Freitag, 29. März 2024

Archiv


"Der Befangenheitsantrag wird keinen Erfolg haben"

Der Befangenheitsantrag der Verteidiger im NSU-Prozess sei zu erwarten gewesen, sagt die Strafrechtlerin Gabriele Kett-Straub von der Universität Erlangen. Mit den ungewöhnlichen Einlasskontrollen habe der Vorsitzende Richter Stärke beweisen wollen. Eine Befangenheit beweise das aber nicht.

Gabriele Kett-Straub im Gespräch mit Christine Heuer | 07.05.2013
    Christiane Kaess: Eine weitere Verzögerung beim Auftakt des spektakulären NSU-Prozesses gab es gestern: Die Verhandlung um die beispiellose Mordserie der Neonazi-Terrorgruppe ist schon am ersten Tag für eine Woche unterbrochen worden. Grund sind Befangenheitsanträge der Verteidigung. Als mutmaßliche Mittäterin hatte gestern erstmals Beate Zschäpe auf der Anklagebank Platz genommen. Wegen des Streits um die Presseplätze startete der Prozess ohnehin fast drei Wochen später als geplant, jetzt geht es erst am 14. Mai vor dem Münchner Oberlandesgericht weiter. Meine Kollegin Christine Heuer hat gestern Abend mit Gabriele Kett-Straub gesprochen. Sie ist Strafrechtlerin an der Universität Essen [Anm. der Redaktion: Frau Kett-Straub ist Dozentin an der Universität Erlangen]. Der erste Auftritt von Beate Zschäpe wurde mit Spannung erwartet – meine Kollegin hat Gabriele Kett-Straub zuerst gefragt: Welchen Eindruck hatten Sie von Beate Zschäpe?

    Gabriele Kett-Straub: Von ihr persönlich letztlich keinen Eindruck. Sie ist letztlich reingelaufen, hat sich kurz der Presse gezeigt, hat sich dann weggedreht, das ist alles ihr gutes Recht, und auch die Stellung des Befangenheitsantrags war eigentlich zu erwarten. Also letztlich alles erwartungsgemäß. Wenn jetzt rein interpretiert wird, sie hätte mal gelächelt oder überlegen geschaut, das halte ich für absurd, nur in so eine Miene jetzt irgendwelche Ideen rein zu interpretieren.

    Christine Heuer: Sie haben den Befangenheitsantrag gerade erwähnt, war der berechtigt in der Sache? Es ging ja darum, dass die Verteidiger – nur die Verteidiger – durchsucht werden auf Waffen.

    Kett-Straub: Der Befangenheitsantrag wird keinen Erfolg haben. Allerdings halte ich es auch vom Gericht ungeschickt. Das sind Pflichtverteidiger, die keinerlei Bezug zur rechten Szene haben – das ist völlig absurd, da zu vermuten, dass die Waffen reinbringen könnten. Ich denke, der Richter wollte einmal Stärke beweisen, seine Befangenheit beweist das allerdings nicht.

    Heuer: Im Ergebnis ist es jetzt so, dass der Prozess gleich wieder vertagt worden ist auf nächste Woche, das ist dann also schon mal der erste Fehler des Gerichts gewesen?

    Kett-Straub: Nein, die müssen jetzt natürlich auch Zeit haben, über den Befangenheitsantrag einfach abzustimmen. Der ist jetzt erst gestellt worden, und die brauchen jetzt eine Zeit, da wird von den Richtern ohne den Richter, der als befangen – also ohne den Vorsitzenden –, wird jetzt drüber entschieden, und die brauchen jetzt einfach ein paar Tage Zeit, um das auch gut begründet zu machen.

    Heuer: Sie haben gerade, Frau Kett-Straub, gesagt, das war ein bisschen ungeschickt, wie das Gericht da verfahren ist. Schon im Vorfeld war ja das Gericht und auch der Vorsitzende, Manfred Götzel, immer wieder in der Kritik. Trauen Sie ihm die Aufgabe zu?

    Kett-Straub: Man muss sagen, von ihm wird zu viel erwartet. Das ist wohl ein sehr strenger, aber wohl auch sachlich sehr fundierter, guter Richter, was die Strafprozessordnung anbelangt, der kennt seine Vorschriften. Was er nicht kann, ist dieses Spiel mit der Öffentlichkeit, aber für ein gutes Urteil im Sinne der Strafprozessordnung muss er das auch nicht können. Er hat jetzt erst mal die Aufgabe, ein Urteil revisionssicher zu machen, und ich denke, der Aufgabe ist er gewachsen.

    Heuer: Wie beurteilen Sie denn bislang die Verteidigung?

    Kett-Straub: Ja, so richtig viel hat man ja noch nicht von ihnen mitbekommen, das denke ich, die werden jetzt erst dann im Laufe der Zeit an Format und Farbe gewinnen, von der Strategie, dass sie einfach die Hauptangeklagte schweigen lassen werden – das halte ich für eine richtige Entscheidung. Was sie versuchen, ist Frau Zschäpe ein bisschen weg von der Idee einer Mittäterschaft zu bringen, sondern sie eher so als Gehilfin dastehen zu lassen, und das ist alles eine Strategie, die man im Sinne der Verteidigung als für richtig einstufen muss.

    Heuer: Glauben Sie, dass diese Strategie am Ende aufgehen wird?

    Kett-Straub: Nein, ich glaube es eigentlich nicht. Also die Idee ist ja jetzt, dass man sagt, die Frau Zschäpe hat mehr oder minder da den Kaffee gekocht und die eigentlichen Mörder nur unterstützt. Man muss ihr jetzt nachweisen, dass sie wirklich am Tatplan mitgearbeitet hat, dass die drei arbeitsteilig zusammengewirkt haben. Es ist verfrüht, da Vermutungen abzugeben, aber ich denke schon, dass die Generalbundesanwaltschaft da jetzt seriös hingearbeitet hat, und dass die Anklageschrift vermutlich Hand und Fuß hat. Letztlich ist das die Hauptaufgabe des Gerichtes, jetzt zu entscheiden, war die Frau Zschäpe Mittäterin oder war sie eben nur Gehilfin?

    Heuer: Die Erwartungen an den Prozess, Frau Kett-Straub, die sind ja sehr hoch. Die Menschen wollen Gerechtigkeit, Aufklärung, vielleicht wollen sie sogar, dass der Prozess dazu beiträgt, diese Morde aufzuarbeiten. Was kann das Gericht denn bestenfalls leisten?

    Kett-Straub: Also die Erwartungen an den Prozess sind völlig überfrachtet, das kann das Gericht auf keinen Fall leisten. Gerade die Angehörigen werden sehr enttäuscht sein. Es wird nicht um ihre Angehörigen gehen, es wird nicht um deren Vorleben gehen – und immerhin ist ja gerade das Ansehen der Angehörigen der Opfer vorher sehr in Misskredit gezogen worden. Das Gericht kann leisten, die Taten aufzuklären, es kann es eben nicht leisten, auch Versagen der Ermittlungsbehörden im Nachhinein wieder gutzumachen. Die Erwartungen sind zu groß, und das Gericht kann an diesen Erwartungen letztlich nur scheitern.

    Kaess: Sagt Gabriele Kett-Straub, Strafrechtlerin an der Universität Essen [Anm. der Redaktion: Frau Kett-Straub ist Dozentin an der Universität Erlangen], und sie hat das Gespräch mit meiner Kollegin Christine Heuer geführt.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.