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Den Druck auf den Irak aufrecht erhalten

Zagatta: Dass die Bundesregierung es überhaupt nicht gut findet, wenn die USA jetzt auch im Alleingang ohne eine neue UNO-Resolution losschlagen wollen, das wissen wir. Aber, wie geht die Union damit um, sollte sie die Wahl am Sonntag gewinnen? Das wollen wir jetzt von Wolfgang Schäuble wissen, der im Kompetenzteam von Edmund Stoiber für die Außen- und Sicherheitspolitik zuständig ist. Guten Morgen, Herr Schäuble.

    Schäuble: Guten Morgen.

    Zagatta: Herr Schäuble, kommt das für Sie in Frage und wie würde eine unionsgeführte Regierung denn reagieren, wenn die USA im Alleingang gegen den Irak vorgehen wollen?

    Schäuble: Also, es ist ja so, das, was Sie eben vorgelesen haben, zeigt ja: Durchsetzung der UN-Resolution. Und das heißt, die UN-Resolutionen sagen ja im Kern: Saddam Hussein darf keine Massenvernichtungswaffen haben.

    Zagatta: Aber das sind alte Resolutionen.

    Schäuble: Ja, aber die müssen durchgesetzt werden. Das ist ja die eigentliche Bedrohung für die Stabilität im Nahen und Mittleren Osten und für den Weltfrieden. Das ist ja das, was auch die Vereinten Nationen sagen, was durchgesetzt werden muss. Davon geht die Gefahr aus. Bisher hat er ja immer biologische und chemische Waffen gehabt und versucht, Nuklearwaffen zu bekommen. Und jetzt muss sichergestellt werden, nachdem er nun über ein Jahrzehnt lang getrickst und getäuscht hat, dass er diese Waffen nicht hat, und das will ja der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen durchsetzen. Darauf konzentrieren wir uns. Unsere Politik ist ganz klar. Ich bin ja nicht Mitglied des amerikanischen Senats, sondern des Deutschen Bundestags, für den ich auch wieder kandidiere: Wir haben immer gesagt, wir möchten, dass das, was die Vereinten Nationen beschlossen haben, durch die Vereinten Nationen durchgesetzt wird. Da ist es übrigens gut, dass die Amerikaner Druck machen. So verstehe ich das. Ohne dass Druck von den Amerikanern gemacht wird, wäre ja nichts passiert. Saddam Hussein hat ja seit Jahren die Inspektionen nicht zugelassen, und auch jetzt hat schon wieder sein Außenminister gesagt: Inspektionen ja, aber natürlich muss die Souveränität des Iraks geachtet werden. Also wenn der Irak meint, die Inspektionen dürften nur dahin, wo dann der Irak eine Touristenführung machen will, dann hat es keinen Sinn. Die müssen schon ohne jede Einschränkung, ohne jede Bedingung überall da Zugang haben, wo sie meinen, dass sie nachgucken müssen.

    Zagatta: Das ist klar. Aber wer hat denn das dann zu entscheiden, ob das den Regeln entsprechend vor sich geht, ob man damit zufrieden ist?

    Schäuble: Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.

    Zagatta: Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, nicht die USA im Alleingang?

    Schäuble: Das ist unsere Position. Wir haben immer gesagt: Wir wollen, dass das Mandat der Vereinten Nationen durchgesetzt wird, und im Rahmen von Beschlüssen der Vereinten Nationen kann niemand sich fernhalten. Das hat übrigens die ganze Welt gesagt, auch die arabische Welt, Saudi-Arabien. Die einzigen, die gesagt haben, wir werden, was immer die Vereinten Nationen beschließen, uns daran nicht beteiligen, war die deutsche Bundesregierung. Deswegen: Der einzigen Alleingang, den es bisher gegeben hat, war nicht der der Amerikaner, sondern der der deutschen Bundesregierung.

    Zagatta: Na, ich weiß nicht ganz. Die USA haben doch auch erklärt, ihr Ziel sei es gar nicht, die Waffenvernichtung und die UN-Kontrolleure jetzt unbedingt ins Land zu bringen, sondern, was sie vor allem interessiert, das sei davon unabhängig ein Regimewechsel in Bagdad. Muss man sich das zu eigen machen?

