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Der Drei-Punkte-Plan für Griechenland

"Eine klare, eine konkrete Privatisierung, daneben die Beteiligung privater Gläubiger und das dritte ist eben der Parlamentsvorbehalt" - Philipp Rösler bringt die koalitionsübergreifende Griechenland-Strategie auf den Punkt. Doch IWF und EZB werden noch ein Wörtchen mitreden wollen.

    Christoph Heinemann: Auf hochhackigen Stöckelschuhen herumzustaksen, ist auf dem Laufsteg so riskant wie die maßlose Schuldenpolitik auf dem Börsenparkett, dem echten wie dem virtuellen. Wenn das dünne Fundament umknickt, gerät die Statik ins Wanken und die Schwerkraft besorgt den Rest, zu beobachten gerade in Griechenland. Die Regierung kann sich nur noch zu albtraumhaften Zinsen auf dem freien Markt Geld leihen, deshalb muss der ersten bald eine zweite europäische Finanzspritze folgen. Über deren Bedingungen haben die Abgeordneten der Regierungsparteien CDU und FDP in dieser Woche gerungen, gestern Abend billigten Union und FDP einen Entschließungsantrag, über den heute nach der Regierungserklärung des Bundesfinanzministers abgestimmt werden soll. Wolfgang Schäuble plant eine weiche Umschuldung, möchte zum Beispiel die Banken mit ins Boot holen, indem die etwa die Laufzeiten bestehender Anleihen verlängern – da wird schnell aus fünf Jahren mal sieben Jahre. Zeit ist Geld und Zeit ist knapp, noch in diesem Monat benötigt Athen Hilfe, und das wissen auch die Abgeordneten.
    Mitgehört hat Philipp Rösler, der Bundeswirtschaftsminister und FDP-Bundesvorsitzende. Guten Morgen!

    Philipp Rösler: Guten Morgen, Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr Rösler, zunächst Griechenland. Wie haben Sie es geschafft, die 14 Abgeordneten, die noch zu Beginn dieser Woche doch erhebliche Bauchschmerzen hatten, auf Linie zu bringen, oder war das Wolfgang Schäubles Verdienst?

    Rösler: Es waren nicht 14 Abgeordnete in der FDP-Fraktion, sondern es gab einige Kolleginnen und Kollegen, die hatten erhebliche Zweifel, ob es gelingen kann, dass Wolfgang Schäuble und Angela Merkel auch im Sinne der Deutschen dort verhandeln. Aber wir haben gemeinsam einen Antrag auf den Weg gebracht, der klar vorgibt vonseiten des Parlamentes, was am Ende die Regierung möglichst verhandeln soll. Da geht es eben um die Stabilität des Euros und es ist selbstverständlich, gerade der FDP ist der Euro wichtig. Die Stabilität des Geldes brauchen wir, gerade in der Wirtschaftspolitik, Deutschland lebt von einem starken Euro, und deswegen ist es wichtig, dass man sich darüber Gedanken macht, darüber diskutiert. Aber klar ist auch: Die FDP steht, auf die FDP ist Verlass, von den 93 Abgeordneten werden 91 mit Ja stimmen, ein Kollege wird sich enthalten und ein Kollege wird nicht mitstimmen können, also sehr stabile Wahlverhältnisse.

    Heinemann: Und da die Fraktionen dieser Regierung misstrauen, haben sie festgeschrieben, auch in diesem Entschließungsantrag, dass der Bundestag das letzte Wort jeweils haben soll?

    Rösler: Das ist nicht eine Frage des Misstrauens, sondern das ist eine Frage auch der parlamentarischen Demokratie. Es geht hier um Geld und Sie haben selber gesagt, es geht um sehr viel Geld, und das Parlamentsrecht, das höchste Parlamentsrecht ist eben das Budgetrecht, also das Haushaltsrecht, und deswegen ist es uns wichtig gewesen, dass man immer darauf achtet, wenn wir ums deutsche Geld reden, dass dann eben der Souverän, an dieser Stelle das Parlament, selbstverständlich das letzte Wort hat. Das sage ich übrigens ausdrücklich als Nichtmitglied des Deutschen Bundestages. Das ist der FDP wichtig, das gehört zum guten Ton, zur parlamentarischen Demokratie mit dazu.

    Heinemann: Wir haben es gerade von Sabine Adler gehört: Die Banken verkaufen gerade Anleihen. Wie passt das zur Einbeziehung der Banken?

    Rösler: Es geht ja darum, dass die privaten Gläubiger, die eben Anleihen halten, dass die daran eben beteiligt werden, und dafür muss man jetzt Mechanismen finden, wie gelingt es, dass die eben genauso die Verantwortung tragen wie die öffentliche Hand, und das wird jetzt in den Verhandlungen am 20. Juni und 24. Juni dann zu klären sein. Wichtig war, dass man überhaupt erst den Versuch macht, denn Herr Schäuble und viele andere wollten zunächst einmal gar keine Beteiligung und es war der FDP wichtig, dass man sich eben genau dafür einsetzt. Es kann nicht sein, dass nur die öffentliche Hand, also nur der Steuerzahler haftet. Wenn, dann müssen irgendwie alle mit ins Boot.

    Heinemann: Und genau das bewerten Fachleute kritisch. Wir hören Rolf Schneider, den Leiter von Makro Research der Allianz.

    O-Ton Rolf Schneider: Dass man griechische Anleihen jetzt tauscht in Anleihen mit längerer Laufzeit, das wäre aber meines Erachtens ein relativ problematischer Schritt, denn es stünde zu befürchten, dass die Rating-Agenturen diese Art der Umschuldung, diese Art der Laufzeitverlängerung als Staatsbankrott interpretieren würden, und wir wissen, dass die EZB insgesamt Staatsanleihen infolge der Staatsschuldenkrise in einer Größenordnung von 75 Milliarden Euro gekauft hat. Davon werden geschätzt, dass rund 45 Milliarden griechische Anleihen sind, das ist natürlich keine geringe Summe.

    Heinemann: Also: Falsche Signale an die Märkte und die Europäische Zentralbank ist kein unabhängiger Akteur mehr in diesem Spiel, sondern zittert genauso um die wertlosen griechischen Papiere wie die Banken. Vertrauensfördernd, Herr Rösler, klingt das nicht.

    Rösler: Zunächst mal ist es jetzt eine Sache der Verhandlungen, wie man die privaten Gläubiger beteiligt. Es ging um die Forderung, dass man überhaupt daran denkt, dass man dafür kämpft. Ich glaube, das wird auch gelingen, dafür ist der Antrag sehr gut formuliert. Und dann wird man eben das Ergebnis sich ansehen müssen, was bedeutet das dann konkret und welche Auswirkungen haben solche Entscheidungen dann. Das kann man nicht vorab, das kann man schon gar nicht am Telefon. Entscheidend ist, dass man eben diese drei Dinge beachtet, die uns wichtig sind, nämlich einmal eine klare, eine konkrete Privatisierung, daneben die Beteiligung privater Gläubiger und das dritte ist eben der Parlamentsvorbehalt. Das sind wesentliche Bausteine, um sich für die Stabilität des Euros auch in Zukunft vernünftig einsetzen zu können.

    Heinemann: Und das vierte ist, dass die europäischen Partner, dass die Europäische Zentralbank, dass der Internationale Währungsfonds genau das ablehnen. Wer garantiert denn, dass sich Wolfgang Schäuble am Ende durchsetzen wird?

    Rösler: Zunächst mal muss man jetzt genau abwarten, was die Europäische Zentralbank, die Kommission und auch der Internationale Währungsfonds, was die gemeinsam machen. Auch hier haben wir gefordert, ...

    Heinemann: Entschuldigung! IWF und EZB haben sich geäußert, haben gesagt, das ist Käse!

    Rösler: ... , dass alle drei sich jetzt zusammensetzen und ganz klar auch weiterhin den Verlauf in Griechenland beurteilen. Das können wir beide nicht am Telefon machen, sondern das ist Sache am Ende natürlich der Fachleute, eben der EZB, des IWFs und auch der Kommission.

    Heinemann: Können Sie garantieren, dass auf der Grundlage der schäuble'schen Vorstellungen am Schluss eine Lösung entstehen wird?

    Rösler: Es geht hier nicht um die schäuble'schen Vorstellungen, sondern das Parlament, CDU/CSU und FDP werden heute nach der Regierungserklärung einen Entschließungsantrag verabschieden, jedenfalls hat die FDP dafür eine breite Mehrheit, und das ist erst mal der Verhandlungsauftrag an die Bundesregierung seitens des Parlamentes mit solchen Forderungen, dann mit den anderen Partnern genau das auszudiskutieren.

    Heinemann: Herr Rösler, wie zerschnitten ist das Tischtuch zwischen Ihnen und dem Bundesfinanzminister?

