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"Der entscheidende Punkt ist die Frage der Glaubwürdigkeit von Herrn Steinmeier"

Kristina Köhler, Obfrau der CDU im BND-Untersuchungsausschuss, stellt die Glaubwürdigkeit des jetzigen SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier infrage. Die bisherige Untersuchung zum Einsatz zweier Agenten des Bundesnachrichtendienstes während des Irak-Krieges zeige, dass dem US-Militär keine gewonnenen Informationen bewusst vorenthalten wurden - entgegen Steinmeiers Aussage.

Kristina Köhler im Gespräch mit Silvia Engels | 18.12.2008
    Silvia Engels: Rückblende. Im Jahr 2003 hielten sich während des Irak-Krieges zwei deutsche Agenten des Bundesnachrichtendienstes in Bagdad auf. Sie sammelten Informationen über die Gefechte, die sie nicht nur ihrer eigenen Zentrale in Deutschland meldeten, sondern die auch zumindest teilweise an die US-Streitkräfte weitergegeben wurden. Und das, obwohl die damalige rot/grüne Bundesregierung inklusive des damaligen Kanzleramtschefs Frank-Walter Steinmeier und des früheren Bundeskanzlers Schröder diese Linie verfolgten:

    Gerhard Schröder: "Unter meiner Führung wird es keine Beteiligung Deutschlands an einer militärischen Intervention geben."

    Silvia Engels: Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder. – Mittlerweile ist Frank-Walter Steinmeier bekanntlich Außenminister und er bleibt dabei, diese, von Schröder geforderte Linie umgesetzt zu haben. Heute muss er dazu vor dem BND-Untersuchungsausschuss aussagen. Am Telefon ist nun Kristina Köhler, sie ist die Obfrau für die CDU im BND-Untersuchungsausschuss. Guten Morgen, Frau Köhler!

    Kristina Köhler: Guten Morgen!

    Engels: Frank-Walter Steinmeier hat selbst mehrfach gesagt, es habe keine Unterstützung der Bundesregierung für den US-Krieg im Irak gegeben. Was wollen Sie denn dazu von Herrn Steinmeier heute noch Neues erfahren?

    Köhler: Wir wollen erfahren, wie es wirklich war. Denn wir haben in den bisherigen Untersuchungen des Ausschusses herausgefunden, dass sehr wohl auch taktisch operativ nutzbare Meldungen vom BND an die Amerikaner gegangen sind. Und Frank-Walter Steinmeier war als Kanzleramtsminister für den BND verantwortlich, und damit trug er auch dafür die Verantwortung.

    Engels: Damit beziehen Sie sich auch auf einen Bericht des Magazins "Der Spiegel", nehme ich an. Der hatte Anfang der Woche ein Interview mit dem ehemaligen US-General Marks veröffentlicht, und darin bestätigt Marks die Weitergabe von detaillierten Informationen der beiden BND-Männer an die US-Behörden, und er spricht davon, diese Informationen seien extrem wichtig und wertvoll gewesen. Halten Sie diese Quelle für glaubwürdig?

    Köhler: Wir brauchen dafür gar nicht nur den "Spiegel" oder General Marks, sondern auch das hat bisher schon der Untersuchungsausschuss ergeben, dass zum Beispiel Informationen über Stellungen der irakischen Armee an die Amerikaner weitergegeben wurden, dass auch Informationen darüber, dass die Iraker Flugabwehrraketen besitzen, an die Amerikaner weitergegeben wurden. All diese Dinge sind natürlich für eine kriegsführende Partei von sehr hoher Relevanz. Und wenn sie jetzt auch noch zusätzlich das auch noch vonseiten des amerikanischen Militärs bestätigt bekommen, dann bestätigt dies unsere (nicht verständlich, Anm. d. Redaktion)

    Engels: Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Oppermann sprach dagegen von einem manipulierten Interview mit Marks. Wäre es da nicht besser, den Ex-General vorzuladen?

    Köhler: Das werden wir beschließen, und zwar mit Stimmen, wie es aussieht, aller Fraktionen, dass wir gerne Herrn Marks als Zeugen hätten. Ich hoffe, dass er auch kommt. Es wird die Frage im Raum stehen, ob er von der amerikanischen Regierung eine Aussagegenehmigung bekommt. Ich hoffe sehr darauf, denn gerade wenn man General Marks gestattet, dem "Spiegel" Auskunft zu geben, wäre es doch sehr angemessen, wenn er dann auch dem deutschen Parlament Rede und Antwort steht.

    Engels: Das ist aber nicht die einzige Quelle. Die Zeitung "Die Welt" berichtete gestern dagegen, geheime BND-Protokolle würden Steinmeier und den BND entlasten. Danach seien die Informationen tatsächlich nur stark gefiltert gewesen, die an die USA weitergegangen seien, also keine kriegsunterstützende Wirkung. Das klingt doch genau nach der Linie Steinmeiers?

    Köhler: Ich kann mich hier nicht detailliert zu Geheimprotokollen äußern, deswegen sind sie ja geheim.

    Engels: Kennen Sie denn die erwähnten Protokolle?

    Köhler: Ich kenne die, und ich kann nur sagen, was ich da gesehen habe, schien mir nicht so, dass da irgendetwas bewusst entschärft wurde, sondern maximal ist es in einigen Fällen vorgekommen, dass Meldungen zusammengefasst wurden. Aber ich kann nicht erkennen, dass hier irgendetwas bewusst den Amerikanern vorenthalten wurde.

