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''Der dritte Polizist''

The hell goes round and round, die Hölle dreht sich und dreht sich. Sie ist unser ständiger Begleiter, unsichtbar und lauernd. Sie wohnt zum Beispiel in einem alten, schwarzgekleideten Mann und seiner Geldkassette inmitten von aufgestapelten Frachtkisten. Warum ihn also nicht einfach umbringen, um an das Geld zu kommen, denn schließlich studiert man, angestrengt. Die Thesen eines gewissen De Selby, die die Ansicht vertreten, dass in jeder Bewegung Täuschung steckt und die Erde eine Wurst ist.

    Zumindest was die Täuschung angeht, ist man bei Flann O´Brien genau richtig, dem Meister der versteckten Anspielungen und Fabulierfreude, die in seinem "Dritten Polizisten” auf eine übermütig, tollkühne Weise auf die Spitze getrieben wird.

    Nicht nur der alte, schwarzgekleidete Mann ist nun in der Hölle, sondern auch sein Mörder. Den Namen hat ihm der Tod abgenommen, also stolpert er mit dem Alten im Schlepptau durch eine absurden Regeln gehorchende Welt. Der Zuschauer lernt, dass jeder Mensch mit der Geburt die Farbe eines Windes annahm. Wer blau abbekommen hat, kann sich glücklich schätzen, er ist natürlich, die anderen sind Räuber wie Martin O´Corki oder rational denkende Polizisten wie Wachtmeister McCruiskeen. Für ihn ist das Fahrrad der einzig relevante Ausdruck von Gemeinschaft: "Ein Mensch, der lang genug auf einem Fahrrad gesessen hat, wird selbst ein wenig Fahrrad”. Das sind dann die Fahrräder mit hohem Humanitätsanteil.

    Um einen Autor wie Flann O´Brien mit seinem "Dritten Polizisten” auf die Bühne zu bringen bedarf es angesichts der rudimentären Handlung und dem schwierigen Thema der Entpersonalisierung durch den Verlust des Namens, eines gesunden Selbstbewusstseins. Nicht umsonst wird erst jetzt dem Bayrischen Staatsschauspiel im Theater im Haus der Kunst die Ehre zuteil, sein Werk gut 35 Jahre nach Erscheinen erstmals in einer Bühnenfassung zu zeigen. Denn erst zum Schluss wird klar, dass die Hauptfigur, der Mörder und Gauner, die ganze Zeit hindurch tot ist, und all die komischen und schrecklichen Sachen in einer Art Hölle passieren. Komisch ist das wenn überhaupt, oft nur auf eine sehr ironische Art und Weise. Zum Glück verfügt Intendant Dieter Dorn noch immer über einige der besten Schauspieler Deutschlands, die allen voran Richard Beek und Alfred Kleinheinz, einen Flann O´Brien genussvoll in dem zur Bühne umfunktionierten Gemäldesaal im Münchner Haus der Kunst aufführen.

    Selbst die Geschichte hinter dieser Uraufführung scheint von Flann O´Brien persönlich zu stammen: Die beiden Theatermusiker Christopher Blenkinsop und Carsten Dane, die den ganzen Abend gestalten, überraschten den Chefdramaturgen mit ihrem Konzept, als dieser wie zufällig "Der Dritte Polizist” las. So ist Dieter Dorns Residenztheater zu Flann O´Brien gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Selbst kurz vor der Uraufführung gab es Turbulenzen, nachdem der Hauptdarsteller seine Rolle hingeschmissen hatte und in kürzester Zeit ein Ersatz gefunden werden musste. Flann O´Briens ungeliebtes Kind "Der dritte Polizist” erblickte also zwei Tage später das Licht der Bühne.

    Die Initiatoren des Abends Blenkinsop und Dane sind in München bereits mit einigen ungewöhnlichen Projekten aufgefallen: Ein Kästner-Hörspiel gehört dazu, ebenso eine ziemlich abstruse Golem-Collage. Als Mitbegründer der Berliner Band "17 Hippies” interessiert sie vor allem die Musik bei Flann O´Brien. Doch man muss den Roman schon sehr genau lesen, um sich vorzustellen, wo die beiden Regisseure Melodien gehört haben könnten. Wenn man denn von Melodie sprechen kann

    Neben den ein wenig deplaziert anmutenden Schlagereinlagen der Schauspieler, die singend über die Theorien des seltsamen De Selby sinnieren, ist es das langsame Entstehen einer Musikmaschine auf der Bühne, die die Alibi-Handlung in den Hintergrund drängt. Jeder zeitgenössische Komponist hätte seine helle Freude an den aberwitzigen Konstruktionen, die da nach und nach auf die Bühne geschoben werden: Ein Tisch als Blasebalg, Fahrräder als Glockenspieler, riesige Orgelpfeifen auf roh zusammengezimmerten Holzbalken und eine ellenlange, musikalische Kugelbahn. Schien der Anfang des Abends recht schwerfällig seinen Rhythmus zu finden, bewiesen spätestens diese "Lärmmaschinen”, dass "Der dritte Polizist” sehr wohl zu einem Theaterstück taugt.

    An dem Klamauk, den die beiden Regisseure und Musiker Blenkinsop und Cane letztlich doch noch glücklich zur Uraufführung brachten, hätte Flann O´Brien alias Brian O´Nolan seine diebische Freude gehabt.

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