten geschult habe."
    Namen wurden nicht genannt. Doch steht die Wochenzeitung "Die Zeit" derzeit besonders im Visier der Behörden: Nach der Festnahme ihrer chinesischen Mitarbeiterin wurde "Zeit"-Korrespondentin Angela Köckritz mehrfach von den Behörden einbestellt und teilweise stundenlang verhört. Warum, ist unklar. Doch dass die Behörden Sündenböcke suchen, scheint außer Frage zu stehen. Mit dem Finger aufs Ausland zu zeigen, ist dabei eine alte Strategie der Kommunistischen Führung. Sie hofft offenbar, dass etwas davon beim chinesischen Publikum hängen bleibt. Denn das hat wegen der strengen Zensur kaum andere Möglichkeiten, sich ein Bild zu machen.