    Engels: Das heißt, Sie kennen aber auch Protokolle und Aussagen insgesamt, die eher die Linie stützen, die Informationen seien doch detailliert gewesen?

    Köhler: Sie waren detailliert, sie waren mit Koordinaten versehen, sie waren nicht lediglich auf sogenannte Nichtziele wie Krankenhäuser, Botschaften bezogen, sondern sie hatten auch einen militärischen Inhalt. Und sie sind an die Amerikaner weitergegeben worden. All das hat der Untersuchungsausschuss schon bisher herausgefunden.

    Engels: Fordern Sie denn dann den Rücktritt von Frank-Walter Steinmeier, weil er die Unwahrheit gesagt habe?

    Köhler: Ich denke, der entscheidende Punkt ist die Frage der Glaubwürdigkeit von Herrn Steinmeier. Herr Steinmeier war ganz maßgeblich für den BND zuständig. Und deswegen ist es natürlich schon eine Frage der Glaubwürdigkeit, wenn er einerseits die Linie der Regierung Schröder unterstützt, dass er gesagt hat, Deutschland war weder direkt noch indirekt an den Handlungen der Amerikaner beteiligt, und andererseits aber zumindest eine indirekte Unterstützung auf jeden Fall stattgefunden hat. Diese Frage der Glaubwürdigkeit, die steht nun im Zentrum.

    Engels: Schauen wir noch einmal auf die Arbeit des Ausschusses generell. Lange Zeit war es ja sehr ruhig geworden um den Ausschuss, und nun droht der CSU-Generalsekretär Theodor zu Gutenberg damit, die BND-Irak-Affäre zum Wahlkampfthema machen zu wollen. Steht damit für Sie nicht schon fest, wie Ihr Unionsabschlussbericht dieses Ausschusses aussehen muss?

    Köhler: Zunächst einmal wird es einen gemeinsamen Abschlussbericht mit der SPD zusammen geben. Und zum Zweiten ist natürlich die Frage der Glaubwürdigkeit ein entscheidender Punkt, wenn es um die Gesamtbewertung von Kanzlerkandidat Steinmeier geht. Aber ich denke, die Union hat auch schon in den vergangenen drei Jahren, wo dieser Untersuchungsausschuss schon tagt, gehörte weder zu denen, die immer und per se und bei allem "Skandal" geschrien haben. Wir gehörten aber auch nicht zu denen, die von vornherein alles entschuldigt haben und schon wussten, dass an allem nichts dran ist, sondern wir haben immer kritisch unsere Fragen gestellt, wenn wir sie hatten. Und daran wird sich auch nichts ändern, egal ob Frank-Walter Steinmeier nun Kanzlerkandidat ist oder nicht.

    Engels: Aber Frau Köhler, ist es denn ein Zufall, dass die Union jetzt "Skandal" schreit, wo der Wahlkampf beginnt?

    Köhler: Das stimmt ja gar nicht. Wir haben ja zum Beispiel bei dem Fall Murat Kurnaz auch schon sehr entschieden nachgefragt und hatten da auch schon in vielen Punkten sehr stark unseren Finger in die Wunde gelegt. Also wenn Sie jetzt einmal gucken, wie das in den letzten drei Jahren lief, da hat sich nicht viel geändert.

    Engels: Die Problematik dieses Untersuchungsausschusses besteht ja auch darin, dass viele Quellen gar nicht genannt werden dürfen, vielfach der Ausschuss geheim tagen muss, wie soll sich denn da die Öffentlichkeit ein Bild machen, wenn auch nur teilweise in Zeitungen berichtet wird? Soll heißen: Muss man nicht doch noch mehr öffentlich machen, damit sich die Öffentlichkeit ein eigenes Bild machen kann?

    Köhler: Nein. Also ich finde das richtig, dass zum Beispiel die Zusammenarbeit von Geheimdiensten, dass das etwas ist, was prinzipiell in geheimer Sitzung behandelt wird, denn sonst wären wir auch als Bündnispartner auch für andere Geheimdienste, würden quasi überhaupt nicht mehr infrage kommen, denn die wüssten, irgendwann steht genau das alles in den Zeitungen. Also das, glaube ich, ist schon sehr wichtig für Deutschland. Ich sage aber auch, alles, was wirklich für die politische Bewertung wichtig ist, das ist auch öffentlich. Was wir in den geheimen Sitzungen gemacht haben, das war mühsame Arbeit an den Akten, aber was politisch daraus resultiert, darüber werden wir reden und das wird die Öffentlichkeit komplett mitbekommen.

    Engels: Letzte Frage: War es denn inhaltlich ein Fehler, dass während des Irakkrieges zwei BND-Agenten in Bagdad waren?

    Köhler: Ich denke, das ist nicht die Frage, um die es geht.

    Engels: Also war es kein Fehler?

    Köhler: Man kann durchaus sagen, Deutschland und Amerika arbeiten eng miteinander zusammen, und da sollte man auch in einem Krieg eine solche Zusammenarbeit nicht abbrechen. Und wenn wir da helfen konnten, darüber kann man durchaus reden. Das ist nicht der Punkt, der zur Debatte steht.

    Engels: Kristina Köhler, die Obfrau für die CDU im BND-Untersuchungsausschuss. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Köhler: Herzlichen Dank, tschüss!