    Schäuble: Nein, das muss man sich nicht zu eigen machen, aber ich habe dem amerikanischen Präsidenten aufmerksam zugehört, als er vor den Vereinten Nationen gesprochen hat und auch bei anderer Gelegenheit, und da hat er gesagt: Inspektionen reichen nicht aus. Unser Ziel ist, dass die Waffen beseitigt werden. Und das ist genau das, was die Vereinten Nationen ja auch beschlossen haben. Die Inspektionen sind ja nur der Weg, um sicher zu stellen, dass er keine mehr hat oder dass man, wenn er welche hat, sie vernichten muss. Das Ziel ist die Beseitigung der Waffen. Viele sagen: Das kann ich auch verstehen nach einem Jahrzehnt Erfahrung. So lange Saddam Hussein an der Macht ist, glauben wir nicht, dass das zu erreichen ist. Das ist eine andere Frage. Das Ziel ist die Beseitigung der Waffen. Es muss sicher gestellt sein, dass vom Irak keine Bedrohung, insbesondere durch Atomwaffen, ausgehen kann.

    Zagatta: Herr Schäuble, lassen Sie uns das vielleicht doch noch genau auseinanderhalten. Was würde eine von der Union geführte Bundesregierung machen, wenn es da zu einer gemeinsamen, internationalen Aktion gegen den Irak käme, die von der UNO angeordnet oder genehmigt wird. Oder den ersten Fall - vielleicht beginnen wir damit: Wenn die USA, so wie Bush das jetzt in der zurückliegenden Nacht ja von seinem Kongress gefordert hat, nicht mit dem Vorgehen der UNO zufrieden sind, wenn sie dann das Recht haben wollen und dann tatsächlich auch alleine oder gemeinsam mit den Briten ohne eine neue UNO-Resolution gegen den Irak losschlagen würden, wie würde sich dann eine von Ihnen geführte Bundesregierung verhalten?

    Schäuble: Wissen Sie, ich sehe das Ganze ein bisschen in dem Verhältnis von Ursache und Wirkung anders: Die UNO-Beschlüsse gibt es ja seit Jahren. Saddam Hussein hat sich einseitig seit Jahren geweigert, die Inspektion zuzulassen. Jetzt haben die Amerikaner Druck gemacht und jetzt auf einmal - das war von Anfang an unsere Position - wenn die Welt geschlossen Druck macht, Amerika, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die Europäer gemeinsam, die arabische Welt, Russland, China, dann wird Saddam Hussein nachgeben. Und das muss durchgesetzt werden. Dann werden wir nämlich genau die militärische Eskalation vermeiden, was das Ziel unserer Politik ist. Und deswegen ist es mir recht, wenn jeder Druck auf Hussein gemacht wird, denn sonst weicht er wieder aus. Unser Ziel ist, dass durchgesetzt wird, dass die Inspektionen ohne jede Einschränkung stattfinden und das man sicherstellen kann, dass er keine dieser chemischen und biologischen Waffen - die hat er ja bereits mehrfach mit fürchterlichen Folgen eingesetzt - und Atomwaffen versucht er zu bekommen - dass er die nicht bekommt. Wir brauchen jetzt auch gar nicht über alles Mögliche spekulieren "was wäre, wenn", sondern entscheidend ist ja, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen jeden denkbaren Druck macht, dass Saddam Hussein nicht erneut ausweichen kann.

    Zagatta: Aber die Menschen wollen natürlich schon wissen, was Sie machen würden, wenn Sie an die Regierung kommen würden? Edmund Stoiber hat jetzt wohl auch in einem Interview gesagt - so jedenfalls wird er von Agenturen zitiert: Er werde als Bundeskanzler Deutschlands Deutschland nicht als strategischen Stützpunkt zur Verfügung stellen, wenn die USA ohne internationale Unterstützung gegen den Irak vorgehen. Teilen Sie das?

    Schäuble: Also, ich habe ja eben gesagt, und wir haben immer gesagt, und das ist auch völlig klar, da gibt es auch nicht den geringsten Unterschied: Wir sind nur dafür, dass im Rahmen der Beschlüsse der Vereinten Nationen gegen den Irak gehandelt wird und dass die durchgesetzt werden. Das ist völlig klar, das war unsere Position.

    Zagatta: Sonst gibt es keine Unterstützung für die USA?

