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Den Haag
Russlands Rückzug verschärft Krise des Strafgerichtshofs

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag steckt in einer fundamentalen Krise. Nach mehreren afrikanischen Staaten hat nun auch Russland seine Unterstützung aufgekündigt. Andere Staaten wie USA und Israel hatten sich bereits vor Jahren zurückgezogen. Weitere Länder könnten folgen. Die UNO ist besorgt.

16.11.2016
    Eingang zum Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag mit Schild davor.
    Der Internationaler Strafgerichtshof in Den Haag (dpa / Juan Vrijdag)
    Angesichts einer mehrere Austritte aus dem Weltstrafgericht hat der UNO-Menschenrechtskommissar die Staatengemeinschaft zu einer Unterstützung des Gerichts aufgerufen. "Es gibt dazu keine Alternative", sagte Zeid Ra'ad Al Hussein in Den Haag. Er äußerte sich zum Auftakt der einwöchigen Vollversammlung der 124 Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofes (ICC), auf der über die künftige Arbeit des Tribunals beraten werden soll.
    Meiste Verfahren gegen afrikanische Staaten
    Der UNO-Hochkommissar warnte vor allem afrikanische Staaten vor einem Abkehr von dem Gericht. "Betrügen Sie nicht die Opfer." Im Oktober hatten Gambia, Burundi und Südafrika ihren Austritt aus dem Gericht angekündigt, da er nach ihrer Ansicht einseitig gegen Afrika gerichtet ist. Neun der zehn bisher angestrengten Verfahren behandeln Verbrechen auf dem afrikanischen Kontinent. Das Gericht ignoriere die "Kriegsverbrechen" westlicher Politiker völlig, hieß es. Immer wieder wird als Beleg für eine Voreingenommenheit des Strafgerichtshof dessen Weigerung erwähnt, den früheren britischen Premierminister Tony Blair wegen des Irak-Kriegs anzuklagen.
    Zum Auftakt der Vollversammlung kündigte dann Russland an, sich ebenfalls zurückzuziehen. Nach Angaben des Außenministeriums in Moskau verfügte Präsident Wladimir Putin dies per Dekret. Offiziell begründete das Außenministerium in Moskau den Rückzug mit den Vorermittlungen des Gerichtshofs zum russisch-georgischen Krieg um Südossetien 2008, wie die Agentur Interfax meldete. Der Schritt Putins folgte aber auch zwei Tage nach einem Bericht der ICC-Chefanklägerin Fatou Bom Bensouda über die Lage in der Ukraine.
    Russland zählt zu den Unterzeichnern des Vertrags, hatte seinen Widerstand aber früher bereits deutlich gemacht. Die Ratifizierung blieb aus. Als Grund wurden nicht erfüllte Erwartungen genannt. Die Arbeit des ICC werde immer wieder als ineffizient und einseitig charakterisiert.
    USA, China und Israel sind gar nicht erst dabei
    Auch die USA hatten das Statut des Tribunals 2000 mit unterzeichnet, sich aber schon kurz darauf wieder zurückgezogen. Eine Reihe weiterer Länder, darunter China und Israel, hat bislang den Vertrag ebenfalls nicht ratifiziert. Weitere afrikanische Regierungen drohen ebenfalls mit Rückzug. Amnesty International sprach vor dem Treffen von einer "berechtigten Sorge", forderte die Staaten aber zu anhaltender Kooperation mit dem Tribunal auf.
    Das Weltstrafgericht gilt als wichtiges Instrument zum Schutz der Menschenrechte. Damit soll verhindert werden, dass Diktatoren, Folterer und Kriegsverbrecher ohne Strafe davonkommen, wenn die nationale Justiz untätig bleibt. Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord werden seit 2002 verfolgt.
    (fwa/tgs)