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Demonstrationen in Albanien
Studierendenproteste zeigen erste Ergebnisse

Studiengebühren halbiert, erste Wohnheime renoviert - die Proteste haben die albanische Regierung zum Handeln gezwungen. Dennoch sei Albanien bei den Standards für Studierende immer noch weit von Europa entfernt, bemängeln Jugendorganisationen.

Von Srdjan Govedarica | 25.03.2019
Studierende protestieren am 11.12.2018 vor dem Erziehungsministerium in Tirana, Albanien für bessere Studienbedingungen. Einige Demonstranten tragen gelbe Schutzhelme
Studierende protestieren am 11.12.2018 vor dem Erziehungsministerium in Tirana, Albanien für bessere Studienbedingungen und gegen Studiengebühren (AFP / Gent Shkullaku)
Ein Studentenwohnheim in Shkodra im Norden Albaniens. Das Gebäude ist im guten Zustand, versprüht aber den Charme eines Krankenhauses aus vergangenen Zeiten. Lange karge Gänge gehen vom Treppenhaus ab, ein Viererzimmer folgt auf das nächste. Das Wohnheim ist ein reines Frauenwohnheim, insgesamt 115 Studentinnen leben hier. Eine von ihnen ist die 21-jährige Ediola:
"Ich lebe seit sechs Jahren in Wohnheimen. Drei Jahre habe ich während des Gymnasiums in einem Internat gelebt und seit drei Jahren lebe ich hier. Im Vergleich zu den Bedingungen im Schülerinternat ist es hier viel besser. Hier können wir zum Beispiel selbst kochen und wenn etwas nicht stimmt, wird uns geholfen"
Einfaches Zimmer, aber weniger als 1 Euro Miete am Tag
Ediola studiert Wirtschaft und Tourismus und wohnt in einem kleinen Zimmer mit zwei Hochbetten. Theoretisch könnten hier vier Studentinnen unterkommen, weil das Wohnheim aber nicht ausgelastet ist, werden die Zimmer zurzeit aber nur doppelt belegt. Eine Heizung gibt es nicht, stattdessen wärmen sich die Studentinnen mit nicht besonders sicher wirkenden Geräten, deren glühende Heizspiralen offen liegen. Es gibt Gemeinschaftsduschen und Plumpsklos. Auch wenn der Komfort zu wünschen übriglässt - für 300€ im Jahr inklusive freies WLAN findet Ediola nichts Anderes, wo sie wohnen könnte:
"Es gibt andere Möglichkeiten, man kann eine Wohnung in der Stadt mieten. Aber die Wohnbedingungen dort sind nicht sehr gut und die Mieten sind sehr teuer. Hier können wir uns die Miete leisten und die Wohnbedingungen sind gut."
Bevölkerung unterstützt Forderungen der Studierenden
Die Zustände in den Wohnheimen waren einer der Gründe für die Studentenproteste, die Albanien im Dezember in Aufruhr versetzt haben. In der Hauptstadt Tirana gingen an manchen Tagen zehntausende Studierende auf die Straße. Sie hatten konkrete Forderungen. Neben einer besseren Wohnsituation wollten sie erreichen, dass die Studiengebühren halbiert werden. Außerdem mehr Mitsprache im Universitätsbetrieb. Mit ihren Forderungen trafen die Studierenden den Nerv vieler Albaner - auch in der Politik. Erion Velaj ist Bürgermeister der Hauptstadt Tirana. Der 39-jährige Politiker der regierenden Sozialisten war vor gar nicht langer Zeit noch selbst noch Student:
"Warum muss ein Dekan oder ein Rektor einen kugelsicheren Mercedes fahren? Die Studenten waren zu Recht frustriert, weil sie Gebühren an Universitäten bezahlt haben und ihr Geld hauptsächlich für das Luxusleben dicker Fische ausgegeben wurde. Das ist nicht fair."
Belind Kelici ist Vorsitzender der Jugendorganisation der oppositionellen Demokraten. Er stellt die Proteste der Studierenden in einen größeren Zusammenhang:
"Die Studenten haben protestiert, weil sie für ein europäisches Albanien eintreten. Wir sind mitten in Europa, geographisch gesehen. Aber wir sind so weit von Europa entfernt, wenn es um Standards geht. Es ist Zeit für einen großen Wechsel in Albanien und es ist Zeit, dass die Jugend diesen Wechsel bringt"
Studiengebühren mehr als halbiert
Die Proteste haben inzwischen Früchte getragen. Die Regierung von Ministerpräsident Edi Rama hat fast alle Forderungen der Studierenden erfüllt. Die Studiengebühren für öffentliche Universitäten sind von durchschnittlich ca. 260 auf umgerechnet 120 Euro mehr halbiert worden. Besonders gute oder bedürftige Studenten sollen staatliche Stipendien bekommen. Auch die Wohnsituation in den Studentenheimen soll verbessert werden - erste Renovierungsarbeiten laufen bereits. Unter anderem hat die deutsche Bundesregierung 18 Millionen Euro dafür bereitgestellt. Dennoch gibt es noch unerfüllte Wünsche der Studierenden. Matheus Sokoli, Germanistikstudent aus Shkodra, wünscht sich etwa einen Studentenausweis mit entsprechenden Vergünstigungen. So etwas gibt es in Albanien noch nicht:
"Ich selbst war schon mal in Deutschland als Erasmusstudent. Ein Student, der einen Studentenausweis hat, kann zum Beispiel in einem Bad schwimmen, das kostet zwei Euro. Wenn ich hier in ein Bad gehe, muss ich zehn Euro bezahlen, das ist sehr teuer."
In Studentenwohnheim in Shkodra zeigt uns die 21-jährige Ediola die Waschküche, die sie und ihre Kommilitoninnen kostenlos nutzen können. Ob es sie nicht stört, ihr kleines Zimmer mit einer anderen Studentin teilen zu müssen? Ediola beantwortet die Frage mit einem breiten Lächeln:
"Das Problem ist bei mir sehr einfach gelöst: Wir sind Zwillinge!"