Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Demokratiebildung für Jugendliche
Schlusspunkt für Projekt "Openion"

Mit "Openion" wurden drei Jahre lang Netzwerke zwischen Schulen und außerschulischen Trägern gefördert. Beteiligte bedauern die Entscheidung des Bundesfamilienministeriums, das Programm nicht zu verlängern. Die entstandenen Projekte hätten das Demokratieverständnis der Jugendlichen deutlich gestärkt.

Von Claudia van Laak | 27.09.2019
Gruppe Schüler sitzt auf einer Treppe und kommuniziert mit Tablet-PCs und Smartphones | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer. | dpa / picture alliance / imageBROKER
Das Bundesfamilienministerium hat das Demokratiebildungsprogramm "Openion" mit zwei Millionen Euro gefördert (imageBROKER)
Es begann mit einer Exkursion durch ihre Heimatstadt Remscheid. Wir von der Geschichts-AG des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums haben im Hof der Polizei einen alten Pferdestall entdeckt, erzählt Tabea Imig, 18 Jahre alt. Zur Nazizeit wurden von dort Juden, Sinti und Roma in die Vernichtungslager deportiert. Schnell war die Idee geboren, aus dem zugemüllten Pferdestall eine Gedenkstätte zu machen:
"Dann haben wir erstmal angefangen, alles aufzuräumen, haben eigene Tafeln auch erstellt zu Einzelbeispielen aus Remscheid, zu jüdischen Personen, die deportiert wurden in die einzelnen KZs."
Was drei Jahre später simpel klingt, war ein langer, steiniger Weg. Zunächst musste die Schulleitung überzeugt werden, dann die Stadt Remscheid. Unterstützung gab es vom Bergischen Geschichtsverein. Die Gründung der Gedenkstätte Pferdestall ist ein Vorzeigeprojekt für das Demokratiebildungsprogramm "Openion". Die Schülerinnen und Schüler wurden erstens ernst genommen und zweitens haben sie etwas bewirkt, sagt Klaus Blumberg. Er leitet die Geschichts-AG am Remscheider Arndt-Gymnasium:
"Das Ernstnehmen ist eine Basis-Voraussetzung für Demokratie in der Schule. Die sehen, da ist nicht nur die anonyme Masse von Schule und diese Unmenge von Vorschriften. Sondern da ist etwas, an dem wir teilhaben können, das von uns ausgegangen ist. Und da macht man dann besonders gerne mit."
Tabea Imig hat im Sommer Abitur gemacht, ihre Schulzeit ist vorbei. Sie engagiert sich trotzdem weiter für die Gedenkstätte Pferdestall in Remscheid. Es kommen immer wieder jüngere Schüler dazu, die die Führungen dort machen, erzählt sie begeistert. Das sei besser als abstrakter Geschichtsunterricht:
"Ich denke, das geht den Schülern auch eher näher, wenn man eine ortsbezogene Gedenkstätte hat, und das an Beispielen näher bringt und erklärt, die wirklich in der eigenen Straße passiert sind oder auf öffentlichen Plätzen oder ähnliches."
Für Geschichtslehrer Klaus Blumberg war es wichtig, den Jugendlichen kein Projekt vorzusetzen. Die Idee kam von ihnen, ich habe sie vorangehen lassen, sagt er.
"Eine Idee, die von außen kommt, die wird man kritischer prüfen als eine eigene Idee. Und dann steht man hinter der eigenen Idee vermutlich intensiver."
Demokratiebildung für Jugendliche
Das Bundesfamilienministerium hat das Demokratiebildungsprogramm Openion mit zwei Millionen Euro unterstützt. Ausgangspunkt war die Erkenntnis, dass sich Schulen zunehmend vom Lern- zum Lebensort entwickeln. Gefördert wurden deshalb Kooperationen von Schulen mit außerschulischen Trägern – von der Freiwilligen Feuerwehr bis zum Filmclub.
Schülerinnen und Schüler interessieren sich immer weniger für althergebrachte Formate wie zum Beispiel die SMV, sagt Christoph Anders, Leiter von Openion unter dem Dach der Kinder- und Jugendstiftung:
"Jugendliche sagen ganz klar, sie wollen in Projekten arbeiten, die sollen überschaubar sein, kurzfristig sein, sie wollen dabei ein Erfolgserlebnis haben und es soll an ihren Interessen anknüpfen."
Deshalb lasse sich Demokratie mithilfe von Kinder- und Jugendparlamenten auch nur bedingt lernen, ist Christoph Anders überzeugt. Dieses Format erreiche nur diejenigen, die sich sowieso schon für Demokratie interessierten:
"Ich spreche da immer von Berufsjugendlichen. Die sind eine schöne Dekoration für Politiker. Inwieweit man da tatsächlich die Jugendlichen erreicht, die Demokratiebildung brauchen, würde ich sehr infrage stellen."
Mit Openion wurden drei Jahre lang Netzwerke geknüpft zwischen Schulen, Vereinen, Initiativen. Damit ist jetzt Schluss. Der Bundeskongress in Berlin beendet das Programm, bedauert Leiter Christoph Anders:
"Man verliert die Kompetenzen und das Wissen der Mitarbeiter, das mühsam aufgebaut wurde. Im Sozialbereich sagen die Sozialarbeiter, man verliert das Vertrauen und die Bindung zu den Jugendlichen, die dann jedes Mal wieder neu aufgebaut werden muss. Und von den Pädagoginnen in den Schulen hören wir, dass immer wieder die Ansprechpartner verloren gehen und man muss wieder neue Netzwerke knüpfen um herauszufinden, wer kann was gut und wen kann man ansprechen."