Friedbert Meurer: Jetzt hat also die Regierung von Irland doch noch die EU um Hilfe, sprich Kredite und Bürgschaften gebeten. Die Verluste der irischen Banken hängen wie ein Mühlstein am Hals der irischen Steuerzahler. Viele Iren sind alles andere als begeistert darüber, dass ihr Land jetzt zum EU-Bittsteller wird. Es wird wohl zu Neuwahlen kommen. Umgekehrt sorgt der irische Antrag auch für Diskussionen im Europaparlament.
Die neue, eigentlich aber alte Finanz- und Euro-Krise dürfte heute wohl auch für Gesprächsstoff sorgen beim Arbeitgebertag in Berlin. Ich begrüße Dieter Hundt, er ist der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Guten Morgen, Herr Hundt!
Dieter Hundt: Guten Morgen, Herr Meurer!
Meurer: Bereitet der Fall Irland den deutschen Unternehmen Anlass zur Sorge?
Hundt: Die enorme Staatsverschuldung vieler EU-Länder bereitet natürlich beträchtliche Sorge für die gesamte deutsche Wirtschaft, und dazu gehört ganz aktuell jetzt auch die Situation in Irland.
Meurer: Was ist die Gefahr für die deutschen Unternehmen?
Hundt: Wir müssen Mittel und Wege finden, dass die enorme Staatsverschuldung vieler Länder deutlich zurückgeführt wird, müssen darüber hinaus auch Hilfe zur Selbsthilfe für betroffene Länder und jetzt aktuell wohl auch für Irland leisten, und müssen darüber hinaus aber auch den Stabilitäts- und Wachstumspakt schärfen, sodass sichergestellt wird, dass Maastricht-Kriterien in der Zukunft nicht mehr ohne Strafe verletzt werden können, wobei ich bis zum Stimmrechtsentzug als äußerstes Mittel denke.
Meurer: Halten Sie es für möglich, dass die Euro-Krise den Wirtschaftsaufschwung in Deutschland gefährden könnte?
Hundt: Ich denke so weit im Moment nicht, aber natürlich ist der erfreuliche wirtschaftliche Aufschwung unter anderem gefährdet durch diese Verschuldungssituation in vielen Ländern. Ich denke aber, dass wir Mittel und Wege finden werden, den Ländern Hilfe zu gewähren, zusätzlich zu gewaltigen eigenen Anstrengungen die Situation wieder in Ordnung zu bringen, sodass der Aufschwung auch im nächsten Jahr sicherlich gegenüber derzeit auf etwas reduziertem Niveau sich stabilisiert und fortgesetzt werden kann.
Meurer: Wenn Sie, Herr Hundt, wie die Bundeskanzlerin den Ländern, die Kredite brauchen, mit Stimmrechtsentzug drohen, ist das das Gegenteil von Hilfe?
Hundt: Ich halte strenge Sanktionsmaßnahmen für angemessen, sogar für notwendig und schließe auch einen Stimmrechtsentzug als äußerstes Mittel nicht aus. Darüber hinaus, denke ich, führt mittelfristig kein Weg daran vorbei, private Gläubiger bei solchen Staatsfinanzkrisen mit in Haftung zu nehmen, um die Last nicht allein den Steuerzahlern aufzubürden.
Meurer: Verschärft die letzte Forderung geradezu die Krise, weil jetzt keine privaten Gläubiger mehr, keine Banken mehr bereit sind, Irland oder Griechenland oder vielleicht auch Portugal Kredite zu geben?
Hundt: Wir müssen auch die privaten Gläubiger mit in die Verantwortung ziehen. Wir können nicht zulassen, dass die privaten Gläubiger aus der Situation profitieren, ohne anschließend für die Risiken mit aufzukommen.
Meurer: In den letzten Jahren hatte ja Irland ökonomisch geglänzt, vielleicht auch dadurch, dass Unternehmen aus dem Ausland durch die niedrige Unternehmenssteuer im Land angelockt wurden. Die lag nur bei 12 oder 13 Prozent. War und ist das unfairer Steuerwettbewerb?
