Christoph Heinemann: Am Telefon ist jetzt Oliver Heikaus. Er ist Arbeitsmarktexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Guten Tag!
Oliver Heikaus: Schönen guten Tag Herr Heinemann!
Heinemann: Herr Heikaus, der Präsident Ihres Verbandes Ludwig Georg Braun sagt, man müsse eigentlich die ganze Gesundheitsreform kippen. Was spricht gegen diese Reform?
Heikaus: Das Hauptproblem, das der DIHK mit der geplanten Gesundheitsreform in ihrer bisherigen Form hat, ist in der Tat der geplante Gesundheitsfonds. Dessen Einführung wird mit steigenden Beiträgen für alle einhergehen, Lohnzusatzkosten und damit auch die Arbeitskosten erhöhen und vor allen Dingen auch mehr Staat und Bürokratie in der Gesundheitspolitik schaffen. Deswegen ist es gut, die Sache noch einmal zu überdenken und nach hinten zu verschieben.
Heinemann: Inwiefern mehr Staat?
Heikaus: Na ja, weil die Administration dieses Gesundheitsfonds natürlich ein enormes Maß an Bürokratie bedeutet, außerdem auch der Wettbewerb zwischen den Kassen ja gelähmt wird, weil eben beim Fondsmodell der Beitragssatz von staatlicher Seite festgelegt werden soll, und wir brauchen ja nun einmal mehr Wettbewerb im System!
Heinemann: Aber der Wettbewerb findet doch durch die Zusatzzahlungen der Patienten statt, die ihrer Kasse unter die Arme greifen müssen, und wenn diese Zusatzzahlungen zu hoch werden, dann können doch die Leute die Kassen wechseln. Dann wird es doch einen Wettbewerb um die niedrigeren Zusatzbeiträge geben?
Heikaus: Ja, aber man könnte das anders aufziehen. Vor allen Dingen müsste man darauf achten, im System konsequenter als es bislang angedacht worden ist, die Ausgaben zu disziplinieren und nicht nur die Einnahmenseite zu betrachten. Deswegen plädiert der DIHK dafür, mehr Eigenverantwortung in das System hineinzubringen, zum Beispiel durch eine stärkere Selbstbeteiligung im ambulanten Bereich. Vor allen Dingen brauchen wir eine konsequente durchgängige Abkoppelung der Finanzierung des Gesundheitssystems von den Arbeitskosten. Nur so können wir es schaffen, die Arbeitskosten zu senken und letztlich mehr Beschäftigung in Deutschland zu schaffen. Das ist ja nun unser Hauptproblem nicht zuletzt auch im Segment der Geringqualifizierten.
Heinemann: Senkung der Kassenbeiträge durch zusätzliche Steuermittel schlägt Saarlands Ministerpräsident Peter Müller vor. Ein Vorschlag in Ihrem Sinne?
Heikaus: Man müsste prüfen, inwiefern hier eine zusätzliche Finanzierung aus Steuermitteln möglich ist. In jedem Fall ist das immer dann gut, wenn gesamtgesellschaftliche Aufgaben hier finanziert werden müssen. Und letztlich - ich sagte das schon - oberstes Gebot muss natürlich sein, den Faktor Arbeit in Deutschland zu entlasten, denn trotz günstigerer Entwicklung bei den Arbeitskosten am aktuellen Rand stehen wir hier im internationalen Vergleich immer noch verhältnismäßig ungünstig da.
Heinemann: Herr Heikaus, 30 Prozent weniger Arbeitslosengeld II, dafür staatliche Zuschüsse zum Lohn für Langzeitarbeitslose. Das ist die Formel des Kombilohnmodells, welches die Sachverständigen heute vorschlagen werden. Unterstützen Sie diesen Vorschlag?
Heikaus: Die Grundphilosophie, Geldleistungen zu kürzen, wenn Jobangebote ausgeschlagen werden, ist aus DIHK-Sicht in jedem Fall richtig. Wir haben mit dem Arbeitslosengeld II ein verhältnismäßig großzügiges Unterstützungssystem geschaffen, das vor allen Dingen Geringerqualifizierten ein höheres Einkommen beschert, als diese vielfach am Markt erwirtschaften können. Von daher muss es selbstverständlich sein, dass derjenige, der nicht bereit ist, einen eigenen Beitrag zu leisten, indem er dann halt ein Jobangebot ausschlägt, Leistungskürzungen hinnehmen muss.
Heinemann: Sie haben eben bei der Gesundheitsreform zu viel Staat bemängelt, aber diese Einmischung des Staates in die Wirtschaft lassen Sie sich gefallen?
