Donnerstag, 28. März 2024

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"Der Druck wird am Wochenende zu einer heilsamen Lösung führen"

Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln bezeichnet die Beschlüsse des zyprischen Parlaments als ein Einlenken auf den richtigen Weg. "Die Aufspaltung der Laiki-Bank in eine Good Bank und eine Bad Bank ist da ganz wichtig", sagt Michael Hüther mit Verweis auf die zweitgrößte Bank des Landes.

Michael Hüther im Gespräch mit Mario Dobovisek | 23.03.2013
    Mario Dobovisek: Zypern kämpft um seine bloße Existenz, um das Überleben. Bis Montag reichen die Notgelder der Europäischen Zentralbank, dann will sie den Banken auf Zypern den Geldhahn abdrehen, sollte bis dahin keine probate Lösung der Krise auf dem Tisch liegen. Nach dem klaren Nein zu den geplanten Zwangsabgaben von Sparern richteten sich die hoffnungsvollen Blicke der Zyprer zunächst nach Russland – doch Moskau gab dem Land einen Korb. Das wäre Plan B gewesen. Plan C sieht jetzt einen Sozialfonds aus zyprischen Reserven vor, den hat das Parlament am Abend auch beschlossen, und auch Teile aus Plan A liegen plötzlich wieder auf dem Verhandlungstisch: die umstrittenen Zwangsabgaben nämlich.

    Am Telefon begrüße ich nun Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Guten Morgen, Herr Hüther!

    Michael Hüther: Schönen guten Morgen!

    Dobovisek: Überzeugen Sie die Beschlüsse der Zyprer soweit?

    Hüther: Na ja, es ist zumindest ein Einlenken auf den richtigen Weg, denn ganz bedeutsam ist, dass die überdimensionierten Banken zurückfahren werden in ihren Bilanzsummen. Die Aufspaltung der Laiki Bank in eine Good Bank und eine Bad Bank ist da ganz wichtig, denn der Teil als Bad Bank – auch wenn es noch Bank heißt – ist keine Bank im rechtlichen Sinne, braucht kein entsprechendes Eigenkapital, dient nur noch der Abwicklung der Verwertung der Assets, und das ist ja schon mal eine ganz wichtige Maßnahme, die auch von Europa gefordert wurde: die Redimensionierung des Bankensektors.

    Dobovisek: Auf Deutsch gesagt, die eine Bank der beiden wird geschlossen.

    Hüther: Wird geschlossen. Es bleiben, glaube ich, noch ein paar Geschäftsbestandteile übrig, aber ansonsten wird es nur noch darum gehen, die bei der Bank vorhandenen Assets in der längeren Frist zu verwerten, ja.

    Dobovisek: Wir konnten dieser Tage ein verzweifelt anmutendes Hin und Her erleben, was die geplanten Zwangsabgaben der Anleger auf Zypern angeht. Nach dem Schuldenschnitt der stets als sicher propagierten Staatsanleihen – in diesem Fall Griechenlands – nun also die Enteignung sicher geglaubter Anlagen. Welche Bedeutung hat Vertrauen und dessen Verlust bei Anlegern?

    Hüther: Vertrauen hat im Finanzsystem natürlich eine ganz hohe Bedeutung. Nur muss man hier sehen: Was ist die Alternative? Die Alternative ist, dass dieses Bankensystem mehr oder weniger komplett in die Insolvenz geht, wenn man die beiden großen Banken betrachtet, denn eine Rettung aus Europa ist nicht zwingend. Gerettet werden muss dann, wenn eine systemische Bedeutung da ist. Die ist hier in dem vergleichbaren Maße nicht vorhanden, wie das in anderen europäischen Zusammenhängen der Fall war. Europa hat sich auch in den letzten drei Jahren gewaltig auf den Weg gemacht. Man ist nicht mehr so abhängig, dass man in der Krise Hals über Kopf einfach Milliarden in Banken stecken muss. Daran gemessen ist die erste Idee, hier mal 6,75 Prozent auch von den Anlegern unter 100.000 Euro zu verlangen, nun wirklich nicht so dramatisch. Man könnte auch sagen, sie behalten immerhin 93 Prozent ihres Vermögens gegenüber null oder zehn oder 15 Prozent, das übrig bleibt, wenn eine Bank aufgelöst wird.

    Dobovisek: Dennoch sagen viele, das sei ein Tabubruch.

