Woyke: Guten Tag, Herr Müller.
Müller: Herr Wokye, bekommen wir an diesem Wochenende in Rom eine Europäische Union mit neuem Gesicht?
Woyke: Nein, das glaube ich nicht, dass das so schnell gehen wird, sondern jetzt ist die Eröffnung der Regierungskonferenz und das bedeutet natürlich nicht, dass man den Entwurf komplett übernehmen wird, wie er vom Verfassungskonvent ausgearbeitet worden ist, sondern man wird in Arbeitsgruppen gehen und wird die eine oder andere Maßnahme noch einmal diskutieren. Das müssen die Regierungschefs auch schon tun, denn sonst können sie sich die Blöße geben und praktisch von dem Verfassungskonvent das übernehmen, denn vergessen wir nicht, die Regierungen sind ja Herren der Verträge. Sie sind es, die letztendlich entscheiden müssen.
Müller: Verdient denn der Entwurf, der nun auf dem Tisch liegt, das Prädikat Reform?
Woyke: Ja, durchaus. Sie wissen ja, wenn man mit 15 verschiedenen Ländern verhandelt, und es werden ja bald noch zehn dazu kommen, dann sind auch schon kleine Veränderungen durchaus eine Reform. Und wenn ich daran denke, dass beispielsweise der europäische Präsident geschaffen wird, wenn ich daran denke, dass der europäische Außenminister geschaffen wird, wenn ich darüber hinaus daran denke, dass in wichtigen Teilen Mehrheitsentscheidungen demnächst vorgenommen werden können, dann verdient dieser Entwurf durchaus den Reformcharakter. Aber ich hätte mir auch weitergehende Entwürfe vorstellen können, aber real ist das nun so, wenn unterschiedliche Interessenten miteinander verhandeln, trifft man sich möglichst eben auf einem kleineren Nenner.
Müller: Bleiben wir doch, Herr Woyke, bei Ihrem ersten Beispiel, der europäische Präsident. Man hat dann einen Kommissionspräsidenten und einen Ratspräsidenten. Wo ist denn da der Vorteil?
Woyke: Nun, der Vorteil des europäischen Präsidenten ist erst einmal, dass er - anders als der jetzige europäische Präsident, den wir ja auch haben, der immer amtiert für ein halbes Jahr im Europäischen Rat - dass der nicht mehr gleichzeitig Ministerpräsident oder Staatpräsident sein kann, und dass er darüber hinaus für zweieinhalb Jahre bestimmt wird mit der Möglichkeit, weitere zweieinhalb Jahre im Amt genannt zu werden. Und das bedeutet, dass hier Kontinuität herrschen wird und Sie haben schon Recht, es kommt hier natürlich in Zukunft darauf an, dass der Präsident des Europäischen Rates mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission in keine Rivalität eintritt. Nur dann wird die Institution des europäischen Präsidenten auf Dauer erfolgreich sein.
Müller: Sie sagen Kontinuität, andere sagen Konfrontation beziehungsweise Konkurrenz.
Woyke: Ja natürlich, das kann durchaus sein, wenn es sich um einen sehr ehrgeizigen Kommissionspräsidenten handelt, darüber hinaus auch noch um einen sehr ehrgeizigen europäischen Präsidenten, kann das durchaus eben auch Konfrontation geben. Aber ich würde mal formulieren, das sollte man erst einmal abwarten, wie sich diese neue Institution eben einrichten wird, und ob die Kommission und der Kommissionspräsident eben nicht die ursprüngliche Funktion, die ja in den römischen Verträgen der Europäischen Kommission eben ja zugesagt worden ist, nämlich die Initiativfunktion, ob sie die eben nicht wesentlich stärker wahrnehmen kann, um damit in dem Präsidenten des Rates auch noch einen Verbündeten zu finden, der sie stützt. Also auch das ist möglich.
Müller: Aber für den Laien von außen betrachtet, aus Sicht des Bürgers hört sich das so an, als werden die Entscheidungsfindung, die Entscheidungsprozesse in der Europäischen Union noch komplizierter.
