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Den Finger am roten Knopf?

Das iranische Staatsfernsehen hat gemeldet, dass das Land damit begonnen hat, Uran anzureichern. Der deutsch-iranische Bundestagsabgeordnete der Grünen Omid Nouripour ist besorgt über die Entwicklungen im Iran und fordert mehr Unterstützung für die dortige Demokratiebewegung.

Omid Nouripour im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Nicht nur Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg, den wir eben gehört haben, hatte die Ankunft des iranischen Außenministers Mottaki bei der Münchener Sicherheitskonferenz als positives Zeichen erst interpretiert, aber Tags darauf trat dann der iranische Präsident Ahmadinedschad in Teheran auf den Plan und verkündete, wir beginnen mit der Anreicherung, und tatsächlich: heute Morgen heißt es im iranischen Fernsehen, man habe mit der Anreicherung begonnen. Ein komplizierter physikalischer Vorgang. Zwei Zahlen sind wohl wichtig: im Moment wird auf 20 Prozent angereichert. Für Atomwaffen muss man aber mindestens 80 Prozent anreichern. Am Telefon begrüße ich Omid Nouripour, er sitzt für die Bündnis-Grünen im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages. Guten Morgen, Herr Nouripour.

    Omid Nouripour: Schönen guten Morgen!

    Meurer: Wie gefährlich ist das, was der Iran tut?

    Nouripour: Es ist vor allem gefährlich aus zwei Gründen. Erstens: wenn die Iraner auch nur so tun, als würden sie ernsthaft die Bombe anstreben, dann wird das natürlich zu ähnlichen Überlegungen in der Region führen. Länder wie Türkei, Saudi-Arabien, Ägypten könnten dann sich auch darum bemühen, dass sie zumindest Fähigkeiten bekommen, die Bombe zu bauen. Das heißt, wir hätten eine Proliferationsspirale ohne gleichen. – Das zweite Problem ist: Wenn die Iraner eines Tages die Atomwaffe haben sollten, hat kein Mensch auch nur eine Ahnung, wer wann Zugriff hat auf die Verwendung dieser Bombe, also wer die Hand hat auf dem roten Knopf. Das ist bei dem komplizierten Machtgeflecht im Iran alles andere als einfach und es kann auch sein, dass die Bombe tatsächlich auch Spielball innerer Zerrissenheit des Regimes wird.

    Meurer: Ist das dritte Problem, dass Israel bald zu einem militärischen Präventivangriff schreitet?

    Nouripour: Das ist selbstverständlich ein Problem, dass die Israelis sehr laut darüber räsonieren. Ich kann sehr verstehen, dass Israel sich bedroht fühlt. Das ist ja auch explizit Teil der provokanten Rhetorik von Ahmadinedschad. Allerdings muss man feststellen, dass eine militärische Option erstens unabsehbare politische Folgen hätte und zweitens nicht wirklich Einfluss hätte auf das iranische Atomprogramm. Die Iraner haben jetzt angekündigt, dass sie an zehn verschiedenen Orten demnächst anreichern wollen. Das ist nicht etwas, was einen Militärschlag unbedingt erfolgsversprechend aussehen lässt.

    Meurer: Was Sie eben eingangs sagten, tut der Iran nur so, als strebe er die Bombe an?

    Nouripour: Wir wissen es nicht genau. Allerdings muss man feststellen, dass die Regierung, vor allem dieser Präsident, dass er irrational genug ist an bestimmten Stellen und dass er gefährlich genug ist, als dass man diese Drohungen extrem ernst nehmen muss. Außerdem muss man sich die Komponenten, die die Iraner sich immer wieder beschafft haben für ihr Atomprogramm, anschauen. Da gibt es einiges, was man für die zivile Nutzung nicht braucht, aber für die militärische. Also es gibt dann auch noch dazu addiert die ganzen ungeklärten Fragen der Internationalen Atomenergiebehörde, die immer wieder neue Dinge entdeckt, die die Iraner ja vergessen haben anzumelden. Dann muss man natürlich ein tiefes Misstrauen hegen.

    Meurer: Welche Sanktionen, Herr Nouripour, soll der UNO-Sicherheitsrat verhängen?

