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"Der Bund darf nicht etwas beschließen und dann Länder und Kommunen bezahlen lassen"

Der nordrhein-westfälische Familienminister Armin Laschet hat in der Diskussion um den Ausbau der Kinderbetreuung vor Entscheidungen gewarnt, die die Landeshaushalte zu stark

Moderation: Dirk Müller |
    belasten. "Der Bund darf nicht etwas beschließen, familienpolitisch, und dann Länder und Kommunen bezahlen lassen", sagte der CDU-Politiker.

    Dirk Müller: Es fahren zwei Züge mit vollem Tempo aufeinander zu, warnen die einen. Andere wiederum sprechen sogar von drei Zügen. Großer Streit in der Großen Koalition wie auch zwischen CDU und CSU um die Familienpolitik, konkreter um die Betreuung der Jüngsten. Es geht um rund 500.000 neue Krippenplätze. Wie soll das finanziert werden? Durch Verzicht auf ein höheres Kindergeld, durch Veränderungen beim Ehegatten-Splitting, das schlägt die SPD vor, oder durch eine Verteilung der Kosten auf Bund, Länder und Kommunen, das schlägt die Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen vor. Das ist wiederum aber auch in den eigenen Reihen sehr umstritten. Teile der Union befürchten, dass das alles zu Lasten derer geht, die sich entscheiden, zu Hause für ihre Kinder zu sorgen, eben nicht arbeiten zu gehen. Von "Gebärmaschinen-Politik" ist sogar die Rede. - Am Telefon bei uns ist nun der nordrhein-westfälische Familienminister Armin Laschet (CDU). Guten Morgen!

    Armin Laschet: Guten Morgen!

    Müller: Herr Laschet wussten Sie, dass Familienpolitik Ideologie ist?

    Laschet: Nein. Ich habe es immer mal vermutet, wenn man manche Debatten hört, dass bei einer so sehr persönlichen Sache wie der Familienpolitik auch jeder seine völlig eigenen Erfahrungen hat und dass es dann sehr leicht ideologisch werden kann. Aber man wundert sich schon, mit welchen Begriffen in den letzten Wochen da argumentiert wird. So reden wir bei fast keinem anderen Thema, egal ob das Steinkohle, Atomenergie oder was auch immer ist. Man redet sachlicher als über Kinder und Familien und das ist eigentlich das Bedauerliche an diesem Thema.

    Müller: Haben Sie denn damit gerechnet, dass es auch in der Union so heftig zugeht?

    Laschet: Nein, ich habe damit nicht gerechnet und die Fronten laufen auch völlig quer. Es gibt ja nicht in der Union nun irgendeine Position, die gegen die andere steht, sondern es gibt immer wieder mal Äußerungen, die dann das ganze wieder eskalieren lassen, auch innerhalb der SPD. Wenn man beispielsweise den Eindruck hat, in Bayern ist man da etwas konservativer, dann muss man auf die Realität gucken und sehen, in Bayern leistet man beispielsweise heute schon bei der Unter-Dreijährigen-Betreuung mehr als in anderen Bundesländern. Wir hier in Nordrhein-Westfalen, wo man dachte, hier hat lange die SPD regiert, waren Schlusslicht bei den Plätzen bei den Unter-Dreijährigen. Die Fronten laufen also quer durch die Parteien und ganz anders als die Realität eigentlich ist.

    Müller: Ist das für Sie ausgemachte Sache, dass eine neue, sagen wir eine veränderte Familienpolitik nicht zu Lasten der Familienpolitik gehen kann?

    Laschet: Ja, ich denke schon. Ich denke man muss dieses Wort der Wahlfreiheit, was in diesen Tagen sehr viel bemüht wird, auch mit praktischen Ergebnissen untermauern. Jedes Elternpaar muss für sich selbst entscheiden, wie sie Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf organisieren, ob man für bestimmte Zeiten Erziehungsarbeit zu Hause leistet, oder ob man Familie und Beruf in der Erwerbsarbeit miteinander kombiniert. Nur diese Wahlfreiheit gibt es nicht. Wenn wir in den meisten westlichen Bundesländern 3, 4, Prozent Betreuungsplätze haben, dann ist das eben keine Wahlfreiheit und darüber kann man eigentlich gar nicht streiten, dass man hier Wahlfreiheit herstellen muss.

    Müller: Warum wird dennoch gestritten mit der Argumentation, die eine Konzeption geht zu Lasten der anderen Konzeption, nämlich die Förderung der Krippenbereitstellung für die Jüngsten dann für diejenigen, die zu Hause bleiben?

