"Such doch mal auf MeineStadt.de nach Ausbildungen im Einzelhandel! Geh mal nach links oben am besten, weiter links! Da drauf - genau!"
"So! 35 Lehrstellenangebote: Fachverkäuferin für Lebensmittelhandwerk, Bäckerei, Drogist, Drogistin"
"Die suchen ja einen Haufen Drogisten!"
"Genau."
"Wir können ja mal gucken, was man da für einen Abschluss braucht!"
"Ja, soll ich mal draufklicken?"
Sümeja, Hauptschulabsolventin türkischer Abstammung, ist auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Gemeinsam mit Arnulf Quentin, Mitarbeiter des "Interkulturellen Bildungszentrums", studiert sie Ausschreibungen im Internet. Ein Angebot des sogenannten Serviceladens, der in einem Stadtviertel mit hoher Migrantendichte liegt und jeden Nachmittag geöffnet hat. Hier finden vor allem sozial benachteiligte Schüler Ansprechpartner, die ihnen etwa beim Bewerbungsschreiben helfen. Auch Sümeja hat damit große Probleme:
"Eigentlich schon. Beim Sätze formulieren und so. Wenn man eine Bewerbung schreibt, muss halt alles perfekt sein! Keine Grammatikfehler. Man muss auf Kommas, Punkt achten. Und deswegen brauche ich Hilfe. Ich hab ja auch in der Schule nicht so gut aufgepasst. Deswegen habe ich jetzt Schwierigkeiten."
Defizite, die hier fast jeder Schüler mitbringt, der den Serviceladen aufsucht, berichtet Arnulf Quentin. Doch wesentlich problematischer sei - seiner Erfahrung nach das mangelnde …
"Selbstvertrauen! Eigentlich trauen sich alle, die hier rein kommen, zu wenig zu. Und das liegt, meiner Meinung nach, daran, dass ihnen zu wenig selbstständige Arbeit in der Schule zugetraut wird, und vielleicht auch zu wenig Lehrer da sind, die es mit ihnen üben können. Ich weiß es nicht genau. Jedenfalls können die meisten viel mehr, als sie gedacht hätten."
So träumt auch Sümeja eigentlich von einer Ausbildung als Bürokauffrau, hat bislang aber noch keine einzige Bewerbung abgeschickt - weil sie eh keine Chance habe, so ihre Vermutung. Warum gerade Hauptschülern ein gesundes Selbstvertrauen fehle - Beate Maas, Geschäftsführerin des IKUBIZ, macht dafür unter anderem die frühe Selektion der Kinder nach der Grundschule verantwortlich:
"Dann heißt es: Die Guten kommen auf das Gymnasium, die Mittleren kommen in die Realschule und die Schlechten kommen in die Hauptschule. Und ich denke, das ist für Kinder ein großes Problem, insofern, als sie dann das Gefühl haben: Ich bin schlecht! Also speziell für die, die für die Hauptschule aussortiert werden. Und infolgedessen ist es auch schwierig, Motivation zu behalten. Das ist eine Erfahrung, die - denke ich- in der Hauptschule sehr stark gemacht wird. Und dann ist es natürlich schwierig, diese Kinder wieder zu gewinnen, zu lernen und offen zu sein für Unterricht, für Möglichkeiten, die die Hauptschule auf jeden Fall bietet."
Viele Angebote des Freien Trägers setzen deshalb schon sehr früh an, lange vor dem Schulabschluss, wie etwa bei dem heute 15-jährigen Orsan. Handfeste Auseinandersetzungen mit der Klassenlehrerin hatten bei ihm zu wochenlangem Schulausschluss geführt. Er war völlig demotiviert. Dann bot sich ihm eine Zweite Chance - so der Name eines weiteren Projekts von IKUBIZ. Orsan verließ die Klasse, holte in einer Kleingruppe verpassten Schulstoff nach, führte mit Pädagogen lange Gespräche.
