Freitag, 26. April 2024

Archiv

Dengue-Fieber und Co.
Steigende Krankheitszahlen in Delhi

Am 7. April ist Weltgesundheitstag. Ein Tag, der den Menschen im trockenheißen Delhi kaum bewusst sein dürfte. Früher haben sie den Monsun sehnsüchtig erwartet. Heute haben sie Angst. Denn mit dem Starkregen steigt auch die Zahl der Dengue-Fälle. Dabei gäbe es vonseiten der Behörden Mittel und Wege für schnelle Hilfe.

Von Jürgen Webermann | 07.04.2017
    Menschen wa
    In Indien steigt in Monsunzeiten die Zahl der Dengue-Fieber-Fälle dramatisch an. (AFP / PHOTO/STR)
    Die Schmerzen im Fuß sind immer noch da, auch nach sechs Monaten. Die Fieberkrankheit wirkt nach.
    "Ich hatte Chikungunya. Mein Fuß ist noch ganz geschwollen. Ich kann kaum aufstehen. Ich schlafe schlecht. Ich sitze die ganze Zeit nur rum",
    klagt Rahisen, eine junge Frau aus dem Slum Rangpuri Pahari in Süd-Delhi. Sie sitzt vor einem kleinen Laden. Kinder spielen fröhlich, eine Kuh trottet durch die Gasse, und Männer verkaufen Süßigkeiten. Aber nur wenige Meter entfernt türmt sich auf einem staubigen freien Gelände der Müll. In einer Senke steht das Wasser. Im Monsun, wenn es regnet, laufen auch die kleinen Abwasser-Rinnen voll und mit ihnen zum Beispiel achtlos weggeworfene Plastikbecher. Das sind Feiertage für Mücken, deren Larven hier einen idealen Nährboden finden.
    Rahisen ist nur ein Fall von sehr vielen in Rangpuri Pahari. Wie viele, das vermag niemand abzuschätzen. Aber jeder scheint hier Betroffene zu kennen. Yasmin, eine mittelalte Dame, hört aufmerksam zu.
    "Ich hatte auch Fieber. Hier gab es sehr viele Fälle von Dengue-Fieber. Dieser Ort ist so dreckig, die Stadtreinigung kommt nur sehr selten vorbei. Wir beschweren uns ständig, aber niemand hört auf uns. Sie kommen vielleicht alle zwei Wochen."
    Migration als Hauptursache für steigende Krankheitsfälle
    Eine Wissenschaftlerin hält zwei Glasröhrchen in die Höhe, darin schwimmen Larven der Asiatischen Tigermücke.
    Larven der Asiatischen Tigermücke können Gelbfieber (Dengue) übertragen (picture alliance / dpa / Ahmad Yusni)
    Seit einigen Jahren gehört vor allem die spätsommerliche Dengue-Epidemie zum Alltag in der indischen Hauptstadt. Ein paar Wochen, nachdem der erste Monsunregen gefallen ist, schießen die Fallzahlen in die Höhe. Mehr als 4.000 waren es im vergangenen Jahr – offiziell. Dazu kamen mehr als 8.000 Fälle von Chikungunya, einer nicht weniger schmerzhaften Fieberkrankheit, die durch die gleiche Mückenart übertragen wird.
    "Aber die Dunkelziffer ist viel höher. Ich schätze, auf jeden offiziellen Dengue- und Chikungunya-Fall kommen rund zehn weitere, nicht gemeldete Fälle",
    sagt Sushila Kataria, eine Internistin, sie arbeitet in einem der modernsten Kliniken in der Satellitenstadt Gurgaon vor den Toren Neu-Delhis. Eigentlich behandeln Sushila und ihre Kollegen die Patienten auf einem Stockwerk des Krankenhauses. Im vergangenen Spätsommer mussten sie ihre Abteilung wochenlang auf drei Stockwerke, unter anderem auf eine Station für Krebspatienten ausweiten, weil so viele Menschen Hilfe suchten.
    "Kein Zweifel: Die Krankheit ist auf dem Vormarsch. In den 90er-Jahren gingen wir davon aus, dass eine Epidemie hier alle drei Jahre auftritt. Aber jetzt kommt sie jedes Jahr. Die rasante Migration in die Stadt, ein völlig planloses Wachstum, das sind die Hauptgründe."
    Schnelleres Eingreifen gefordert
    2016 gab es sogar die ersten Malaria-Toten in Neu-Delhi seit vielen Jahren, die Rede ist von 17 Fällen. 30 Menschen starben an den Folgen von Dengue-Fieber. Auch in diesem Jahr registrierten die Behörden Krankheits-Fälle auf, zumeist Chikungunya. Seit einigen Wochen ist es wieder heiß in Delhi, und zwischendurch hatte es geregnet. Betroffen von den Epidemien sind nicht nur Slumbewohner, sondern auch Menschen in den reichen Vierteln. Dabei könnten die Behörden gegensteuern, sagt Sushila:
    "Wir brauchen ein schnelles Meldesystem. Es gibt Programme, in die wir die Fälle einspeisen könnten, dann wäre auf einer digitalen Karte der Stadt schnell klar, wo die meisten Fälle auftreten, und man könnte dort etwas unternehmen.
    Natürlich melden wir Dengue-Fälle. Aber die Regierung akzeptiert einen Fall erst nach einem Testverfahren auf Antikörper, das erst nach zehn Tagen Ergebnisse bringt. Bis dahin ist der Patient entweder wieder gesund oder tot."
    Im Monsun schickt die Stadtverwaltung Fahrzeuge zumindest durch wohlhabendere Viertel, die Insektizide versprühen. Anderswo spüren Inspektoren kleine Wasserlachen auf, in denen sich Larven entfalten könnten. Aber das Grundproblem, die vielen offenen Müllhalden zum Beispiel, bleibt.
    "Die Stadt wird erst aktiv, wenn die Epidemie ausgebrochen ist. Aber die Erfahrungen aus Ländern, die erfolgreich Dengue bekämpft haben, zeigen, dass wir das Ganze Jahr über auf der Hut sein müssen. Ein paar einfache Dinge: Wir alle müssen dafür sorgen, dass die Stadt regelmäßig gesäubert wird. Das fängt bei jedem an, denn wir lassen den Müll achtlos liegen."
    Kein Ausweg in Sicht
    Ein Mädchen sammelt Abfälle auf einem Müllberg vor Delhi.
    Müll und schmutziges Wasser sind ideale Brutstätten für Stechmücken, die unter anderem das Dengue-Fieber übertragen. (Deutschlandradio / Laura Salm-Reifferscheidt)
    Im Slum Rangpuri Pahari wissen sie um die Ursachen für die Epidemien. Aber Frauen wie Rahisen sind ratlos, wenn es darum geht, der riesigen Müllflut entgegenzuwirken.
    "Was sollen wir den tun? Wir halten unsere Häuser sauber. Wir beschweren uns. Niemand hört zu. Ich muss mich um meine Kinder kümmern und von morgens bis abends arbeiten."
    Wegen ihrer Kinder hat Rahisen auch Angst - vor dem nächsten Monsun, den sie im sonst trockenheißen Delhi eigentlich immer so fröhlich begrüßt haben.