    Laschet: Die Diskussion liegt glaube ich daran, dass natürlich öffentliche Haushalte immer nur eine bestimmte Menge Geld haben, das sie verteilen können. Wenn der Ausbau der Plätze für die unter Dreijährigen mehrere Milliarden Euro kostet, dann sagt man ja, das könnte man auch den Familien direkt geben, und dann beginnt einfach ein ganz normaler politischer Streit um die Verteilung von Haushaltsmitteln. Nur die Wahlfreiheit für Väter und Mütter, Erziehungsarbeit zu Hause zu leisten, die gibt es schon lange. Die haben wir in den 80er Jahren durchgesetzt, damals unter Heiner Geißler und Rita Süssmuth, als nämlich Erziehungsarbeit als Arbeit anerkannt wurde und auch in der Rentenversicherung anerkannt wurde. Das war ein Quantensprung, denn so etwas hat es in der Sozialversicherung vorher noch nie gegeben. Aber die Wahlfreiheit, Familie und Beruf miteinander zu verbinden, die ist noch nicht gesichert und deshalb muss die Priorität im Moment beim Ausbau für die unter Dreijährigen liegen.

    Müller: Hat der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus denn damit Recht, wenn er der Familienministerin, der Bundesfamilienministerin von der Leyen dann vorwirft, dass ihre Vorschläge in erster Linie eben auf diese Wahlfreiheit zwar abzielen, dass die Eltern sich entscheiden können, ob sie das Kind frühzeitig in die Betreuung schicken oder nicht, aber dies definitiv dann zu Lasten derer geht, die auf Arbeit verzichten?

    Laschet: Ich glaube nicht. Ich glaube nicht, dass das, was Frau von der Leyen vorschlägt, nämlich Plätze für unter Dreijährige auszubauen, die Wahlfreiheit derer mindert, die Familienarbeit, die Erziehungsarbeit leisten wollen. In den neuen Bundesländern mag da die Situation anders sein, weil die Betreuungsquote wesentlich höher ist als im Westen. Wir spüren an diesem Thema auch noch mal, dass dies erneut eine Ost-West-Diskussion ist. In der Tat ist die Situation in den westdeutschen Städten anders als in den neuen Bundesländern, die ja gar nicht mehr so neu sind, denn 17 Jahre nach der Wiedervereinigung passt dieses Wort vielleicht gar nicht mehr.

    Müller: Das ist also vor allen Dingen ein westdeutsches Problem?

    Laschet: Das ist wahr! Das ist ein westdeutsches Problem und es ist vor allem ein großstädtisches Problem. Deshalb muss man den unterschiedlichen Lebensrealitäten da auch Rechnung tragen.

    Müller: Wären die Länder denn aus Ihrer Sicht bereit, Geld dafür zu bezahlen, dass es besser wird?

    Laschet: Die Länder sind ja bereit zu bezahlen, dass es besser wird. Wenn Sie unser Land Nordrhein-Westfalen nehmen: wir verdoppeln vom Jahr 2007 auf das Jahr 2008 für uns die Plätze. Das ist eine enorme Summe Geld, die das kosten wird. Da können wir auch nicht auf einen Bund-Länder-Kommunen-Kompromiss im Jahre 2013 warten.

    Müller: Also zusätzlich geben Sie das Geld aus?

    Laschet: Ja, das muss heute geschehen und das muss aus den öffentlichen Haushalten passieren. Wir sind auch bereit, mit der Bundesfamilienministerin in Gespräche einzutreten, wie denn Bund, Länder und Kommunen das gemeinsam schultern können. Nur der Bund darf nicht, wie das in der Vergangenheit sehr oft passiert ist, etwas familienpolitisch beschließen und dann Länder und Kommunen bezahlen lassen. Auch diese Diskussion ist natürlich sehr geprägt von den Erfahrungen der letzten Jahre.

    Müller: Haben Sie denn, Herr Laschet, inzwischen herausfinden können, was die Bundeskanzlerin will?

    Laschet: Ich glaube das hat sie eindeutig gesagt, was sie will. Ich glaube sie hat eindeutig erklärt, dass sie hier die Bundesfamilienministerin unterstützt, dass die Position der Union, wo sie ja auch als Parteivorsitzende Position bezogen hat, eindeutig darauf liegt, dass wir mehr Plätze für unter Dreijährige brauchen. Ich glaube aber sie hat auch klar gemacht: wir dürfen nicht in der Rhetorik so tun, als wenn Krippenplätze nun das allein Seligmachende wären, dass das die bessere Art von Erziehung ist, sondern jeder muss das für sich selbst entscheiden. Ich glaube das ist auch das Allerwichtigste. Wir leben im 21. Jahrhundert und da wissen Eltern selbst eigentlich am besten, wie sie für sich Kindererziehung, Beruf und Familie miteinander vereinbaren.

    Müller: Der nordrhein-westfälische Familienminister Armin Laschet (CDU) war das. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Laschet: Auf Wiederhören!