Hundt: Irland hat in der Tat im Verlauf der letzten zehn und mehr Jahre eine ganz hervorragende wirtschaftliche Entwicklung genommen. Da haben natürlich Unterstützungen aus der EU mit eine Rolle gespielt und insgesamt war natürlich Irland für ausländische Investoren eben auch ein sehr, sehr attraktiver Standort. Umso mehr müssen jetzt die Konsequenzen gezogen werden und die Voraussetzungen im eigenen Land geschaffen werden, dass die enorme Staatsverschuldung schnell abgebaut wird. Ich denke, Griechenland ist dafür ein durchaus vorzeigbares Beispiel, und das muss für Irland und gegebenenfalls andere Länder im Übrigen bis hin zu Deutschland natürlich auch gelten.
Meurer: Wünschen Sie sich, dass Irland die Unternehmenssteuern anhebt?
Hundt: Ich denke, dass das eine Maßnahme ist, die Irland in Betracht ziehen wird und muss.
Meurer: Sie könnten jetzt auch sagen, die anderen sollen die Unternehmenssteuern senken?
Hundt: Die Verschuldung in vielen europäischen und insbesondere EU-Ländern ist so hoch, dass zunächst einmal Konsolidierung Priorität haben muss, und erst wenn die interne Finanzsituation in jedem Land – und ich wiederhole: Dazu gehört Deutschland genauso – wieder in Ordnung gebracht ist, dann kann daran gedacht werden, über Steuerreformen beziehungsweise Steuersenkungen eine zusätzliche Attraktivität eines Wirtschaftsstandortes zu erreichen.
Meurer: Auf dem Arbeitgebertag heute in Berlin, Herr Hundt, könnten dann vielleicht eine besondere Rolle spielen die Meldungen, die wir heute Morgen in den Zeitungen lesen können, nämlich Zahlen des Statistischen Bundesamtes weisen aus, dass die Kosten der Pflegeversicherung explodieren werden. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird sich in Zukunft vervielfachen. Wie groß ist die Gefahr, dass die Pflegeversicherung die Lohnnebenkosten entscheidend anheben wird?
Hundt: Wir haben grundsätzlich derzeit das Problem, dass der Aufschwung auf gar keinen Fall durch zusätzliche Kosten belastet werden darf, weder durch Steuern, noch durch Abgaben. Wir haben für die Pflegeversicherung vor zwei Jahren eine Reform verkraften müssen, die die Wirtschaft etwa zwei Milliarden Euro kostet, und ich beklage ganz nachdrücklich, dass die jetzt zu verabschiedende Gesundheitsreform durch Beitragserhöhungen die Wirtschaft erneut um eine Größenordnung von zwei Milliarden Euro pro Jahr belasten wird.
Meurer: Sie hat aber die Kosten für die Zukunft eingefroren!
Hundt: In Zukunft soll der Arbeitgeberbeitrag eingefroren werden. Er nimmt aber natürlich durch die Erhöhung auf 7,3 Prozent jetzt an allen Entgelterhöhungen in der Zukunft ebenfalls teil, und all dieses belastet unsere Arbeitskosten, erhöht unsere Arbeitskosten, verschlechtert damit unsere Situation im internationalen Wettbewerb. Es kommt im Übrigen dazu, dass durch eine schon lange gesetzlich festgelegte Erhöhung die Arbeitslosenversicherung im kommenden Jahr ebenfalls um zwei Zehntelprozente steigt. Das sind alles Verteuerungen für Wirtschaft und Arbeit und mit Sicherheit nicht dazu angetan, die wirtschaftliche Entwicklung zu stabilisieren und auf hohem Niveau zu halten.
Meurer: Und bei der Pflegeversicherung, Herr Hundt, sagen Sie da, auf keinen Fall Beitragsanhebung, muss alles über private Zusatzbeiträge abgeglichen werden?
Hundt: Ich sage ganz eindeutig, die Pflegeversicherung gehört durch eine zusätzliche kapitalgedeckte Säule ergänzt, sodass nicht zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge auf die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer zukommen. Die Koalition hat im Koalitionsvertrag im Übrigen zugesichert, mehr Netto für die Bruttoeinkommen unserer Beschäftigten und darüber hinaus keine Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge.
Meurer: Stehlen sich die Arbeitgeber aus der Verantwortung für die Pflegeversicherung?
Hundt: Wir werden heute sicherlich auch über die Sozialversicherungen insgesamt reden, ganz besonders auch über die Gesundheitsreform, und natürlich die Gefahr, dass in Kürze schon über die Pflegeversicherung zusätzliche Beitragslasten die Arbeitskosten verteuern.
