Donnerstag, 18. April 2024

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Der Astronaut in der Popkultur
Vom Engel zum Opfer

Der Astronaut war ein Held der 60er-Jahre – auch in der Popkultur. Doch die Begeisterung hielt nicht lange. Es habe einen Wandel zum Verlierer gegeben, sagte der Kunsthistoriker Henry Keazor im Dlf. Manche Filmer hätten den Weltraumfahrer sogar direkt in die Apokalypse geschickt.

Henry Keazor im Corsogespräch mit Christoph Reimann | 11.07.2019
Der Astronaut Edwin E. Aldrin Jr. läuft über die Mondoberfläche und trägt zwei Taschen mit wissenschaftlichem Equipment bei sich.
Die Astronauten Neil Armstrong und Edwin E. Aldrin Jr. betraten im Juli 1969 den Mond (NASA)
Der Sammelband "We Are All Astronauts" wolle die Brüche und Verwerfungen zeigen, die sich im Astronauten spiegelten, so Henry Keazor im Deutschlandfunk. Der Kunsthistoriker ist der Herausgeber der Aufsatzsammlung.
Noch in den Bildern von Robert McCall hätten über den Köpfen der dargestellten Astronauten Heiligenscheine geschimmert. Die Nähe zu Engelsbildern komme nicht von ungefähr. Die Weltraumfahrer seien als Boten gesehen worden. Sie hätten Kunde gebracht von einer Welt, die anderen lebenslang verschlossen geblieben sei. "Diese Leute machen ja auch Himmelfahrten", sagte Keazor in Bezug auf Astronauten und Kosmonauten. Die Reise in höhere Sphären könne man daher sowohl physisch als auch metaphysisch verstehen.
Der Heilige wird zum Verlierer
Die Heldenerzählung sei allerdings bald einer Ernüchterung gewichen. "Die Weltraumfahrt wurde irgendwann mal alltäglich", so der Kunsthistoriker. Man könne in den 70er-Jahren einen Wandel vom Helden zum Verlierer feststellen. In Filmen jener Jahre werde oft mit dieser erzählerischen Ambivalenz gespielt. Anfangs seien Astronauten oft noch Heroen, fast Heilige. Dann würden sie mitunter in eine absolute Apokalypse geschickt, in deren Verlauf sie zu Opfern würden, die auf teils unheilige Weise ums Leben kämen.
Wir haben noch länger mit Henry Keazor gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
Das Pathos der frühen Jahre sei ironisiert worden, so Henry Keazor. Später sei es sogar ins Gegenteil überführt worden und zum dominierenden Narrativ gereift. Doch auch schon in den 60er-Jahren seien Astronauten durchaus als gebrochene Figuren gezeigt worden.
2013 habe der Astronaut Chris Hadfield "Space Oddity" von David Bowie musikalisch und im Video neu interpretiert, so Keazor. Dies sei ein Wendepunkt gewesen. Danach sei es wieder cool gewesen, Astronaut oder Astronautin zu sein. Zum Pathos und Ernst der Astronauten-Verehrung in den 60er-Jahren sei man aber bis heute nicht zurückgekehrt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Henry Keazor (Hrsg.): "We Are All Astronauts. The Image of the Space Traveler in Arts and Media"
Neofelis-Verlag Berlin, 2019. 250 Seiten, 26 Euro.