Dienstag, 19. März 2024

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Demonstrationen am Wochenende
Angriffe auf Journalisten in Chemnitz

Bei den Demonstrationen am Wochenende in Chemnitz sind erneut Journalisten bedroht und angegriffen worden. Ein Dialog scheint kaum mehr möglich. Wir dokumentieren einige Vorfälle.

Von Bastian Brandau | 03.09.2018
    Teilnehmer der Demonstration von AfD und dem ausländerfeindlichen Bündnis Pegida, der sich auch die Teilnehmer der Kundgebung der rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pro Chemnitz angeschlossen haben, ziehen am 01.09.18 durch die Stadt.
    Chemnitz im Ausnahmezustand (dpa)
    "Das kippt hier gerade. Jetzt kommen von der Seite…"
    Die Reporter des Projekts "Straßengezwitscher" berichten von rechten Demonstrationen vor allem in Sachsen. Auch am Wochenende in Chemnitz sind mehrere von ihnen unterwegs. Ein Reporter ist live, als ein Demonstrant im blauen Pullover ihm mit einem Regenschirm die Kamera aus der Hand schlägt.
    "Ey, was soll das!"
    Vor allem Fotografen und Kamerateams sind im Fokus
    Szenen, wie sie zahlreiche Journalisten beschreiben, die aus Chemnitz berichtet haben. Pascale Müller von buzzfeed etwa:
    "Es wird hier gerade ziemlich brutal. Ich bin geschubst worden, ein anderer Reporter wurde getreten, die Kamera wurde versucht, abzureißen, die Leute rufen 'Verpisst euch.'"
    "Ein AfD-Demonstrant greift mich an, weil ich filme", twittert Johanna Rüdiger von Funke Medien:
    "Verpisst Euch hier, raus."
    Ein Team des MDR wird erst in eine Privatwohnung gelassen, um von dort aus zu filmen, dann nach eigenen Angaben mit Gewalt herauskomplimentiert und die Treppe heruntergeschubst.
    Vor allem Fotografen und Kamerateams sind im Fokus. Gerade als es dunkel wird, die Demonstrationen zu Ende sind, werden weitere Kamerateams bedrängt, etwa eines von "Stern-TV", wiederum gefilmt von Reportern von "Straßengezwitscher". Die Polizei nimmt einen der Angreifer fest.
    "Keine Gewalt Mensch, meine Fresse."
    Nur in Begleitung von Security-Firmen auf Demos
    Eine Szene, die auch der Studioleiter des ZDF-Landesstudios Sachsen Michael Bewerunge miterlebt hat. Sein Team war in der Nähe der "Stern-TV"-Kollegen unterwegs. Schon seit Jahren gehen Teams aus dem Dresdner Studio nur unter Begleitung von Security-Firmen auf rechte Demonstrationen.
    Bewerunge: "Gerade am Samstag hat es eine Entwicklung gegeben, die zunehmend aggressiv war. Man kann auch die Leute nicht mehr ansprechen dann. Also wir versuchen ja auch, mit Mikrophon ins Gespräch zu kommen. Wir versuchen, Interviews zu machen. Aber da wird auch nicht mehr gesagt: 'Nein wir möchten das nicht.' Das respektieren wir ja. Sondern es wird sehr schnell sehr aggressiv reagiert. So hat mir auch die Kollegin von 'Stern TV' den Angriff geschildert: Sie haben einfach gefragt: 'Können wir ein Interview machen?' Dann haben die Leute nein gesagt, dann haben sie die Kamera ausgemacht, weggegangen, sind aber trotzdem angegriffen worden."
    Ein Dialog kaum noch möglich
    Er erlebe, sagt Bewerunge, dass die Demonstranten "Lügenpresse"-Vorwürfe inzwischen soweit mit Verschwörungstheorien vermischten, dass ein Dialog kaum noch möglich sei.
    "Und das wiederum ist dann verbunden inzwischen mit Beschimpfungen, mit Aggression, mit Bedrohungen, die auch Androhung körperlicher Gewalt ist. Und die haben wir dann selbst erleben müssen. Wir haben in der unmittelbaren Nähe vom Demonstrationszug einen Sendewagen, da hat meine Kollegin gearbeitet. Und Demonstranten sind vorbei gelaufen, haben mit den Händen, vielleicht auch mit den Füßen dagegen getreten, geschlagen, es gab richtige Bedrohungen, Beschimpfungen."
    Auch hier hätten die Mitarbeiter der Security-Firma eingreifen müssen. Genauso wie bei einer Schalte in der 19 Uhr "heute"-Sendung, für die der Standort mit den Ordnern der Pegida-AfD-Demonstration vereinbart gewesen sei.
    "Danach aber setzte wirklich ein Sturm der Entrüstung ein, sodass wir auch gesagt haben, wir müssen jetzt diesen Ort hier verlassen, weil so wüste Bedrohungen ausgestoßen worden sind, die einfach von der Masse auch so bedrohlich gewirkt haben, dass wir sagen, wir müssen jetzt im Prinzip unsere Arbeit eigentlich vor Ort einstellen. Weil das sonst für Leib und Leben und die Kameraleute gefährlich werden konnte."
    Georg Restle, Redaktionsleiter beim ARD-Magazin "Monitor", twittert aus Chemnitz:
    "Beim Filmen des Tatorts in der Innenstadt wurde unser Kamerateam von Rechtsradikalen tätlich angegriffen und konnte sich gerade noch in Sicherheit bringen. Noch nie habe ich so viel Hass auf Medien erlebt wie an diesem Wochenende in Chemnitz."