Meurer: Dieter Hundt, Arbeitgeberpräsident, heute im Deutschlandfunk. In Berlin ist heute der Arbeitgebertag mit reichlich Gesprächsstoff. Herr Hundt, besten Dank und auf Wiederhören!
Hundt: Danke Ihnen! Auf Wiederhören.
Die neue, eigentlich aber alte Finanz- und Euro-Krise dürfte heute wohl auch für Gesprächsstoff sorgen beim Arbeitgebertag in Berlin. Ich begrüße Dieter Hundt, er ist der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Guten Morgen, Herr Hundt!
Dieter Hundt: Guten Morgen, Herr Meurer!
Meurer: Bereitet der Fall Irland den deutschen Unternehmen Anlass zur Sorge?
Hundt: Die enorme Staatsverschuldung vieler EU-Länder bereitet natürlich beträchtliche Sorge für die gesamte deutsche Wirtschaft, und dazu gehört ganz aktuell jetzt auch die Situation in Irland.
Meurer: Was ist die Gefahr für die deutschen Unternehmen?
Hundt: Wir müssen Mittel und Wege finden, dass die enorme Staatsverschuldung vieler Länder deutlich zurückgeführt wird, müssen darüber hinaus auch Hilfe zur Selbsthilfe für betroffene Länder und jetzt aktuell wohl auch für Irland leisten, und müssen darüber hinaus aber auch den Stabilitäts- und Wachstumspakt schärfen, sodass sichergestellt wird, dass Maastricht-Kriterien in der Zukunft nicht mehr ohne Strafe verletzt werden können, wobei ich bis zum Stimmrechtsentzug als äußerstes Mittel denke.
Meurer: Halten Sie es für möglich, dass die Euro-Krise den Wirtschaftsaufschwung in Deutschland gefährden könnte?
Hundt: Ich denke so weit im Moment nicht, aber natürlich ist der erfreuliche wirtschaftliche Aufschwung unter anderem gefährdet durch diese Verschuldungssituation in vielen Ländern. Ich denke aber, dass wir Mittel und Wege finden werden, den Ländern Hilfe zu gewähren, zusätzlich zu gewaltigen eigenen Anstrengungen die Situation wieder in Ordnung zu bringen, sodass der Aufschwung auch im nächsten Jahr sicherlich gegenüber derzeit auf etwas reduziertem Niveau sich stabilisiert und fortgesetzt werden kann.
Meurer: Wenn Sie, Herr Hundt, wie die Bundeskanzlerin den Ländern, die Kredite brauchen, mit Stimmrechtsentzug drohen, ist das das Gegenteil von Hilfe?
Hundt: Ich halte strenge Sanktionsmaßnahmen für angemessen, sogar für notwendig und schließe auch einen Stimmrechtsentzug als äußerstes Mittel nicht aus. Darüber hinaus, denke ich, führt mittelfristig kein Weg daran vorbei, private Gläubiger bei solchen Staatsfinanzkrisen mit in Haftung zu nehmen, um die Last nicht allein den Steuerzahlern aufzubürden.
Meurer: Verschärft die letzte Forderung geradezu die Krise, weil jetzt keine privaten Gläubiger mehr, keine Banken mehr bereit sind, Irland oder Griechenland oder vielleicht auch Portugal Kredite zu geben?
Hundt: Wir müssen auch die privaten Gläubiger mit in die Verantwortung ziehen. Wir können nicht zulassen, dass die privaten Gläubiger aus der Situation profitieren, ohne anschließend für die Risiken mit aufzukommen.
Meurer: In den letzten Jahren hatte ja Irland ökonomisch geglänzt, vielleicht auch dadurch, dass Unternehmen aus dem Ausland durch die niedrige Unternehmenssteuer im Land angelockt wurden. Die lag nur bei 12 oder 13 Prozent. War und ist das unfairer Steuerwettbewerb?
Hundt: Irland hat in der Tat im Verlauf der letzten zehn und mehr Jahre eine ganz hervorragende wirtschaftliche Entwicklung genommen. Da haben natürlich Unterstützungen aus der EU mit eine Rolle gespielt und insgesamt war natürlich Irland für ausländische Investoren eben auch ein sehr, sehr attraktiver Standort. Umso mehr müssen jetzt die Konsequenzen gezogen werden und die Voraussetzungen im eigenen Land geschaffen werden, dass die enorme Staatsverschuldung schnell abgebaut wird. Ich denke, Griechenland ist dafür ein durchaus vorzeigbares Beispiel, und das muss für Irland und gegebenenfalls andere Länder im Übrigen bis hin zu Deutschland natürlich auch gelten.
