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Der Duft der Königin

Biologie.- Das Staatengebilde sozialer Insekten fasziniert Biologen seit jeher. Scheinbar selbstlos stellen sich Arbeiterinnen und Soldaten in den Dienst der Königin - zum Wohl des ganzen Volkes. Woher dieser bedingungslose Gehorsam rührt, haben Biologen aus Kopenhagen herausgefunden.

Von Michael Stang | 12.10.2010
    Insektenforscher beschäftigen sich in der Regel mit exotischen Exemplaren. Nicht so Luke Holman von der Kopenhagen Universität. Der Postdoktorand forscht an der in Nordeuropa beheimateten Schwarzen Wegameise.

    "Faszinierend an diesen Ameisen ist, dass sie die größte bekannte Lebenserwartung aller Insekten haben. Einige Königinnen wurden 29 Jahre alt, und damit älter als ich es bin. Das ist schon ziemlich beeindruckend für ein gerade einmal ein Zentimeter langes Tier."

    Bis zu 25.000 Ameisen arbeiten unter der Herrschaft der Königin zum Wohle ihres Insektenstaates. Der Biologe wollte herausfinden, wie es zum bedingungslosen Unterordnen kommt. In einem mehrjährigen Projekt gelang es ihm und seinem Team, einen Botenstoff zu isolieren, der so etwas wie die Insignie der Macht sein könnte: der Duft der Ameisenkönigin.

    "Bei dieser Chemikalie handelt es sich im um ein langkettiges Alkan, welches aus Kohlenstoff und Wasserstoff besteht. Die Ameisen können es nur über den direkten Kontakt mit ihren Antennen wahrnehmen, es wird also nicht versprüht. Von diesem Duft sind die Königin und ihre Eier umgeben. Sobald ihn die Arbeiterinnen wahrnehmen, bleiben sie unfruchtbar und können selbst keine Eier legen."

    Nachdem Luke Holman das Königinnenparfüm synthetisieren und in großen Mengen herstellen konnte, wollte er wissen, ob und wie gut der Wirkstoff tatsächlich auch das Verhalten der Tiere beeinflusst.

    "Diese Chemikalie beeinflusst nicht nur die Entwicklung der Eier der Arbeiterinnen. Bei meinen Tests konnte ich auch Verhaltensänderungen feststellen. Während die gläsernen Königinnen in den Kontrollgruppen durch Bisse und das Verspritzen von Ameisensäure attackiert wurden, blieb die Königin mit dem Botenstoff davon verschont. Es hat den Anschein als ob die Arbeiterinnen merken würden, dass dieses gläserne Ding tatsächlich ein wenig wie die eigene Königinmutter riecht."

    Obwohl Luke Holman das königliche Parfüm gefunden hatte, trieb ihn noch eine Frage um. Inwieweit hängt diese Chemikalie tatsächlich mit der Fruchtbarkeit der Königin zusammen? Ist es ein Beiprodukt der Eierproduktion? Dann wäre die Gleichung "gutes Pheromon gleich hohe Fruchtbarkeit" logisch. Es könnte aber auch sein, dass eine Königin bei verminderter Fruchtbarkeit vermehrt in die Produktion des Botenstoffs investiert, um ihren Status zu halten.

    "Wenn es wirklich die Fruchtbarkeit widerspiegelt, dann lohnt es sich natürlich für die Arbeiterinnen bei der Königin zu bleiben, da sie wissen, dass sie eine Million Eier legt. Riechen sie, dass die Königin aber nur ein paar hundert Eier legen kann, dann verlassen sie den Staat und helfen ihrer Königin nicht mehr."

    Da das tierische Staatsoberhaupt mehrere Jahrzehnte alt werden kann, wollte Luke Holman auch klären, ob es im Laufe der Herrschaft einen Qualitätsverlust gibt. Diese Frage konnte er bislang aber nicht beantworten. Bei weiteren Tests stellte er jedoch fest, dass die Arbeiterinnen bei einem veränderten Geruch der Königin, etwa durch eine Krankheit bedingt, den Staat verlassen und versuchen, eigene Kolonien zu bilden. Somit sind auch bei Ameisen die Insignien der Macht zeitlich begrenzt.