"So wie an der Schule haben wir halt Sachen gelernt und wie wir uns verhalten sollen in der Schule. Und wenn wir Probleme haben, wie wir damit auskommen."
"Hat dir das was gebracht?"
"Ja schon! Ich konnte mich früher halt nicht beherrschen. Wenn meine Lehrerin zum Beispiel was gesagt hat, habe ich mich sofort aufgeregt. Aber jetzt weiß ich, wie ich damit umgehen kann!"
"Es liegt ja nicht immer nur an den Jugendlichen! Es gibt durchaus auch Fälle bei uns, wo man sehr viel auch mit den Eltern sprechen muss, wo da auch eine Ursache darin liegt, dass Kinder nicht so erfolgreich sind in der Schule, weil es auch nicht die entsprechende Unterstützung vom Elternhaus gibt","
… ergänzt Jürgen Schmidt, Pädagoge beim Interkulturellen Bildungszentrum. Für die 40 Mitarbeiter ist außerdem klar: Manchmal liegt es auch an den Schulen, die mit den Problemen schlichtweg überfordert sind.
Die Schülerschaft wird zunehmend heterogener. Kooperationspartner müssen mit ins Boot geholt werden, um Sprachdefizite und gravierende kulturelle Unterschiede auszugleichen. Möglichst individuelle Lösungen sind also gefragt, wie sie das IKUBIZ anbietet. So werden in der Mädchenwerkstatt etwa junge Migrantinnen bei ihrer Lebensplanung und beruflichen Orientierung begleitet, Problemschüler bekommen ehrenamtliche Mentoren zur Seite gestellt, ausländische Unternehmer lernen das notwenige Know-how, um Lehrlinge ausbilden zu dürfen.
Der 15-jährige Schüler Orsan jedenfalls hat dank IKUBIZ wieder Fuß gefasst, wird in einem halben Jahr seinen Hauptschulabschluss in der Tasche haben. Für die Zukunft ist er zuversichtlich:
""Ich denke schon. Ich will halt Ausbildung machen. Und nach der Ausbildung will ich bei einer Versicherungsfirma arbeiten."
"So! 35 Lehrstellenangebote: Fachverkäuferin für Lebensmittelhandwerk, Bäckerei, Drogist, Drogistin"
"Die suchen ja einen Haufen Drogisten!"
"Genau."
"Wir können ja mal gucken, was man da für einen Abschluss braucht!"
"Ja, soll ich mal draufklicken?"
Sümeja, Hauptschulabsolventin türkischer Abstammung, ist auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Gemeinsam mit Arnulf Quentin, Mitarbeiter des "Interkulturellen Bildungszentrums", studiert sie Ausschreibungen im Internet. Ein Angebot des sogenannten Serviceladens, der in einem Stadtviertel mit hoher Migrantendichte liegt und jeden Nachmittag geöffnet hat. Hier finden vor allem sozial benachteiligte Schüler Ansprechpartner, die ihnen etwa beim Bewerbungsschreiben helfen. Auch Sümeja hat damit große Probleme:
"Eigentlich schon. Beim Sätze formulieren und so. Wenn man eine Bewerbung schreibt, muss halt alles perfekt sein! Keine Grammatikfehler. Man muss auf Kommas, Punkt achten. Und deswegen brauche ich Hilfe. Ich hab ja auch in der Schule nicht so gut aufgepasst. Deswegen habe ich jetzt Schwierigkeiten."
Defizite, die hier fast jeder Schüler mitbringt, der den Serviceladen aufsucht, berichtet Arnulf Quentin. Doch wesentlich problematischer sei - seiner Erfahrung nach das mangelnde …
"Selbstvertrauen! Eigentlich trauen sich alle, die hier rein kommen, zu wenig zu. Und das liegt, meiner Meinung nach, daran, dass ihnen zu wenig selbstständige Arbeit in der Schule zugetraut wird, und vielleicht auch zu wenig Lehrer da sind, die es mit ihnen üben können. Ich weiß es nicht genau. Jedenfalls können die meisten viel mehr, als sie gedacht hätten."