Meurer: Wünschen Sie sich, dass Irland die Unternehmenssteuern anhebt?
Hundt: Ich denke, dass das eine Maßnahme ist, die Irland in Betracht ziehen wird und muss.
Meurer: Sie könnten jetzt auch sagen, die anderen sollen die Unternehmenssteuern senken?
Hundt: Die Verschuldung in vielen europäischen und insbesondere EU-Ländern ist so hoch, dass zunächst einmal Konsolidierung Priorität haben muss, und erst wenn die interne Finanzsituation in jedem Land – und ich wiederhole: Dazu gehört Deutschland genauso – wieder in Ordnung gebracht ist, dann kann daran gedacht werden, über Steuerreformen beziehungsweise Steuersenkungen eine zusätzliche Attraktivität eines Wirtschaftsstandortes zu erreichen.
Meurer: Auf dem Arbeitgebertag heute in Berlin, Herr Hundt, könnten dann vielleicht eine besondere Rolle spielen die Meldungen, die wir heute Morgen in den Zeitungen lesen können, nämlich Zahlen des Statistischen Bundesamtes weisen aus, dass die Kosten der Pflegeversicherung explodieren werden. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird sich in Zukunft vervielfachen. Wie groß ist die Gefahr, dass die Pflegeversicherung die Lohnnebenkosten entscheidend anheben wird?
Hundt: Wir haben grundsätzlich derzeit das Problem, dass der Aufschwung auf gar keinen Fall durch zusätzliche Kosten belastet werden darf, weder durch Steuern, noch durch Abgaben. Wir haben für die Pflegeversicherung vor zwei Jahren eine Reform verkraften müssen, die die Wirtschaft etwa zwei Milliarden Euro kostet, und ich beklage ganz nachdrücklich, dass die jetzt zu verabschiedende Gesundheitsreform durch Beitragserhöhungen die Wirtschaft erneut um eine Größenordnung von zwei Milliarden Euro pro Jahr belasten wird.
Meurer: Sie hat aber die Kosten für die Zukunft eingefroren!
Hundt: In Zukunft soll der Arbeitgeberbeitrag eingefroren werden. Er nimmt aber natürlich durch die Erhöhung auf 7,3 Prozent jetzt an allen Entgelterhöhungen in der Zukunft ebenfalls teil, und all dieses belastet unsere Arbeitskosten, erhöht unsere Arbeitskosten, verschlechtert damit unsere Situation im internationalen Wettbewerb. Es kommt im Übrigen dazu, dass durch eine schon lange gesetzlich festgelegte Erhöhung die Arbeitslosenversicherung im kommenden Jahr ebenfalls um zwei Zehntelprozente steigt. Das sind alles Verteuerungen für Wirtschaft und Arbeit und mit Sicherheit nicht dazu angetan, die wirtschaftliche Entwicklung zu stabilisieren und auf hohem Niveau zu halten.
Meurer: Und bei der Pflegeversicherung, Herr Hundt, sagen Sie da, auf keinen Fall Beitragsanhebung, muss alles über private Zusatzbeiträge abgeglichen werden?
Hundt: Ich sage ganz eindeutig, die Pflegeversicherung gehört durch eine zusätzliche kapitalgedeckte Säule ergänzt, sodass nicht zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge auf die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer zukommen. Die Koalition hat im Koalitionsvertrag im Übrigen zugesichert, mehr Netto für die Bruttoeinkommen unserer Beschäftigten und darüber hinaus keine Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge.
Meurer: Stehlen sich die Arbeitgeber aus der Verantwortung für die Pflegeversicherung?
Hundt: Wir werden heute sicherlich auch über die Sozialversicherungen insgesamt reden, ganz besonders auch über die Gesundheitsreform, und natürlich die Gefahr, dass in Kürze schon über die Pflegeversicherung zusätzliche Beitragslasten die Arbeitskosten verteuern.
Meurer: Dieter Hundt, Arbeitgeberpräsident, heute im Deutschlandfunk. In Berlin ist heute der Arbeitgebertag mit reichlich Gesprächsstoff. Herr Hundt, besten Dank und auf Wiederhören!
Hundt: Danke Ihnen! Auf Wiederhören.