    Schäuble: Wissen Sie, manchmal habe ich ja ohnedies das Gefühl, dass der Rest in Europa sich ein wenig über uns wundert. Wir tun so, als wären wir nun diejenigen, die in der vordersten Front stehen, um da alle möglichen, militärischen Verbände möglichst rasch in den Irak zu senden. Wir haben sie gar nicht, und niemand will das. Niemand hat uns übrigens auch gefragt. Worum es geht ist die politische Unterstützung, die politische Solidarität, damit dieser Druck auf den Irak ausgeübt wird, und Tatsache ist ja gewesen, dass die Erklärungen von Kanzler Schröder und Außenminister Fischer überall in der Welt großes Missverständnis und Kopfschütteln ausgelöst hat. Zustimmung haben sie nur im Irak gefunden. Dort sind sie im Fernsehen als die Kronzeugen gezeigt worden, dass die Front der Völkergemeinschaft und der Europäer keineswegs geschlossen gegen den Irak sei.

    Zagatta: Aber Sie stimmen mit der Bundesregierung zumindest in dem Punkt überein: Für einen Alleingang der USA gibt es keine deutsche Unterstützung?

    Schäuble: Ich sage noch einmal: Auch die USA planen doch gar keinen Alleingang. In dem Resolutionsentwurf, den wir am Anfang unseres Gesprächs zitiert haben, steht doch ausdrücklich, es müssen die Beschlüsse der Vereinten Nationen durchgesetzt werden. Die werden aber nur durchgesetzt, wenn irgendjemand dafür sorgt, dass auch Druck auf den Irak gemacht wird. Und das tun die Amerikaner, und deswegen haben sie unsere Unterstützung.

    Zagatta: Aber wenn Herr Stoiber dann jetzt erklärt, dass er Deutschland nicht als strategischen Stützpunkt zur Verfügung stellen würde, dann macht er sich doch auch schon seine Gedanken?

    Schäuble: Wir machen uns alle unsere Gedanken. Das ist ja auch wichtig, und unsere Antworten sind klar. Wir möchten, dass im Rahmen der Vereinten Nationen, durch die Vereinten Nationen, gehandelt und erfolgreich gehandelt wird, um die Waffen im Irak auszuschließen. Und ich sage noch einmal, das ist ja auch das, was die Amerikaner wollen. Die Amerikaner sagen: Wenn die Vereinten Nationen wider Erwarten das nicht schaffen würden oder wenn es Schwierigkeiten in den Vereinten Nationen gäbe, dann würden wir trotzdem handeln. Das ist nicht unser Thema. Wir sind daran nicht beteiligt. Aber das Thema ist: Die Vereinten Nationen müssen handeln und sie müssen es durchsetzen. Und nur weil die Amerikaner diesen Druck machen, besteht die Chance, dass diese Bedrohung, die sich ja nicht nur gegen Amerika, sondern gegen die ganze zivilisierte Welt, also auch gegen uns richtet, vermieden werden kann. Es geht ja nicht darum, Krieg zu führen, sondern es geht darum, sicherzustellen, dass von Saddam Hussein und seinen Atomwaffen keine Kriegsgefahr ausgehen kann.

    Zagatta: Herr Schäuble, von unserem Korrespondenten haben wir heute morgen in der Sendung auch schon ausführlich gehört, dass es in den USA eine ziemliche Empörung über Justizministerin Däubler-Gmelin gibt, die George Bush mit Hitler verglichen haben soll. Die Opposition hierzulande ist da auch gleich aufgesprungen und macht da auch mit. Ist das nicht etwas unredlich, solange die Ministerin bestreitet, das so gesagt zu haben.

    Schäuble: Ja gut, das wird man klären. Das war ja eine öffentliche Veranstaltung. Wenn das nicht geklärt ist, dann muss man notfalls im nächsten Bundestag einen Untersuchungsausschuss machen. Ich glaube, wenn die Justizministerin das gesagt hat, was ja mehrere Zeugen schon bestätigen, ist völlig klar, sie kann unabhängig vom Ausgang der Wahlen einer Bundesregierung nicht mehr angehört werden. Das wäre ja ein so ungeheuerlicher Vergleich. Wer so etwas sagt, auch in der Hitze des Wahlkampfes, und gerade noch als Justizminister, der muss ja eigentlich ohnedies ein bisschen mehr Verantwortung und Zurückhaltung haben, der kann dann nicht mehr einer Bundesregierung angehören. Und wenn es da Zweifel gibt, wer was gesagt hat, dafür gibt es ja nun genügend Verfahrensmöglichkeiten, um das zu klären.

    Zagatta: Der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Schäuble, schönen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio