Freitag, 26. April 2024

Archiv


Der empfindsame Rebell

Unbestechlichkeit, das war das Motto seines Lebens. Oskar Werner galt als Genie und zugleich als schwieriger Schauspieler. Auf seinem Weg vom Burgtheater nach Hollywood lehnte er über 300 Rollen ab und spielte lieber empfindsame Männer als harte Helden.

Von Alexandra Wach | 23.10.2009
    "Ich habe mich bei Hitler nicht einmal der Diktatur gebeugt. Ich war fahnenflüchtig. Ich habe es, Gott sei Dank, überlebt. Aber der Bürokratie beuge ich mich genauso wenig."

    Oskar Werner in seinem Element. Ob das Studiosystem von Hollywood, Verrat am guten Geschmack oder das aufkommende Regietheater, der Perfektionist übte stets Widerstand am herrschenden Zeitgeist. So verdiente er sich den Ruf, schwierig zu sein. Er selbst sah sich lieber als "unbestechlich".

    "Nach Camus kann man nur entweder 'L'homme à révolte' sein oder in der Resignation. Aber ich bin in der Revolte, weil ich mich auflehne. Ich bin altmodisch. Ich bin ein Mann mit einer alten Seele."

    Dabei begann sein kometenhafter Aufstieg ausgerechnet im Fach des schönen, sensiblen, von Frauen vergötterten Jünglings. In François Truffauts Klassiker "Jules und Jim", seinem internationalen Durchbruch, spielte Werner einen deutschen Schriftsteller, der sich in Jeanne Moreau verliebt und mit ihr und Henri Serre die berühmte "Ménage à trois" bildet. In dem Kultfilm zeigte er in den Verwirrungen des Herzens ironische Distanziertheit und brachte sein Image zur Vollkommenheit:

    "Ich habe keinen Erfolg bei den Pariserinnen. Aber bei uns gibt es auch hübsche Mädchen. Meine große Liebe hieß Ursula. Ich habe sie heiraten wollen, aber sie hat Nein gesagt. Und dann kenne ich noch eine Brigitte. Ach ja, und dann ist noch eine Dritte da, die heißt Helga. In die könnte ich mich verlieben, wenn ich nicht Ursula lieben würde."

    Der aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammende Werner, 1922 in Wien als Oskar Josef Bschließmayer geboren, träumte sich schon früh in eine andere Welt. Bereits als 19-Jähriger hatte er einen Vertrag mit dem Burgtheater in der Tasche, ohne je Schauspielunterricht genommen zu haben. 1944 floh er als Soldat in die Wälder bei Wien. Kurz vor der Kapitulation der Nazidiktatur war er nach einem Bombenangriff drei Tage lang unter Trümmern verschüttet. Zahlreiche Biografen vermuten hier den Ursprung seiner manischen Depression. Er spielte Don Carlos, Tasso und brillierte immer wieder in seiner Lebensrolle des Dänenprinzen Hamlet.

    "Sein oder Nichtsein. Das ist die Frage des edlen Gemüts. Die Pfeile und Schleudern des wütenden Geschicks erdulden oder sich waffnend gegen eine See von Plagen durch Widerstand sie enden. Sterben, schlafen, nichts weiter."

    Im Kino verkörperte Werner weniger den klassischen Helden als einen neuen, empfindsamen Männertypus. Es waren stets Rollen, mit denen er sich identifizieren konnte. Seine Stimme, die zwischen nuancenreicher Diktion und Nuscheln schwankte, war sein Markenzeichen. Der erklärte Pazifist spielte mehrfach Soldaten, das Genie Mozart oder einen vom Vatikan zum Schweigen verurteilten Geistlichen. Die Rolle des Schiffsarztes in Stanley Kramers "Das Narrenschiff" brachte ihm eine Oscarnominierung ein.

    Immer wieder verkrachte sich der Gratwanderer zwischen Tag und Traum mit Produzenten und Intendanten. Regisseuren wie Antonioni, Visconti oder Kubrick gab er gar den Laufpass. Irgendwann zog er sich in seine Wahlheimat Liechtenstein zurück, weil er in Beverly Hills, später auch in Österreich, zum Fremden geworden war. Das hinderte ihn nicht daran, weiterhin für die hohen, aber auch von der Zeit überholten Maßstäbe seines Berufsethos zu kämpfen, denn für ihn waren der Schauspieler und das Dichterwort die oberste Instanz.

    "Wenn man sich ein Leben lang bemüht hat, für den Adel des Geistes und für die Qualität des Gefühls einzutreten, dann kann man also bei diesen Schändungen, die heute an den großen klassischen Meisterwerken gemacht werden, da kann man nicht mitmachen."

    Depressionen, Alkoholprobleme, nicht durchgeführte Theaterprojekte und ein Debakel mit seinem Wachau-Festival prägten seine letzten Jahre. Kurz vor Beginn einer Rezitationsreise starb Oskar Werner am 23. Oktober 1984 in Marburg an Herzversagen. Er war 62 Jahre alt. In seinem Testament hatte er sein Begräbnis in Liechtenstein verfügt. Das ihm von der Stadt Wien angebotene Ehrengrab hatte er abgelehnt, denn wie er sagte "kaufen ließ er sich nie".