Woyke: Ja natürlich. Europa ist für den Laien - die Europäische Union ist - sowieso schon außerordentlich schwierig, nicht nur für den Laien, sondern auch für den Experten eben zu verstehen, und das bedeutet jetzt ja die europäische Integration eben praktiziert wird auf mehreren Ebenen und mit sehr, sehr unterschiedlichen Akteuren. Und es ist zweifellos richtig, dass jetzt mit diesem europäischen Präsidenten ein weiterer Akteur hinzukommt, und die Zukunft muss zeigen, wie eben dieses Modell funktioniert. Idealer wäre es natürlich, wenn der europäische Präsident gleichzeitig auch Kommissionspräsident wäre. Das würde aber bedeuten, dass er eine außerordentlich starke Stellung hätte und dazu waren einige Staaten nicht bereit.
Müller: Es gibt ja, Herr Woyke, diesen Konflikt, wir haben das eben in dem Beitrag auch angesprochen, unter anderem zwischen Deutschland und Spanien, um die künftige Stimmengewichtung. 25 Länder sind es ja in Bälde, Sie haben darauf hingewiesen. Ist dann die Stimme eines Landes noch wichtig?
Woyke: Die ist nach wie vor noch wichtig, weil im Europäischen Rat, also im Ministerrat, mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden soll, und dann brauchen Sie eben das Quorum, was bei, ich muss das jetzt aus dem Kopf etwa sagen, insgesamt bei 260 Stimmen ungefähr 70 Prozent, also bei 170, so was, liegen muss. Und dann ist es schon von außerordentlicher Bedeutung, ob ein Land zum Beispiel zwei Stimmen mehr hat oder zwei Stimmen weniger. Und dann kommt es natürlich auch darauf an, welche Koalitionen geschlossen werden, ob ich auch im Rat ein bestimmtes Vorgehen von anderen verhindern kann. So sollte man eigentlich nicht an die Politik heran gehen, aber wird Politik ja auch so gemacht.
Müller: Professor Wichard Woyke, Politikwissenschaftler an der Universität in Münster war das. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Woyke.
Woyke: Bitte.
Müller: Herr Wokye, bekommen wir an diesem Wochenende in Rom eine Europäische Union mit neuem Gesicht?
Woyke: Nein, das glaube ich nicht, dass das so schnell gehen wird, sondern jetzt ist die Eröffnung der Regierungskonferenz und das bedeutet natürlich nicht, dass man den Entwurf komplett übernehmen wird, wie er vom Verfassungskonvent ausgearbeitet worden ist, sondern man wird in Arbeitsgruppen gehen und wird die eine oder andere Maßnahme noch einmal diskutieren. Das müssen die Regierungschefs auch schon tun, denn sonst können sie sich die Blöße geben und praktisch von dem Verfassungskonvent das übernehmen, denn vergessen wir nicht, die Regierungen sind ja Herren der Verträge. Sie sind es, die letztendlich entscheiden müssen.
Müller: Verdient denn der Entwurf, der nun auf dem Tisch liegt, das Prädikat Reform?
Woyke: Ja, durchaus. Sie wissen ja, wenn man mit 15 verschiedenen Ländern verhandelt, und es werden ja bald noch zehn dazu kommen, dann sind auch schon kleine Veränderungen durchaus eine Reform. Und wenn ich daran denke, dass beispielsweise der europäische Präsident geschaffen wird, wenn ich daran denke, dass der europäische Außenminister geschaffen wird, wenn ich darüber hinaus daran denke, dass in wichtigen Teilen Mehrheitsentscheidungen demnächst vorgenommen werden können, dann verdient dieser Entwurf durchaus den Reformcharakter. Aber ich hätte mir auch weitergehende Entwürfe vorstellen können, aber real ist das nun so, wenn unterschiedliche Interessenten miteinander verhandeln, trifft man sich möglichst eben auf einem kleineren Nenner.
Müller: Bleiben wir doch, Herr Woyke, bei Ihrem ersten Beispiel, der europäische Präsident. Man hat dann einen Kommissionspräsidenten und einen Ratspräsidenten. Wo ist denn da der Vorteil?
