Archiv


"Der erste Schritt ist eine Steuerreform"

Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt J. Lauk, hält den Abbau der sogenannten kalten Progression für eine vordringliche Aufgabe der Politik. Lauk sagte, dieses Problem müsse nach der Bundestagswahl rasch angegangen werden. Er sprach sich zudem für Steuersenkungen aus. Diese seien wegen der Wirtschaftskrise allerdings erst gegen Ende der nächsten Legislaturperiode möglich.

Kurt J. Lauk im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: Wenn Wolfgang Schäuble sich zu Wort meldet, dann sitzt das meistens, dann ist das auch meistens so gemeint. "Steuersenkungen können wir uns nicht leisten. Wir sollten den Leuten reinen Wein einschenken", gab der Innenminister und CDU-Politiker an diesem Wochenende zu Protokoll. Sollte dies ein Hinweis an die FDP gewesen sein, dann wäre das nicht weiter verwunderlich. Es war aber ein Hinweis, eine Ansage an die Kanzlerin, denn Angela Merkel hatte Steuersenkungen in der nächsten Legislaturperiode in Aussicht gestellt. Mit dieser Forderung will die CDU-Spitze auch in den Wahlkampf ziehen. Das geht nicht, haben bereits eine Reihe von Ministerpräsidenten angemerkt, nun eben auch noch Wolfgang Schäuble. Streit in der Union. Darüber sprechen wollen wir nun mit Kurt Lauk, Präsident des CDU-Wirtschaftsrats. Guten Morgen!

    Kurt J. Lauk: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Herr Lauk, haben Sie sich denn wenigstens seit langer Zeit mal wieder über die Kanzlerin gefreut?

    Lauk: Zunächst einmal ist klar, dass sich die Kanzlerin erfolgreich durchgesetzt hat und damit auch Führungsqualität gezeigt hat, die von linker Seite oft angezweifelt wird. Wir haben in der Tat als Wirtschaftsrat schon vor Monaten gefordert, dass in der nächsten Legislaturperiode zunächst mal eine Steuerreform und dann aber auch mit Aussicht auf Steuersenkung insbesondere für die Leistungsträger in dieser Gesellschaft notwendig gemacht werden muss.

    Müller: Halten Sie viele in Ihrer Partei, viele Ministerpräsidenten für links?

    Lauk: Von daher kamen keine Angriffe gegen unser Konzept, die Leistungsträger zu entlasten, sondern es wurde lediglich darauf hingewiesen, dass aus deren Sicht die finanzielle Lage schwierig geworden ist. Das ist in der Tat so, das kann kein Mensch bestreiten. Wir haben die nächsten ein, zwei Jahre mit Sicherheit hohe Budget-Defizite, die in den nächsten ein, zwei Jahren eine Steuersenkung nicht zulassen, aber wir reden ja über die gesamte Legislaturperiode bis 2013 und da muss es schon möglich sein, wenn die Krise überwunden ist, den Leistungsträgern, die uns aus der Krise mit herausgezogen haben, wieder etwas mehr Netto vom Brutto zu geben.

    Müller: Herr Lauk, ich möchte da noch mal nachfragen. Steht demnach Wolfgang Schäuble für Sie links?

    Lauk: Nein! Wolfgang Schäuble steht in keiner Frage links. Wir verstehen uns bestens und er ist auch dem Wirtschaftsrat sehr verbunden. Das bedeutet nicht, wenn er sagt, dass Steuererhöhungen nicht möglich sind, dass er links steht, sondern ich habe darauf Bezug genommen, dass die Linksparteien den Bürgern mit Steuererhöhungen in den Wahlkampf gehen und Steuererhöhungen versprechen, sowohl die Grünen als auch die SPD, und zwar durchweg, sodass wir den Bürgern jetzt eine ganz klare Wahl geben können zwischen Steuererhöhungsparteien und solchen, die sagen, wir wollen das Steuersystem erst reformieren und dann über Steuersenkungen an der einen oder anderen Stelle bei den Leistungsträgern nachdenken und das durchsetzen.

    Müller: Dann haben sich, wenn wir Ihnen folgen, die CDU-Ministerpräsidenten Böhmer, Carstensen, Tillich heftig verrechnet?

    Lauk: Die haben sich in der Tat verrechnet über die Führungsstärke der Kanzlerin. Wir haben in der Tat die Situation, dass wir erst aus der Krise rauskommen müssen und dann den Leuten, die Leistungsträger sind, hier wieder etwas zurückgeben müssen.

    Müller: Herr Lauk, blicken wir nach vorne, in diese nächste Legislaturperiode. Die Daten: Minus sechs Prozent Konjunktureinbruch, Anstieg der Arbeitslosigkeit, Rekordverschuldung. Dann in dieser Situation will die CDU Steuern senken. Wer soll das glauben?