Heikaus: Moment! Das Arbeitslosengeld II ist ja an sich auch schon ein staatliches System. Das kann man mögen oder nicht. Wir haben es; andere Länder kommen auch ohne Arbeitslosengeld II aus. Wir müssen aber doch einfach schauen: wir haben den Staat beziehungsweise die finanzierende Solidargemeinschaft, die sich doch einfach darauf verlassen muss, dass jeder Einzelne nach Kräften so viel beisteuert wie er kann, um seine Hilfebedürftigkeit zu mindern, das heißt eben auch ein Job-angebot anzunehmen und nicht abzulehnen.
Heinemann: Aber unterm Strich heißt Kombilöhne doch, dass die Unternehmen weniger Löhne zahlen müssen?
Heikaus: Moment! Jetzt dürfen wir zwei Sachen nicht vermischen. Das erste, was wir gerade besprochen haben, sind die Sanktionsmechanismen, wenn jemand Arbeitsangebote ablehnt. Das andere ist diese Debatte um Kombilöhne. Da muss man natürlich auch genau gucken: was meint man da eigentlich. Wenn Sie so wollen haben wir im Arbeitslosengeld-II-System ja schon ein Kombilohnmodell angelegt in dem Sinne, dass derjenige, der nicht produktiv genug ist, um seinen Lebensunterhalt vollständig aus Erwerbsarbeit zu erwirtschaften, ergänzend ALG-II-Zahlungen bekommt.
Das ist ja nun so verkehrt nicht. Das muss man sich im Detail angucken. Was nicht funktioniert - und dem hat der Sachverständigenrat ja auch eine klare Absage erteilt - ist, allein durch großzügige finanzielle Anreize für die Betroffenen, für die Leistungsempfänger, die Aufnahme einer Beschäftigung attraktiver zu machen und eben nicht bei Ablehnung zu sanktionieren. Das führt zu nichts und wird sehr schnell sehr teuer.
Heinemann: Besteht nicht dennoch die Gefahr, dass der Kombilohn ein Einstieg in den Dumpinglohn ist?
Heikaus: Wir müssen uns glaube ich darüber im Klaren sein, dass Geringqualifizierte - das sind immerhin 40 Prozent der Arbeitslosen, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben - leider nicht selten nicht dazu in der Lage sind, mit ihrer Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt vollständig aus eigener Kraft zu sichern, zumindest dann nicht, wenn sie länger erwerbslos, arbeitslos waren. Deswegen müssen wir gucken: was wollen wir.
Man kann nun sagen, es muss einfach so sein, dass jeder nicht weniger als - ich sage jetzt mal bewusst 7,50 Euro die Stunde verdient. Nur wenn ein mehrjährig Arbeitsloser ohne abgeschlossene Berufsausbildung diese 7,50 Euro eben einfach nicht erwirtschaften kann, ist die Konsequenz, dass er außen vor bleibt und eben vollständig dann von der Gemeinschaft finanziert werden muss. Besser wäre es doch, jeder macht das, was er aus Kräften dazu beisteuern kann. Was zum Leben nicht reicht, wird beispielsweise im Rahmen der gegenwärtigen ALG-II-Spielregeln, ergänzend dann von der Gemeinschaft finanziert. Perspektivisch besteht dann ja die Möglichkeit, dass jemand in der Lage ist, je länger er wieder in Arbeit ist auch mehr zu seinem eigenen Lebensunterhalt beizusteuern.
Heinemann: Herr Heikaus, die Gesundheitsreform wird verschoben. Wir haben es gehört. Über den Kombilohn wird gestritten. Auch andere Reformen, etwa die Entlastung der Unternehmen bei der Erbschaftssteuer, sollen auf die lange Bank geschoben werden können oder werden. Gründlichkeit vor Schnelligkeit sagt die Regierung. Ist das ein guter Wahlspruch?
Heikaus: Man muss darauf achten, dass einen die Gründlichkeit letzten Endes nicht lähmt, und vor allen Dingen muss man darauf achten, dass man sich aufgrund der politischen Konstellation nicht mit faulen Kompromissen zufrieden gibt. Vor diesem Hintergrund war das Verschieben der Gesundheitsreform eine richtige Sache. Wir müssen aber darauf achten, dass wir die anderen Reformbaustellen in den Griff bekommen, und der Arbeitsmarkt muss dort natürlich ganz hohe Priorität genießen. Trotz der leichteren Entspannung am Arbeitsmarkt; der Handlungsbedarf ist hier ungebrochen!
