Müller: Herr Vahrenholt, Sie sind auch Mitglied im Nachhaltigkeitsrat des Kanzlers. Ist denn die SPD mit Wolfgang Clement im Moment auf dem Holzweg?
Vahrenholt: Ja, der Nachhaltigkeitsrat hat dem Kanzler empfohlen, bis zum Jahre 2020 den Anteil der erneuerbaren Energien massiv zu erhöhen. Wir wollen die CO² Emissionen, also die Kohlendioxidemissionen um 40 Prozent senken. Das geht natürlich nicht ohne einen Ausbau auch der erneuerbaren Energien. Natürlich müssen alle anderen Energieträger sich diesem Ziel auch stellen. Kohle wird dann einen Platz haben, wenn Kohle auch effizienter genutzt wird, also, weniger Kohlendioxid ausstößt. Gas wird steigen. Und am Ende wird man sich auch noch die Frage stellen müssen, ob der forcierte Ausstieg aus der Kernenergie wirklich haltbar ist. Ich denke, es war an der Zeit, dass sich die Energieversorger und die Politik treffen, denn wir brauchen jetzt dringend ein Konzept, wie der Mix 2020 aussehen soll.
Müller: Das heißt Sie bestreiten die Sinnhaftigkeit des Ausstiegs?
Vahrenholt: Nein, das glaube ich ist eine politische Entscheidung. Aber am Ende wird es die Frage sein, ob denn nun wirklich 2020 das letzte Kernkraftwerk abgeschaltet wird. Aber, ich glaube, das ist jetzt nicht im Kern im Augenblick die Debatte. Die Debatte ist, schaffen wir es, in den nächsten zehn Jahren die erneuerbaren Energien wettbewerbsfähig zu machen. Mein Unternehmen, REpower Systems, versucht das mit sehr großen Windkraftwerken. Wir bauen zur Zeit das größte Windkraftwerk der Welt, made in Germany. Und insofern ist es schon ein untunlicher Vorgang, dass der Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland uns gerade in dieser Phase, wo wir uns aufmachen, den Weltmark zu erobern, in die Knie tritt. Das ist etwas, das sicherlich zum unpassenden Zeitpunkt und mit den unpassenden Mitteln passierte.
Müller: Bleiben wir noch einmal dabei, Herr Vahrenholt. Viele in Deutschland haben ja das Gefühl, die Kohle ist eine Energie von gestern. Aus mehreren Gründen, es geht einmal um die energiepolitische Effizienz, es geht um den Klimaschutz, es geht aber natürlich auch um die Frage von Arbeitsplätzen. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Wolfgang Clement denn jetzt diese Position einnimmt?
Vahrenholt: Es geht zunächst einmal um die deutsche Steinkohle, das ist aber ein Auslaufmodell. Kohle in Deutschland wird nach wie vor eine Zukunft haben, wir haben eine großen Anteil Braunkohle und wir werden auch Importkohle haben. Das heißt Kohlekraftwerke wird es auch in den nächsten Jahren geben, es muss auch einen Zubau geben, das ist keine Frage. Die Frage stellt sich nur, wie viel Bergwerke werden am Ende noch in Deutschland betrieben, sind es eins, zwei oder null? Und das ist glaube ich etwas, eine schon fast symbolische Frage. Das ist kein wirklich belastbarer Beitrag mehr für die Energieversorgung Deutschlands. Wir reden jetzt ja immer über das nächste Jahrzehnt, bis dahin soll das ja auch auslaufen. Auf der anderen Seite kann man nicht Kohle gegen Windenergie zum Beispiel ausspielen, das ist etwas, was im Augenblick versucht wird nach dem Motto, schlägst du meine Kohle, sprich Trittin, Die Grünen, die sich für einen forcierten Ausstieg aus der deutschen Steinkohle aussprechen, dann schlag ich deinen Wind. Das ist keine Energiepolitik, wir müssen alle Energieträger in einem intelligenten Mix nutzen und vor allen Dingen müssen wir eins tun, wir müssen unabhängiger werden von Importen von Öl und Gas, denn Öl- und Gaspreise werden im nächsten Jahrzehnt massiv ansteigen. Und deswegen sage ich voraus, die Windenergie wird in zehn Jahren wettbewerbsfähig sein mit Gas und Öl, weil die Energiepreise massiv steigen werden und wir werden jedes Jahr preiswerter. 1,5 Prozent senken wir die Preise für Windenergie und das finde ich, sollte auch entsprechend gewürdigt werden, da brauchen wir auf gar keinen Fall einen Fadenriss, wie ihn Wolfgang Clement im Augenblick versucht zu konstruieren.
Müller: Wie wichtig ist für Wolfgang Clement das Argument Arbeitsplatzsicherung?
