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"Den Betrieben auf die Finger schauen"

Nach dem neuen Gammelfleisch-Skandal hat Bundesverbraucherschutzminister Seehofer die Kontrollen in Bayern kritisiert und auch andere Länder in die Vorwürfe miteinbezogen. Der Staatssekretär im niedersächsischen Verbraucherschutzministerium Friedrich-Otto Ripke hält die Kontrollen in seinem Bundesland für ausreichend. Er plädiert für ein Berufsverbot der betroffenen Lebensmittelhändler.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Noch ist nicht klar, ob das Fleisch, das die beiden verdächtigen Großhändler aus Bayern in andere Bundesländer geliefert haben, ebenfalls verdorben war. Fest steht nur, dass in neun Bundesländern die entsprechenden Lieferungen untersucht werden, so weit das überhaupt noch möglich ist, denn schon in Bayern war festgestellt worden, dass ein großer Teil des so genannten Gammelfleisches bereits in den Handel gelangt war und verzehrt wurde. Nicht zuletzt deshalb drängt Verbraucherschutzminister Seehofer nun auf bundesweit einheitliche Kontrollen. Am Telefon ist jetzt Friedrich-Otto Ripke, Staatssekretär im Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerium in Niedersachsen. Schönen guten Tag!

    Friedrich-Otto Ripke: Guten Tag Herr Heckmann!

    Heckmann: Herr Ripke, Verbraucherschutzminister Seehofer hat zu laxe Kontrollen in Bayern kritisiert, aber andere Bundesländer in seine Kritik mit einbezogen, ohne allerdings die zu benennen. Fühlen Sie sich angesprochen?

    Ripke: Ja, wir fühlen uns angesprochen in der Verantwortung, dass wir für gute Überwachung sorgen und für saubere Lebensmittel. Aber im Inhaltlichen fühlen wir uns nicht angesprochen. Niedersachsen ist Agrarland Nummer Eins und wir haben ein sehr ausgefeiltes und risikoorientiertes Überwachungssystem in Niedersachsen.

    Heckmann: Das heißt Sie würden sagen, ein ähnlicher Skandal wie in Bayern kann bei Ihnen nicht passieren?

    Ripke: Ausnahmen gibt es immer, weil kriminelle Energie dahinter steht und der muss man sehr hart begegnen. Aber vom System her sind wir so aufgestellt, dass wir in unseren Kühlhäusern hier regelmäßig schauen, wann die Eisblöcke im Verfallsdatum ablaufen. Wir stellen sie dann sicher und fragen dann den Verfügungsberechtigten oder Eigentümer, was damit werden soll. Das heißt diese Lücke, dass Lagerfleisch - es geht ja nur um Lagerfleisch, nicht um Frischfleisch, immer wieder um Lagerfleisch -, dass wir in diesem Risikobereich sehr engagiert tätig sind, kann ich für Niedersachsen hier zum Ausdruck bringen.

    Heckmann: Ausnahmen gibt es immer, sagten Sie gerade. Ist das, was in Bayern passiert ist, eine Ausnahme oder Ergebnis von systematischer Schlamperei?

    Ripke: Ich würde sagen, es ist Ergebnis von krimineller Energie. Das bestätigt mich in meiner Aussage: wir müssen risikoorientiert überwachen und wir müssen Betrieben, wo wir Verdacht haben, wo wir Hinweise haben, dass schon mal etwas vorgekommen ist, regelmäßig auf die Finger schauen. Wir müssen auch in diesem Bereich dann hart sanktionieren. Unser Minister Ehlen fordert aus gutem Grund nicht nur finanzielle Sanktionen, sondern auch das Berufsverbot, damit man solchen Personen auf Dauer das Handwerk legt.

    Heckmann: Zu den Maßnahmen kommen wir gleich noch. Ich wollte noch mal nachfragen: Die Maßnahmen, die in Bayern verfolgt worden sind, die Kontrollen, die dort verfolgt worden sind, sind die aus Ihrer Sicht zu lax gewesen?

    Ripke: Das kann ich nur schwer beurteilen. Das wird ja dann bei der Sitzung der Verbraucherschutzminister in dieser Woche zur Sprache kommen. Ich kann nur sagen, man muss das vorhandene Personal sehr gezielt einsetzen. Das tun wir durch die Risikobewertung. Wir haben mit unseren Kreisveterinärämtern ein EDV-System aufgebaut, wo wir alle Daten erfassen, landesweit aus Überwachungsergebnissen heraus. Wir kennen also die Betriebe, wo wir aufmerksam sein müssen, und gehen dort sehr häufig hin.

    Wir haben ganz neu - da sind wir etwas weiter als Bayern es ist; das will ich auch deutlich sagen und das werden wir auch Herrn Seehofer im Laufe der Woche noch mitteilen - mit der betroffenen Branche, mit dem Landesverband der Kühlhäuser, der Fleischwarenindustrie hier in Niedersachsen eine freiwillige Vereinbarung getroffen im Februar des Jahres. Das heißt uns wird auch freiwillig gemeldet, wenn irgendwo Ablaufdaten erkannt werden, die nicht mehr ein in den Verkehr bringen rechtfertigen. Wenn irgendwie Gammelfleisch visuell erkannt wird, dann kriegen wir eine Mitteilung auf freiwilliger Basis auch von der Wirtschaft. Das ist glaube ich vorbildlich und zielführend für die Zukunft.