Oliver Heikaus: Schönen guten Tag Herr Heinemann!
Heinemann: Herr Heikaus, der Präsident Ihres Verbandes Ludwig Georg Braun sagt, man müsse eigentlich die ganze Gesundheitsreform kippen. Was spricht gegen diese Reform?
Heikaus: Das Hauptproblem, das der DIHK mit der geplanten Gesundheitsreform in ihrer bisherigen Form hat, ist in der Tat der geplante Gesundheitsfonds. Dessen Einführung wird mit steigenden Beiträgen für alle einhergehen, Lohnzusatzkosten und damit auch die Arbeitskosten erhöhen und vor allen Dingen auch mehr Staat und Bürokratie in der Gesundheitspolitik schaffen. Deswegen ist es gut, die Sache noch einmal zu überdenken und nach hinten zu verschieben.
Heinemann: Inwiefern mehr Staat?
Heikaus: Na ja, weil die Administration dieses Gesundheitsfonds natürlich ein enormes Maß an Bürokratie bedeutet, außerdem auch der Wettbewerb zwischen den Kassen ja gelähmt wird, weil eben beim Fondsmodell der Beitragssatz von staatlicher Seite festgelegt werden soll, und wir brauchen ja nun einmal mehr Wettbewerb im System!
Heinemann: Aber der Wettbewerb findet doch durch die Zusatzzahlungen der Patienten statt, die ihrer Kasse unter die Arme greifen müssen, und wenn diese Zusatzzahlungen zu hoch werden, dann können doch die Leute die Kassen wechseln. Dann wird es doch einen Wettbewerb um die niedrigeren Zusatzbeiträge geben?
Heikaus: Ja, aber man könnte das anders aufziehen. Vor allen Dingen müsste man darauf achten, im System konsequenter als es bislang angedacht worden ist, die Ausgaben zu disziplinieren und nicht nur die Einnahmenseite zu betrachten. Deswegen plädiert der DIHK dafür, mehr Eigenverantwortung in das System hineinzubringen, zum Beispiel durch eine stärkere Selbstbeteiligung im ambulanten Bereich. Vor allen Dingen brauchen wir eine konsequente durchgängige Abkoppelung der Finanzierung des Gesundheitssystems von den Arbeitskosten. Nur so können wir es schaffen, die Arbeitskosten zu senken und letztlich mehr Beschäftigung in Deutschland zu schaffen. Das ist ja nun unser Hauptproblem nicht zuletzt auch im Segment der Geringqualifizierten.
Heinemann: Senkung der Kassenbeiträge durch zusätzliche Steuermittel schlägt Saarlands Ministerpräsident Peter Müller vor. Ein Vorschlag in Ihrem Sinne?
Heikaus: Man müsste prüfen, inwiefern hier eine zusätzliche Finanzierung aus Steuermitteln möglich ist. In jedem Fall ist das immer dann gut, wenn gesamtgesellschaftliche Aufgaben hier finanziert werden müssen. Und letztlich - ich sagte das schon - oberstes Gebot muss natürlich sein, den Faktor Arbeit in Deutschland zu entlasten, denn trotz günstigerer Entwicklung bei den Arbeitskosten am aktuellen Rand stehen wir hier im internationalen Vergleich immer noch verhältnismäßig ungünstig da.
Heinemann: Herr Heikaus, 30 Prozent weniger Arbeitslosengeld II, dafür staatliche Zuschüsse zum Lohn für Langzeitarbeitslose. Das ist die Formel des Kombilohnmodells, welches die Sachverständigen heute vorschlagen werden. Unterstützen Sie diesen Vorschlag?
Heikaus: Die Grundphilosophie, Geldleistungen zu kürzen, wenn Jobangebote ausgeschlagen werden, ist aus DIHK-Sicht in jedem Fall richtig. Wir haben mit dem Arbeitslosengeld II ein verhältnismäßig großzügiges Unterstützungssystem geschaffen, das vor allen Dingen Geringerqualifizierten ein höheres Einkommen beschert, als diese vielfach am Markt erwirtschaften können. Von daher muss es selbstverständlich sein, dass derjenige, der nicht bereit ist, einen eigenen Beitrag zu leisten, indem er dann halt ein Jobangebot ausschlägt, Leistungskürzungen hinnehmen muss.
Heinemann: Sie haben eben bei der Gesundheitsreform zu viel Staat bemängelt, aber diese Einmischung des Staates in die Wirtschaft lassen Sie sich gefallen?