    Hüther: Ja, ich meine, die Krisen an sich sind ein Tabubruch, und unter der Krise muss man sehen, wie man zum Ergebnis kommt. Die Ausgangsposition der Europäer, zu sagen, wir wollen einen Eigenanteil der Zyprioten, ist, glaube ich, gut begründet, denn wie gesagt, es gab keine Zwangslage für eine europäische Rettung. Und das sehr viel deutlicher zu machen, wäre vielleicht kommunikativ auch klüger gewesen, überzeugender gewesen. Die Frage, wie man den Eigenanteil organisiert, ob man den bis 100.000 schon macht oder erst ab einem Vermögen ab 100.000, ist natürlich bedeutsam, hat auch etwas zu tun mit sozialer Verträglichkeit, kann auch die Glaubwürdigkeit stärken, und es sieht ja so aus, als käme jetzt für die Vermögen ab 100.000 eine entsprechende Abgabe. Im Grunde ist das die Einbeziehung der Gläubiger der Banken, die auch immer gefordert wurde.

    Dobovisek: Wurde das, Herr Hüther, aus Ihrer Sicht einfach von der europäischen Politik nur falsch kommuniziert? So, wie Sie das sagen, klingt das ja eigentlich relativ einleuchtend.

    Hüther: Also es ist nicht wirklich gut gelungen. Es hat auch damit zu tun, dass natürlich die Verhandlungen sehr lange hingen, denn man hatte politisch einen Partner, den früheren Präsidenten, mit dem das nicht ging. Man musste die Präsidentschaftswahlen abwarten, neu verhandeln, die Zeit wurde knapp – und dann: Eine solche Lösung mit einem Eigenanteil von 5,8 Milliarden für dieses Land ist natürlich kein Pappenstiel. Das muss auch ordentlich organisiert werden und kommuniziert werden, und man hätte sicherlich mit einer sozialen Staffelung oder gleich mit einer Abgabe, die erst ab 100.000 greift, viel Wind rausnehmen können.

    Dobovisek: Woher auch immer das Geld am Ende stammen mag, der Schuldenberg des 800.000-Einwohner-Landes wird sich weiter auftürmen. Wird Zypern diesen Berg jemals wieder abtragen können?

    Hüther: Nun, es ist im Grunde die Aufgabe, ein neues Geschäftsmodell für dieses Land zu entwickeln. Wir haben ein ähnliches Problem in Irland, wo wir ja auch einen sehr großen Bankensektor hatten und wo im Grunde auch ausschließlich die Lage der Banken die Staatsschuldenproblematik begründet hat. Wir sehen, dass das dort vorangeht, dass man konsequent Banken restrukturiert, dass man sie neu aufstellt, dass man auch abwickelt. Das muss die eigentliche Aufgabe sein. Und natürlich wird aus Zypern nicht auf einmal ein Industriestandort alternativ, also man muss sich auf das besinnen, was dort geht. Aber bei 800.000 Einwohnern und dementsprechendem Bruttoinlandsprodukt einen solchen Bankensektor durch niedrige Steuern, zum Teil fragwürdige Rechtspraktiken zu begründen, ist natürlich auch keine Strategie, die dauerhaft funktionieren kann.

    Dobovisek: Sollte Zypern pleitegehen?

    Hüther: Wenn Zypern den Weg nicht findet zu diesem Eigenanteil, wird am Montag die Europäische Zentralbank kein Geld mehr verfügbar machen können. Das kann sie so lange tun, wie ein Rettungspaket berechtigterweise glaubwürdig in Aussicht steht. Dann muss dieses Land sich im Grunde in eine andere, eigene, neue Währung hineinbegeben. Damit ist auch sozusagen der Verbleib in der Eurozone skeptisch. Insofern – das ist ein Prozess, der dann nicht aufzuhalten ist. Ich glaube, der Druck wird am Wochenende zu einer heilsamen Lösung führen.

    Dobovisek: Welche Auswirkungen hätte eine Pleite Zyperns?

    Hüther: Ich gehe davon aus, dass sie relativ überschaubar wäre. Erstens ist es so, dass es kein Überraschungseffekt mehr ist, die Märkte haben darüber lange ja auch begleitend diskutiert, und man hat ja schon erkennen können, dass die politische und öffentliche Aufregung über die Beteiligung der Einleger auf den Märkten sich nicht wiedergefunden hat. Es ist weder beim Aktienmarkt noch bei den Devisenmärkten erkennbar in erheblichem Maße. Und es ist hier kein systemischer Effekt. Und wir kennen aus anderen Währungsräumen, nehmen Sie die USA, ja auch die Insolvenz von teilsouveränen Gebietskörperschaften. Also das wird, glaube ich, niemanden so sehr noch verunsichern, sondern die Bereinigung – entweder findet sie mit politischem Handeln statt oder ohne, das ist die eigentliche Frage.

    Dobovisek: Sagt der Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.