    Heckmann: Herr Ripke, Minister Schnappauf, der bayerische Verbraucherschutzminister, fordert schärfere Gesetze. Sie haben es gerade eben auch angesprochen. Bundesminister Seehofer sagt daraufhin, dass der Strafrahmen nicht ausgeschöpft sei. Lassen die Staatsanwaltschaften zu große Milde walten?

    Ripke: In diesem Punkt sind wir tendenziell auf der Seite Seehofers. Ich glaube, dass eine konsequente Rechtsprechung hier vonnöten ist. Wir reagieren dort auch gezielt. Wir haben eine Fachstaatsanwaltschaft in Oldenburg aufgebaut, wo wir auch Staatsanwälte gezielt für diesen Bereich ausgebildet haben. Es muss schneller gehen und es muss konsequenter gehen. Dann würde der Rechtsrahmen reichen mit einer Ergänzungssache, die ich vorhin angesprochen habe: wir möchten gerne das Berufsverbot, die Untersagung des Geschäftes, zukünftig etablieren.

    Heckmann: Plädieren Sie auch dafür, dass Namen von Betrieben veröffentlicht werden, die mit vergammeltem Fleisch handeln, so wie das im Verbraucherinformationsgesetzentwurf vorgesehen ist, über den demnächst abgestimmt werden soll?

    Ripke: Eindeutig ja. Aufgrund des geltenden Rechtes, Paragraph 40 Lebensmittel- und Bedarfsgegenstandsgesetz, geht das auch jetzt schon, wenn hier Behörden belastbare Daten haben, bei Gefahr im Verzug oder bei ekelerregendem Fleisch, was in den Verkehr gelangt. Eindeutig ja, aber auch unter dem neuen Rechtsrahmen Verbraucherinformationsgesetz nur dann, wenn wir wirklich belastbare Daten haben und nicht auf Verdacht, denn das glaube ich würde einen Berufsstand, der zu 99 Prozent sauber arbeitet, in Misskredit bringen können. Das halten wir nicht für richtig. Also grundsätzlich Verbraucherinformation ja, aber unter der Bedingung, dass wir vorher sauber ermittelt haben.

    Heckmann: Wie ist es denn zu erklären, dass diese Möglichkeit nicht schon längst besteht? Ist dort die Lobby der Fleischwirtschaft dahinter?

    Ripke: Es gibt verschiedene Gründe, auch Datenschutzgründe, rechtsstaatliche Gründe. Ich bin der Meinung, dass wir in diesem sensiblen Bereich zukünftig nach vorne schauen müssen und Verbraucherinformationen leisten. Wir werden das in Niedersachsen auch systematisch aufbauen. Wir haben gute Voraussetzungen, ein Landesamt für Verbraucherschutz in Oldenburg, und wir werden mit den Kreisveterinärämtern auch zukünftig abgestimmt auf diesem Wege für gute systematische und vollständige Verbraucherinformationen sorgen.

    Heckmann: Herr Ripke, in dieser Woche soll es noch ein Treffen der Verbraucherschutzminister von Bund und Ländern geben. Sie haben es eben schon erwähnt. Seehofer pocht auf bundeseinheitliche Kontrollen. Machen Sie da mit?

    Ripke: Auch hier würde ich sagen mit seinen eigenen Argumenten: vorhandene Systematik und Instrumentarien anwenden. Wir haben ein Fachinformationssystem im Verbraucherschutzbereich. Das hat funktioniert. Die bayerischen Kollegen haben uns die Lieferungen, die auch zum Teil nach Niedersachsen gegangen sind, schon über Nacht von Freitag auf Samstag vergangener Woche aufgelistet und wir konnten daraufhin in den Betrieben tätig werden. Das heißt, das Instrumentarium ist schon recht gut. Wir müssen in den Ländern sicherstellen, dass es gleichmäßig angewendet wird, dass wir risikoorientiert überwachen, denn wir haben nicht genügend Personal, in jeden Betrieb, in jeden Lebensmittelhandelsbetrieb einen Überwacher zu stellen. Das müsste jedem klar sein. Deshalb mehr Schwerpunkt auf risikoorientierte Überwachung.

    Heckmann: Wenn die Situation in den verschiedenen Bundesländern so unterschiedlich ist, Herr Ripke, würden Sie dann mitgehen mit der Feststellung, dass der Föderalismus dort ein Hemmschuh ist?

    Ripke: Er hat Vor- und Nachteile. Ich glaube, das ist in vielen Bereichen unseres Lebens so, nicht nur im Föderalismus. Ich glaube, dass er auch Vorteile hat, weil die Kreisveterinärbehörden auch nahe dran sind an den Betrieben. Die kennen die Besonderheiten, die Risiken und das wird eine Bundesbehörde sich auch von den Leuten vor Ort vermitteln lassen müssen. Das heißt ich glaube Kreisveterinärämter als zuständige Behörden weiterhin einzusetzen, das halte ich für richtig. Aber zwischen den Bundesländern besser zu koordinieren und für schnelle Information zu sorgen, Nutzung des vorhandenen Informationssystems - ich sage es noch einmal: Fachinformationssystem FIS, EDV-gestützt und zeitgemäß -, darauf kommt es an.

    Heckmann: Zu den Konsequenzen aus dem jüngsten Gammelfleischskandal war das Friedrich-Otto Ripke, Staatssekretär im Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerium von Niedersachsen. Ich danke Ihnen für das Gespräch!

    Ripke: Vielen Dank Herr Heckmann!