    Rösler: Das ist überhaupt nicht zerschnitten. Ich habe ja den Vorbericht gehört, fand das ganz amüsant, möchte aber darauf hinweisen, dass gerade in der Energiepolitik wir nicht darauf gedrungen haben, dass bis zum Schluss alle Kraftwerke laufen, ganz im Gegenteil. Es ging nur darum, dass die Reststrommengen vernünftig verbraucht werden können. Aber da sind wir auf gutem Wege, das hat die Debatte gestern, glaube ich, deutlich gezeigt. Und Herr Schäuble und ich – der werte Kollege ist Finanzminister, ich bin Wirtschaftsminister -, wir arbeiten gut zusammen. Das ist fachlich auch geboten, gerade in solch schwierigen Fragen wie dem Euro, denn mir als Wirtschaftsminister ist klar, gerade die Exportnation Deutschland, die 60 Prozent ihrer Exporte im innereuropäischen Raum hat, die braucht einen starken, einen stabilen Euro.

    Heinemann: Aber weniger amüsiert waren Sie vermutlich, als Sie in der Bildzeitung über ein vertrauliches Gespräch mit Wolfgang Schäuble nachlesen konnten, in dem der Finanzminister Ihre Steuervereinfachungspläne einfach vom Tisch gefegt hat?

    Rösler: Er hat sie ja nicht einfach vom Tisch gefegt, sondern es ist in der Tat richtig, dass es nicht üblich ist, aus vertraulichen Abendessen zu berichten.

    Heinemann: Hat er aber!

    Rösler: Aber er hat ausdrücklich in diesem Abendessen auch darum gebeten, dass ihn jemand unterstützt bei der Frage Haushaltskonsolidierung, denn zunächst einmal geht es um die Stabilität der Haushalte - das gilt nicht nur für andere Staaten, das gilt auch für Deutschland -, und da muss man natürlich auf die Haushaltsdisziplin achten, übrigens auch alle anderen Kollegen, denn wenn wenig Geld da ist, dann darf eben kein Ressortkollege zusätzliches Geld ausgeben. Da muss man natürlich darauf achten, und wenn er mich da um Hilfe bittet, dann ist es doch selbstverständlich, ich sage selbstverständlich, im Sinne auch der Stabilität hier in Deutschland werde ich dafür mitsorgen, auch als Vorsitzender des Koalitionspartners.

    Heinemann: Nur weniger selbstverständlich ist es eben, dass man aus vertraulichen Gesprächen zitiert. – Herr Rösler, nehmen wir mal die weiteren Baustellen: Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze oder Sicherungsverwahrung. Über welche Kaltreserve an Gemeinsamkeiten verfügt Schwarz-Gelb eigentlich noch?

    Rösler: Also wir haben große Gemeinsamkeiten, wir haben auch große Projekte ja gemeinsam schon angestoßen, ich will nur die Aussetzung der Wehrpflicht hier mal andeuten, nicht dass das untergeht, und selbstverständlich muss man jetzt sehen, was man in den einzelnen Feldern gemeinsam noch für offene Fragen hat. Die muss man ausdiskutieren und dann muss man zu Entscheidungen kommen. Das wollen die Menschen, sie haben eine Regierung gewählt, die führt, die bereit ist zu entscheiden, und genau das werden wir auch tun.

    Heinemann: Wolfgang Schäuble wird jetzt schon als Clint Eastwood gefeiert, als jemand, der anderen sagt, wo es langgeht. Wie groß ist die Gefahr, dass Sie als James Dean enden, gut aussehend, aber letztendlich gescheitert?

    Rösler: Für das gut aussehen bedanke ich mich, gerade weil wir eine Radiosendung sind.

    Heinemann: Bitte schön!

    Rösler: Ich will aber darauf hinweisen: Wenn er gut verhandeln kann, dann kann man ja umso sicherer sein, dass es gelingt, die Forderungen, die das Parlament heute voraussichtlich beschließen wird, dann auch auf europäischer Ebene umzusetzen. Insofern müssen wir uns gemeinsam keine Gedanken um den Euro machen.

    Heinemann: Und das Zweite, das Scheitern?

    Rösler: Ich bin nicht in das Scheitern, sondern in das Gelingen verliebt, und deswegen bin ich in der Politik und dafür kämpfe ich jeden Tag natürlich. Das ist Aufgabe von Politik, immer optimistisch zu sein, das heißt, nicht alles schön zu reden, sondern selbst in schwierigen Lagen immer nach den besten Lösungswegen zu suchen. Dafür sind wir gewählt, als Regierung insgesamt, und das werden wir auch schaffen.

    Heinemann: Philipp Rösler, Bundeswirtschaftsminister und FDP-Bundesvorsitzender. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Rösler: Ich danke Ihnen auch!

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