So träumt auch Sümeja eigentlich von einer Ausbildung als Bürokauffrau, hat bislang aber noch keine einzige Bewerbung abgeschickt - weil sie eh keine Chance habe, so ihre Vermutung. Warum gerade Hauptschülern ein gesundes Selbstvertrauen fehle - Beate Maas, Geschäftsführerin des IKUBIZ, macht dafür unter anderem die frühe Selektion der Kinder nach der Grundschule verantwortlich:
"Dann heißt es: Die Guten kommen auf das Gymnasium, die Mittleren kommen in die Realschule und die Schlechten kommen in die Hauptschule. Und ich denke, das ist für Kinder ein großes Problem, insofern, als sie dann das Gefühl haben: Ich bin schlecht! Also speziell für die, die für die Hauptschule aussortiert werden. Und infolgedessen ist es auch schwierig, Motivation zu behalten. Das ist eine Erfahrung, die - denke ich- in der Hauptschule sehr stark gemacht wird. Und dann ist es natürlich schwierig, diese Kinder wieder zu gewinnen, zu lernen und offen zu sein für Unterricht, für Möglichkeiten, die die Hauptschule auf jeden Fall bietet."
Viele Angebote des Freien Trägers setzen deshalb schon sehr früh an, lange vor dem Schulabschluss, wie etwa bei dem heute 15-jährigen Orsan. Handfeste Auseinandersetzungen mit der Klassenlehrerin hatten bei ihm zu wochenlangem Schulausschluss geführt. Er war völlig demotiviert. Dann bot sich ihm eine Zweite Chance - so der Name eines weiteren Projekts von IKUBIZ. Orsan verließ die Klasse, holte in einer Kleingruppe verpassten Schulstoff nach, führte mit Pädagogen lange Gespräche.
"So wie an der Schule haben wir halt Sachen gelernt und wie wir uns verhalten sollen in der Schule. Und wenn wir Probleme haben, wie wir damit auskommen."
"Hat dir das was gebracht?"
"Ja schon! Ich konnte mich früher halt nicht beherrschen. Wenn meine Lehrerin zum Beispiel was gesagt hat, habe ich mich sofort aufgeregt. Aber jetzt weiß ich, wie ich damit umgehen kann!"
"Es liegt ja nicht immer nur an den Jugendlichen! Es gibt durchaus auch Fälle bei uns, wo man sehr viel auch mit den Eltern sprechen muss, wo da auch eine Ursache darin liegt, dass Kinder nicht so erfolgreich sind in der Schule, weil es auch nicht die entsprechende Unterstützung vom Elternhaus gibt","
… ergänzt Jürgen Schmidt, Pädagoge beim Interkulturellen Bildungszentrum. Für die 40 Mitarbeiter ist außerdem klar: Manchmal liegt es auch an den Schulen, die mit den Problemen schlichtweg überfordert sind.
Die Schülerschaft wird zunehmend heterogener. Kooperationspartner müssen mit ins Boot geholt werden, um Sprachdefizite und gravierende kulturelle Unterschiede auszugleichen. Möglichst individuelle Lösungen sind also gefragt, wie sie das IKUBIZ anbietet. So werden in der Mädchenwerkstatt etwa junge Migrantinnen bei ihrer Lebensplanung und beruflichen Orientierung begleitet, Problemschüler bekommen ehrenamtliche Mentoren zur Seite gestellt, ausländische Unternehmer lernen das notwenige Know-how, um Lehrlinge ausbilden zu dürfen.
Der 15-jährige Schüler Orsan jedenfalls hat dank IKUBIZ wieder Fuß gefasst, wird in einem halben Jahr seinen Hauptschulabschluss in der Tasche haben. Für die Zukunft ist er zuversichtlich:
""Ich denke schon. Ich will halt Ausbildung machen. Und nach der Ausbildung will ich bei einer Versicherungsfirma arbeiten."