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Der Ausverkauf hat begonnen

Seit heute ist bekannt, welche Filialen der zahlungsunfähigen Drogeriemarktkette Schlecker geschlossen werden müssen. Und die betroffenen Geschäfte haben mit dem finalen Ausverkauf schon begonnen - die Rabattschilder kamen am Morgen mit der Post. Der Streit, ob es für Schlecker staatliche Überbrückungskredite geben soll, geht indes weiter.

Von Andreas Kolbe | 14.03.2012
    Elsdorf, eine Kleinstadt zwischen Aachen und Köln: Die Sparkasse, eine Apotheke und der Schlecker-Laden. Dort steht nun in großen Lettern: Räumungsverkauf. Samstag nächster Woche ist Schluss.

    "Ich kann nicht weit laufen. Und wir haben viele ältere Leute hier. Also uns wär's lieber, es blieb hier alles so, wie's war, es blieb offen. Ich könnte heulen ... "

    Gestern erst hatten die Mitarbeiterinnen von der Schließung erfahren. Heute schon waren die Plakate in der Post: 30 Prozent auf alles!

    Die Kollegin an der Kasse trägt es mit Fassung. Seit fast sechs Jahren arbeitet sie bei Schlecker, erzählt die junge Frau, die ihren Namen und ihre Stimme nicht im Radio hören will. Ihre Kündigung habe sie noch nicht bekommen. Dennoch habe sie wenig Hoffnung, ihren Job zu behalten. Viele der benachbarten Schlecker-Läden würden ebenfalls geschlossen.

    Mehr als 2000 Filialen bundesweit stehen auf der vorläufigen Streichliste des Insolvenzverwalters. Von den einst über 10.000 Schlecker-Läden werden die Pleite am Ende höchstens ein Drittel überleben.

    "Das ist die größte Unternehmenspleite eines Einzelkaufmanns in der Geschichte der Republik","

    ... sagt Nils Schmid, SPD-Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg.

    Im ARD-Fernsehen bekräftigte er seine Forderung an die Bundesregierung, sich an der Finanzierung einer Transfergesellschaft für die betroffenen Schlecker-Mitarbeiter zu beteiligen.

    ""Das können die Länder alleine in dieser gebotenen Schnelligkeit nicht stemmen. Der Bund hat die Mittel dazu. Er hat bei anderen Fällen - bei Opel, bei Maschinen- und Autofirmen - schnell gehandelt. Ich verstehe überhaupt nicht, warum die Arbeitsplätze von vielen Tausend Frauen weniger Wert seien sollen."

    Doch Berlin spielt den Ball abermals zurück nach Stuttgart. Die Landesregierung sei in der Pflicht. Einen Überbrückungskredit der staatseigenen KfW-Bank lehnt das Bundeswirtschaftsministerium ab.

    Etwa 70 Millionen Euro werden für die Auffanggesellschaft veranschlagt. Bis Ende des Monats muss die Finanzierung stehen, sonst droht 12.000 Schlecker-Beschäftigten die Entlassung.

    Wer bleibt und wer gehen muss regelt ein Sozialplan: Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten - danach wird ausgewählt. Dass eine Filiale geschlossen wird, muss also nicht unbedingt die Kündigung bedeuten, sagt Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz.

    "Es kann eben sein, dass eine Nachbarfiliale, die nicht geschlossen wird, dass dort eine sozial weniger schutzwürdige Arbeitnehmerin beschäftigt ist. Und dann ist es so, dass nicht diejenige Mitarbeiterin vom zu schließenden Geschäft, sondern dann bedauerlicherweise die andere Mitarbeiterin ihren Arbeitsplatz verliert."

    Wen es im Einzelnen treffen wird, ist noch Gegenstand der Verhandlungen. Eine erste Namensliste habe der Gesamtbetriebsrat heute erhalten, bestätigte die Gewerkschaft Ver.di. Die Prüfung werde mindestens bis zum Wochenende dauern. Und auch die Liste der zu schließenden Filialen wollen sich die Arbeitnehmervertreter noch einmal ganz genau anschauen.

    Noch ist das Ende also nicht besiegelt und doch sind schon die Schnäppchenjäger unterwegs. Ungewöhnlich viel Betrieb heute im Schlecker-Laden in Elsdorf ... Sonnencreme zum halben Preis - da der Sommer kann kommen!

    Eine Stammkundin schaut irritiert zu und verlässt kopfschüttelnd den Laden. Es wird wohl ihr letzter Einkauf bei Schlecker gewesen sein.

    "Müssen wir alle zu dm fahren. Schade drum!"