Woyke: Nun, der Vorteil des europäischen Präsidenten ist erst einmal, dass er - anders als der jetzige europäische Präsident, den wir ja auch haben, der immer amtiert für ein halbes Jahr im Europäischen Rat - dass der nicht mehr gleichzeitig Ministerpräsident oder Staatpräsident sein kann, und dass er darüber hinaus für zweieinhalb Jahre bestimmt wird mit der Möglichkeit, weitere zweieinhalb Jahre im Amt genannt zu werden. Und das bedeutet, dass hier Kontinuität herrschen wird und Sie haben schon Recht, es kommt hier natürlich in Zukunft darauf an, dass der Präsident des Europäischen Rates mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission in keine Rivalität eintritt. Nur dann wird die Institution des europäischen Präsidenten auf Dauer erfolgreich sein.
Müller: Sie sagen Kontinuität, andere sagen Konfrontation beziehungsweise Konkurrenz.
Woyke: Ja natürlich, das kann durchaus sein, wenn es sich um einen sehr ehrgeizigen Kommissionspräsidenten handelt, darüber hinaus auch noch um einen sehr ehrgeizigen europäischen Präsidenten, kann das durchaus eben auch Konfrontation geben. Aber ich würde mal formulieren, das sollte man erst einmal abwarten, wie sich diese neue Institution eben einrichten wird, und ob die Kommission und der Kommissionspräsident eben nicht die ursprüngliche Funktion, die ja in den römischen Verträgen der Europäischen Kommission eben ja zugesagt worden ist, nämlich die Initiativfunktion, ob sie die eben nicht wesentlich stärker wahrnehmen kann, um damit in dem Präsidenten des Rates auch noch einen Verbündeten zu finden, der sie stützt. Also auch das ist möglich.
Müller: Aber für den Laien von außen betrachtet, aus Sicht des Bürgers hört sich das so an, als werden die Entscheidungsfindung, die Entscheidungsprozesse in der Europäischen Union noch komplizierter.
Woyke: Ja natürlich. Europa ist für den Laien - die Europäische Union ist - sowieso schon außerordentlich schwierig, nicht nur für den Laien, sondern auch für den Experten eben zu verstehen, und das bedeutet jetzt ja die europäische Integration eben praktiziert wird auf mehreren Ebenen und mit sehr, sehr unterschiedlichen Akteuren. Und es ist zweifellos richtig, dass jetzt mit diesem europäischen Präsidenten ein weiterer Akteur hinzukommt, und die Zukunft muss zeigen, wie eben dieses Modell funktioniert. Idealer wäre es natürlich, wenn der europäische Präsident gleichzeitig auch Kommissionspräsident wäre. Das würde aber bedeuten, dass er eine außerordentlich starke Stellung hätte und dazu waren einige Staaten nicht bereit.
Müller: Es gibt ja, Herr Woyke, diesen Konflikt, wir haben das eben in dem Beitrag auch angesprochen, unter anderem zwischen Deutschland und Spanien, um die künftige Stimmengewichtung. 25 Länder sind es ja in Bälde, Sie haben darauf hingewiesen. Ist dann die Stimme eines Landes noch wichtig?
Woyke: Die ist nach wie vor noch wichtig, weil im Europäischen Rat, also im Ministerrat, mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden soll, und dann brauchen Sie eben das Quorum, was bei, ich muss das jetzt aus dem Kopf etwa sagen, insgesamt bei 260 Stimmen ungefähr 70 Prozent, also bei 170, so was, liegen muss. Und dann ist es schon von außerordentlicher Bedeutung, ob ein Land zum Beispiel zwei Stimmen mehr hat oder zwei Stimmen weniger. Und dann kommt es natürlich auch darauf an, welche Koalitionen geschlossen werden, ob ich auch im Rat ein bestimmtes Vorgehen von anderen verhindern kann. So sollte man eigentlich nicht an die Politik heran gehen, aber wird Politik ja auch so gemacht.
Müller: Professor Wichard Woyke, Politikwissenschaftler an der Universität in Münster war das. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Woyke.
Woyke: Bitte.