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Den Emissionshandel selber reparieren

Die in den Emissionshandel gesetzten Hoffnungen wurden enttäuscht, weil zu viele Verschmutzungsrechte auf dem Markt sind. Dagegen will der Verein TheCompensators vorgehen. Die Idee: Er kauft CO2-Zertifikate, löscht sie und treibt so den Preis für CO2-Emissionen wieder in die Höhe.

Von Philip Banse | 20.06.2013
    Sie nennen sich TheCompensators, die rund zwei Dutzend Kompensatoren arbeiten ehrenamtlich, haben kein Büro.

    "Wir treffen uns im Internet, weil wir nicht alle in Berlin wohnen. Wir machen Videochats und einmal im Monat treffen wir uns in Berlin","

    sagt die stellvertretende Vorsitzende Giulia Carboni, bis vor Kurzem Wissenschaftlerin an der Uni Potsdam, bald bei der EU-Kommission. Zu den Kompensatoren gehören Journalisten, Ingenieure, Unternehmensberater und Wissenschaftler, vor allem vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. An dem Forschungsinstitut ist die Idee auch entstanden, vor sieben Jahren: Warum kaufen wir uns nicht freiwillig Verschmutzungsrechte, bezahlen also für unseren privaten CO2-Ausstoß. Mehr noch: Anschließend löschen wir die Zertifikate: Denn gibt es weniger Verschmutzungsrechte, darf weniger Klimagas produziert werden und der CO2-Preis steigt.

    ""Der Hintergrund ist einfach: Es gibt viel zu viele Verschmutzungsrechte, deshalb ist der Preis unglaublich niedrig. Und damit funktioniert der Emissionshandel nicht. Die Idee war ja: Wer verschmutzt, muss zahlen. Aber im Moment ist dieser Preis so gering, dass es keine Auswirkungen hat. In den letzten Wochen lag der Preis bei drei Euro, drei Euro 50. Er sollte liegen - sagen Wissenschaftler bei 30 Euro, erst dann hat er einen Effekt."

    Also, so die Idee, kann sich jeder Verschmutzungsrechte kaufen und löschen.

    "Und dann haben sie herausgefunden, dass Menschen das nicht tun können. Um ein Konto zu besitzen in diesem Emissionshandel, muss man eine Einrichtung sein. Das muss aber nicht unbedingt ein Industrieunternehmen, das kann auch ein Verein sein."

    Seitdem sammeln die Kompensatoren Spenden, bisher rund 15.000 Euro. Mit dem Geld haben sie Verschmutzungsrechte gekauft - und gelöscht, sagt Giulia Carboni:

    "Wir kaufen Emissionsrechte. Die landen auf unserem Konto, man kann sich das wie ein Bankkonto vorstellen. Aber in einem Bankkonto will man ungern Geld löschen. In diesem Fall gibt es die Möglichkeit. Es gibt tatsächlich einen Button, der heißt "Freiwillige Löschung" und man kann drauf klicken und dann ist es weg."

    Auf diese Weise haben die Kompensatoren bisher Verschmutzungsrechte für 5000 Tonnen CO2 gelöscht. In Europa dürfen also 5000 Tonnen weniger CO2 ausgestoßen werden, das ist so viel CO2, wie 450 Deutsche in einem Jahr produzieren, sagt der Journalist und Kompensator Florian Oel. Löschen sei nur ein Ziel. Das andere Ziel sei, dass jeder für sein CO2 bezahlt.

    "Wir sagen: Am besten ist es, wenn einfach jeder sein komplettes Leben ausgleicht. Es geht uns nicht darum, mal einen Flug zu kompensieren. Denn es geht nicht darum, dass Leute anfangen zu fliegen, weil sie wissen, sie können das kompensieren. Uns geht es darum, dass es zu einem klimabewussten Lebensstil einfach dazugehört, alles, was ich nicht vermeiden kann, das kompensiere ich."

    Jeder Deutsche produziert pro Jahr rund elf Tonnen CO2. Nach dem aktuellen Preis für Verschmutzungsrechte kostet das 50 Euro. Viel zu wenig, sagen Aktivisten und Klimaforscher. Deswegen solle das EU-Parlament dem Vorschlag der EU-Kommission zustimmen und viele Verschmutzungsrechte einfach wieder löschen. Das hatte das EU-Parlament kürzlich abgelehnt. In zwei Wochen steht ein Kompromiss zur Abstimmung, den hat gestern der Umweltausschuss des EU-Parlaments beschlossen. Allerdings habe der Umweltausschuss die Vorlage stark verwässert. Die jetzige Vorlage sei sehr schwach. Trotzdem fordern sie die Europaparlamentarier auf, im Plenum für das Löschen der Zertifikate zu stimmen.

    "Ich glaube, die Chancen sind etwas größer als sie das beim letzten Mal waren, denn es gibt einen neuen Kompromiss mit einigen kleinen Zugeständnissen, aber der wichtige Grundsatz bleibt, nämlich, dass 900 Millionen Zertifikate herausgenommen werden sollen."

    Allerdings, moniert Oel, sollen diese Zertifikate jetzt sehr viel schneller wieder in den Markt gelangen, als ursprünglich geplant.