    Nouripour: Es gibt einige, die mir einfielen. Allerdings, finde ich ehrlich gesagt, ist viel wichtiger derzeit als die Frage, welche Sanktionen, die Frage, warum man Sanktionen verhängen sollte. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass es ein Riesen Fehler ist, wie gerade wir argumentieren, dass wir die Menschenrechtsfrage nämlich im Iran, die innere Situation im Iran, die Frage, was am nächsten Donnerstag, übermorgen auf der großen Demonstration passieren wird, wo Millionen Menschen auf die Straße gehen werden und wo es wahrscheinlich, sehr wahrscheinlich leider blutig ausgehen wird, dass man die Menschenrechtsfrage nicht von der Atomfrage abkoppeln kann. Die Menschenrechtsfrage ist eine, die im Iran eine innere Dynamik entwickelt hat in den letzten Monaten, die dazu führt, dass das Regime eben auf internationaler Ebene immer herumeiert, wenn es zum Beispiel kurz vor diesen Großdemonstrationen ist.

    Meurer: Nur inwiefern koppelt der Westen die zwei Fragen voneinander ab, Bombe und Menschenrechte?

    Nouripour: Wenn Sie sich die Münchener Sicherheitskonferenz anschauen, wenn Sie sich die Äußerungen beispielsweise der Mitglieder der deutschen Bundesregierung anschauen, dann haben sie alle ausschließlich über das Atomprogramm geredet. Da finden Sie keine Äußerung von Westerwelle oder von Guttenberg zum Thema Menschenrechte im Iran in München. Ich habe auch große Zweifel, ob das Gespräch mit dem iranischen Außenminister, was Westerwelle hatte, dieses Thema beinhaltet hat. Mein Eindruck ist sehr fest, gerade der Westen sagt, wir müssen erst das Atomprogramm lösen und dann können wir erst über die Menschenrechte reden, weil wir ja sonst die Iraner am Verhandlungstisch verärgern würden. Das ist aber ein Trugschluss, noch mal, weil die Menschenrechtsfrage, weil die Situation im Iran einen immensen inneren Druck macht, auch auf die Verhandlungsposition Ahmadinedschads im Atomstreit.

    Meurer: Die Oppositionsbewegung im Iran ist ziemlich heterogen. Welchen atompolitischen Kurs, glauben Sie, Herr Nouripour, würde eine Regierung, die von der Opposition gestellt wird, im Iran einschlagen?

    Nouripour: Ich glaube – und da haben Sie völlig Recht -, dass es unheimlich schwierig wäre, die heutige Opposition eine Regierung bilden zu lassen. Ich glaube, dass sie sich in kaum einer Frage einig wären. Der Emulgator ist Ahmadinedschad als Feind. Wenn man sich aber Mussawis Äußerungen – der ist ja so was wie der Oppositionsführer – anschaut, dann muss man feststellen, dass er teilweise heftige Kritik geäußert hat an Ahmadinedschad, er wäre zu weich in der Atomfrage dem Westen gegenüber. Also es gibt einiges, was dafür spricht, dass er in der Anreicherungsfrage deutlich härter wäre, aber es gibt auch manche Indizien dafür, dass er erstens tatsächlich einiges dagegen tun würde, dass es keine militärische Nutzung gibt. Zweitens aber könnte man gewiss jetzt heute schon sagen, eine solche Rhetorik, eine solche Bedrohungsrhetorik Israel gegenüber würde es von Mussawi nicht geben.

    Meurer: Aber klingt so, als würde auch die Opposition die Atomfrage zu einer nationalen Frage hochstilisieren?

    Nouripour: Ja, selbstverständlich. Aber die nationale Frage ist bei denen ausschließlich an Energie gekoppelt, zumindest bisher in der Rhetorik, und nicht an einer Bedrohung von Israel, an einer Auslöschung von Israel von der Karte, wie Ahmadinedschad das immer wieder betont. Man muss aber eines noch sagen: Die Frage Regierungsbildung in Iran ist ja nicht so einfach. Wir müssen ja eigentlich immer mit bedenken, wer gleichzeitig der Revolutionsführer ist, weil im Zweifelsfall ist er derjenige, der die Hand für die eine oder andere Entscheidung zu heben hat, wenn es um das Atomprogramm geht. Also eine Regierung alleine ist noch nicht die Lösung der Probleme im Iran.

    Meurer: Das war Omid Nouripour, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen. Heute Morgen hat das iranische Staatsfernsehen gemeldet, dass der Iran mit der Urananreicherung begonnen hat. Herr Nouripour, besten Dank und auf Wiederhören.

    Nouripour: Danke Ihnen!