Heikaus: Moment! Das Arbeitslosengeld II ist ja an sich auch schon ein staatliches System. Das kann man mögen oder nicht. Wir haben es; andere Länder kommen auch ohne Arbeitslosengeld II aus. Wir müssen aber doch einfach schauen: wir haben den Staat beziehungsweise die finanzierende Solidargemeinschaft, die sich doch einfach darauf verlassen muss, dass jeder Einzelne nach Kräften so viel beisteuert wie er kann, um seine Hilfebedürftigkeit zu mindern, das heißt eben auch ein Job-angebot anzunehmen und nicht abzulehnen.
Heinemann: Aber unterm Strich heißt Kombilöhne doch, dass die Unternehmen weniger Löhne zahlen müssen?
Heikaus: Moment! Jetzt dürfen wir zwei Sachen nicht vermischen. Das erste, was wir gerade besprochen haben, sind die Sanktionsmechanismen, wenn jemand Arbeitsangebote ablehnt. Das andere ist diese Debatte um Kombilöhne. Da muss man natürlich auch genau gucken: was meint man da eigentlich. Wenn Sie so wollen haben wir im Arbeitslosengeld-II-System ja schon ein Kombilohnmodell angelegt in dem Sinne, dass derjenige, der nicht produktiv genug ist, um seinen Lebensunterhalt vollständig aus Erwerbsarbeit zu erwirtschaften, ergänzend ALG-II-Zahlungen bekommt.
Das ist ja nun so verkehrt nicht. Das muss man sich im Detail angucken. Was nicht funktioniert - und dem hat der Sachverständigenrat ja auch eine klare Absage erteilt - ist, allein durch großzügige finanzielle Anreize für die Betroffenen, für die Leistungsempfänger, die Aufnahme einer Beschäftigung attraktiver zu machen und eben nicht bei Ablehnung zu sanktionieren. Das führt zu nichts und wird sehr schnell sehr teuer.
Heinemann: Besteht nicht dennoch die Gefahr, dass der Kombilohn ein Einstieg in den Dumpinglohn ist?
Heikaus: Wir müssen uns glaube ich darüber im Klaren sein, dass Geringqualifizierte - das sind immerhin 40 Prozent der Arbeitslosen, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben - leider nicht selten nicht dazu in der Lage sind, mit ihrer Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt vollständig aus eigener Kraft zu sichern, zumindest dann nicht, wenn sie länger erwerbslos, arbeitslos waren. Deswegen müssen wir gucken: was wollen wir.
Man kann nun sagen, es muss einfach so sein, dass jeder nicht weniger als - ich sage jetzt mal bewusst 7,50 Euro die Stunde verdient. Nur wenn ein mehrjährig Arbeitsloser ohne abgeschlossene Berufsausbildung diese 7,50 Euro eben einfach nicht erwirtschaften kann, ist die Konsequenz, dass er außen vor bleibt und eben vollständig dann von der Gemeinschaft finanziert werden muss. Besser wäre es doch, jeder macht das, was er aus Kräften dazu beisteuern kann. Was zum Leben nicht reicht, wird beispielsweise im Rahmen der gegenwärtigen ALG-II-Spielregeln, ergänzend dann von der Gemeinschaft finanziert. Perspektivisch besteht dann ja die Möglichkeit, dass jemand in der Lage ist, je länger er wieder in Arbeit ist auch mehr zu seinem eigenen Lebensunterhalt beizusteuern.
Heinemann: Herr Heikaus, die Gesundheitsreform wird verschoben. Wir haben es gehört. Über den Kombilohn wird gestritten. Auch andere Reformen, etwa die Entlastung der Unternehmen bei der Erbschaftssteuer, sollen auf die lange Bank geschoben werden können oder werden. Gründlichkeit vor Schnelligkeit sagt die Regierung. Ist das ein guter Wahlspruch?
Heikaus: Man muss darauf achten, dass einen die Gründlichkeit letzten Endes nicht lähmt, und vor allen Dingen muss man darauf achten, dass man sich aufgrund der politischen Konstellation nicht mit faulen Kompromissen zufrieden gibt. Vor diesem Hintergrund war das Verschieben der Gesundheitsreform eine richtige Sache. Wir müssen aber darauf achten, dass wir die anderen Reformbaustellen in den Griff bekommen, und der Arbeitsmarkt muss dort natürlich ganz hohe Priorität genießen. Trotz der leichteren Entspannung am Arbeitsmarkt; der Handlungsbedarf ist hier ungebrochen!