Vahrenholt: Ja gut, es geht im deutschen Bergbau, wenn ich das richtig sehe, um 30, 35.000 Arbeitsplätze, das will ja auch niemand von heute auf morgen abstellen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass hier ein sehr langer Auslaufprozess ist. Auf der anderen Seite reden wir bei den erneuerbaren Energien mittlerweile von 135.000 Arbeitsplätzen, allein in der Windenergie stecken 35.000 Arbeitsplätze. Die Stahlarbeitsplätze im Ruhrgebiet hängen von der Windindustrie mittlerweile ab, das ist so, dass wir der zweite Stahlnachfrager in Deutschland sind mit der Windindustrie, gleich nach der Automobilindustrie. Alles das ist auch kein Argument, man kann nicht Arbeitsplätze gegeneinander ausspielen.
Müller: Der Bund der Deutschen Industrie, wie auch Vertreter der FDP fordern ja einen Ausstieg aus den Subventionen für die erneuerbaren Energien. Können Sie ohne Subventionen weitermachen, überleben?
Vahrenholt: Also, es gibt keine Subventionen, weder aus der Staatskasse, noch sonst etwas. Sondern die Windenergie wird in der Tat mit einer höheren Einspeisevergütung gefördert. Das ist im Übrigen am Anfang der Kernenergie genauso gewesen, die Kernenergie war auch nicht von Anfang an wettbewerbsfähig und gleichwohl hat man das gemacht. Und man muss dann auch, wenn man dieses anfängt und ein politisches Ziel erkannt hat, das auch durchhalten.
Müller: Also, für die Verbraucher, Herr Vahrenholt, wenn ich Sie unterbrechen darf, ist das teurer.
Vahrenholt: Ja, das sind 0,2 Eurocent auf die Kilowattstunde, das heißt für jeden Verbraucher ist das ein Euro im Monat, wenn das aber dazu dient, eine große deutsche Industrie aufzubauen, die den Weltmarkt erobert und andererseits auch die Klimaziele erreicht, dann glaube ich, ist das eine gute Investition. Ich glaube, dass die überwiegende Zahl der deutschen Stromverbraucher dies auch gerne zahlen.
Müller: Nun gibt es ja auch viel Kritik der Verbraucher an der Windkraft, bezogen auf die Landstriche, wo es Windkraftanlagen gibt. Haben Sie dafür Verständnis, ist das nachvollziehbar aus Ihrer Sicht?
Vahrenholt: Es hat in der Vergangenheit sicherlich ungeordnete Planung gegeben, gerade Anfang der neunziger Jahre. Das ist ja insofern Vergangenheit, als das es heute eine ausgetüftelte Planung gibt, dass man in Distanz von Dörfern, Gemeinden sich befinden muss, dass man nicht in der Nähe von Naturschutzgebieten bauen kann. Der Trend wird ja zu größeren Anlagen gehen, das heißt wenn früher 100 Anlagen gebaut werden mussten, um 10 Megawatt zu produzieren, dann brauchen wir heute nur noch drei. Das heißt hier wird auch dem Landschaftsschutz und der Landschaftsästhetik durch die technische Entwicklung Rechnung getragen werden.
Müller: Wenn wir nach vorne blicken, welche Zielvorstellungen gibt es dort in Punkto Energieanteile, beziehungsweise Energieversorgung?
Vahrenholt: Wenn wir vom Strom reden, dann glaube ich sind wir in 2020, also in 17 Jahren, in der Lage 20 Prozent der deutschen Stromversorgung mit Windenergie zu versorgen. Allerdings nur dann, wenn es uns gelingt, in großer Zahl auch offshore-Windparks zu erschließen, dazu brauchen wir dann allerdings auch entsprechende Stromleitungen an Land. Die müssen natürlich auch noch gebaut werden, das ist alles nicht von heute auf morgen zu machen. Energiepolitik ist Langfristpolitik, wer heute die Weichen stellt, der wird dann auch die Früchte in den nächsten zehn Jahren ernten. Das heißt aber auch, Politik muss sich jetzt ran setzen und sagen, wie der Baukasten in zehn, fünfzehn Jahren aussehen soll.
Müller: Letzte Frage, Herr Vahrenholt, müssen Sie als Unternehmer jetzt "grün" Wählen?
Vahrenholt: Das ist eine gute Frage. Ich bin ziemlich sicher, das der Konflikt, der in der Bundesregierung ausgetragen wird auch vom Kanzler zusammengeführt werden wird. Und das beides richtig ist, eine effiziente Kohlenutzung, eine zukunftsweisende Windenergie, die noch eine gewisse Zeit herangeführt werden muss an die Wettbewerbsfähigkeit und insofern glaube ich, werden wir alle am Ende zufrieden sein. Deswegen muss man vielleicht nicht "grün" oder "rot" wählen, vielleicht muss man vernünftig wählen. Das ist also das Ergebnis vielleicht, das am Ende herauskommt.
Müller: Das war der Windkraftunternehmer Fritz Vahrenholt, zugleich Mitglied im Nachhaltigkeitsrat des Kanzlers.
Link: Interview als RealAudio