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Der Dalí des 21. Jahrhunderts?

Erst spät haben die Museen die Werke von Alex Katz entdeckt. In den USA galt er lange als Maler, den nur Kollegen schätzen. Und in Europa hielt man ihn für oberflächlich. Das hat sich geändert. Die Alex-Katz-Ausstellung in der kestnergesellschaft Hannover ist eine von vielen in den vergangenen Jahren.

Christiane Vielhaber im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske | 27.11.2011
    Doris Schäfer-Noske: Er habe großformatige Bilder gemalt, um seine Konkurrenten de Kooning und Kline mit ihren eigenen Mitteln von den Wänden zu hauen, erzählt Alex Katz. Manche seiner schablonenhaften Porträts und Naturstudien erinnern an Werbung, und so verwundert es nicht, dass sich Alex Katz seinen Lebensunterhalt früher einmal als Werbegrafiker verdiente. Erst spät haben die Museen die Werke des heute 84-Jährigen entdeckt. In den USA galt er lange als Maler, den nur Kollegen schätzen. Und in Europa hielt man ihn für oberflächlich. Das hat sich aber spätestens mit der Jahrtausendwende geändert, und so ist die Alex-Katz-Ausstellung in der kestnergesellschaft Hannover eine von vielen in den vergangenen Jahren. - Frage an meine Kollegin Christiane Vielhaber: Frau Vielhaber, wie kommt es denn, dass Alex Katz zurzeit so beliebt ist?

    Christiane Vielhaber: Das kann ich mir auch nicht erklären. Ich halte ihn persönlich immer noch für oberflächlich, und Sie kennen meine Begeisterungsfähigkeit. Und als ich ihn persönlich kennenlernte – vor, ich glaube, 2003 oder so war das in Bonn, als er in der Bundeskunsthalle die große Ausstellung hatte -, da habe ich gedacht, du siehst genauso aus wie deine Bilder sind: ein Kaschmirpullover, ganz allèrte, ganz schlank, wunderschöne strahlende Zähne, Tod’s-Schuhe, und er lief da so wie so ein Ballett-Meister herum und ebenso gesichtslos und so geschichtslos wie die Figuren auf seinen Bildern. Und dann habe ich gedacht, das stimmt, das passt. Und in dieser Ausstellung waren auch einige Bilder, wo jetzt nicht, ich sage mal, diese ganzen Juppies, die sich auf Vernissagen treffen, oder "Double Income, No Kids", also die Doppelverdiener ohne Kinder, diese ganze Selbstverständlichkeit der New Yorker Schickeria war, wo er dann in die Nacht geht, wo er Architekturen gemalt hat, wo er ein paar Bäume gemalt hat. Da habe ich gedacht, da ist ja doch was von Malerei, also Malerei, die irgendwo ein bisschen in die Tiefe geht – nie irgendwas Pastoses, oder nie, wo sie irgendwie denken, das ist eine großartige Komposition.

    Und das hat eigentlich funktioniert mit diesen Bildern, weil sich fast jeder dieser Menschen damit identifizieren konnte, und das sind ja dann auch die entsprechenden Galerien, wo das gezeigt wird. Und jetzt in Hannover habe ich gedacht, da ging es um zwei besondere Themen. Im Vordergrund stehen die nackten Schönen, und dann habe ich gedacht, jemand, der eigentlich nur an der Oberfläche bleibt, der also etwa von Rubens eine Ahnung hat, wie man einen Körper aufbaut oder so, wie geht der mit Nacktheit um, was fast nie gezeigt wurde. Und da muss ich sagen, es waren für mich alles Barbies. Es waren Ausschneidepuppen, wo sie das Gefühl haben – und das hat auch Katz mal gemacht; er hat Collagen gemacht und Formen ausgeschnitten -, dass er immer ein bisschen zu viel weggeschnitten hat: da fehlt ein Stück vom Arm, da fehlt ein Stück vom Bein und alle gucken sie seitlich aus dem Bild und nach da und nach da. Da ist eigentlich diese Fleischlichkeit oder diese Präsenz vom Körper gar nicht da.

    Schäfer-Noske: Also es ist diesmal nicht seine Frau, die er gemalt hat?

    Vielhaber: Ava findet nicht statt.

    Schäfer-Noske: Das ist ja wohl die meist gemalte Frau in seinem Leben. – Den Akten werden Stadtansichten gegenübergestellt. Welches Konzept steckt da dahinter?

    Vielhaber: Ja und da muss ich sagen, da ist er besser. Wenn man sagen kann, ich als Betrachter jetzt, dass er die Architektur viel mehr als einen Körper darstellt als den weiblichen Körper – diese Architekturen, die leben -, dann haben sie zum Beispiel das, was er kann. Das sieht so aus wie so ein Parkhaus, und dann sind nur zwei Fenster beleuchtet. Dann gucken sie da rein, das hat auch was Filmisches, da passiert irgendwas - im Gegensatz zu seinen Akten, die vor einem ganz flachen weißen Hintergrund sind. Da gibt es keinen Raum, in dem die sich bewegen, und die Architekturen schaffen wenigstens Raum auf der Leinwand.

    Schäfer-Noske: Katz wurde ja mit Andy Warhole verglichen, auch mit René Magritte, mit Edward Hopper. Welcher Vergleich stimmt?

    Vielhaber: Also wenn Sie das so sagen, in dieser Reihenfolge, dann geht am ehesten Edward Hopper, was die Landschaften betrifft, denn alles andere stimmt überhaupt nicht. Er hat weder mit Pop Art etwas zu tun, noch, wie manche Leute oder Exegeten vermuten, mit Minimalismus, weil diese Figuren so irgendwie beschnitten sind und in Räumen, die keine Räume sind. Also bei der Architektur, da ist irgendwas von diesem Lebensgefühl, von diesem einsam sein und Abend und Amerika. Das klappt.

    Schäfer-Noske: Christiane Vielhaber war das über eine Ausstellung zu Alex Katz in der kestnergesellschaft Hannover.