    Lauk: Zunächst mal nicht in dieser Situation, Herr Müller. Es geht zunächst mal - und das ist Konsens, soweit ich das überblicke - darum, dass wir aus dieser Krise heraus müssen. Das heißt, in der schweren Situation, die jetzt auf uns zukommt, mit hohem Budget-Defizit - Sie haben völlig zurecht darauf hingewiesen -, ist natürlich eine Steuersenkung, ich sage mal, 2010 und 2011, 2012 voraussichtlich auch noch, nicht möglich. Wir reden dann aber über zwei Dinge. Erstens, wenn wir die Krise überwunden haben, dass wir dann - ich sage das noch mal - denen, die einen Beitrag geleistet haben, durch ihren Einsatz und ihre Leistung, wieder etwas zurückgeben. Die können wir nicht permanent belasten. Wir können nicht den Spitzensteuersatz bei 52.000 Euro lassen, der muss ein Stück weit verändert werden und nach oben gesetzt werden, um den Mittelstandsbauch, wie man das so nennt, zu vermindern. Und wir müssen zweitens natürlich die Situation, was die Wege aus der Krise angeht, auch durch ein ganzes Stück Steuerreform leichter machen. Ich sage mal, wir haben in der jüngsten Steuergesetzgebung eine Situation, dass wir rezessionsverschärfende Steuervorschriften haben, zum Beispiel die Zinsschranke, die Verlustverrechnung und die gewerbliche Hinzurechnung. Das heißt, diese Dinge müssen jetzt unmittelbar weg, weil sie durch die Steuergesetzgebung, die gerade erst eingeführt worden ist von Herrn Steinbrück, rezessionsverschärfend sind. Also wir müssen an verschiedenen Punkten gleichzeitig arbeiten.

    Müller: Hat Peer Steinbrück das alleine gemacht, oder hat die Union zugestimmt?

    Lauk: Das war eindeutig ein Vorschlag von Herrn Steinbrück, der in der Koalition verabschiedet worden ist, gegen Murren in der CDU. Das ist nun mal so in einer Großen Koalition.

    Müller: Das heißt, Peer Steinbrück hat da die alleinige Verantwortung?

    Lauk: Der hat da die federführende Verantwortung, in der Tat.

    Müller: Aber sie sitzen noch mit am Regierungstisch?

    Lauk: Wir sitzen in der Großen Koalition und schlucken kräftig mit, wenn die Koalition erhalten werden soll.

    Müller: Habe ich Sie dann richtig verstanden, Herr Lauk, wie das auch die FDP, wie das auch Guido Westerwelle vorschlagen, die Steuersenkungen könnten eine Möglichkeit sein, aus der Krise herauszuführen, und nicht erst dann aktiv werden, wenn die Krise beendet ist?

    Lauk: Da ist ein Element richtig dran, das hat der Wirtschaftsrat gefordert, das ist auch Gesprächsgegenstand innerhalb der Koalition. Selbst Steinbrück ist in der Lage, Fehler zuzugeben. Er arbeitet dran auf Bitten der CDU, die Zinsschranke und die Verlustverrechnung neu zu überdenken und zu verändern, eben weil es ein Beitrag sein kann, aus der Krise herauszuführen.

    Müller: Kalte Progression ist das Stichwort, Mittelklasse, Mittelschicht. Das haben Sie eben selbst angesprochen. Da geht es ja um die Steuertarife. Das heißt, wenn einer mehr verdient und ist in einer schlechten Progression, dann hat er Netto nicht mehr heraus. Wird das definitiv verändert?

    Lauk: Das muss verändert werden. Hier haben wir den Teil der Bevölkerung, die täglich zur Arbeit gehen, einen Arbeitsplatz haben, sich einsetzen, leistungsbereit sind, und dem wird bei Erhöhung des Gehaltes mehr genommen, als erhöht worden ist. Das heißt oft, vom Brutto bleibt weniger Netto. Das muss weg, das geht nicht.

    Müller: Wie haben Sie die Kanzlerin denn überzeugen können, denn bislang hat Angela Merkel das ja alles weit von sich gewiesen und auch die CSU für diese Steuersenkungsschritte und Vorschläge kritisiert?

    Lauk: Zunächst mal spricht die Sache für sich selbst. Das ist der eine Punkt. Der zweite Punkt ist: Wir müssen auch der Bevölkerung eine Wahlmöglichkeit geben zwischen Steuererhöhungs- und Steuersenkungsparteien, und auch das spielt selbstverständlich im Wahlkampf eine Rolle. Der wichtigste Punkt jedoch ist, dass der sogenannte Mittelstandsbauch, also die Bestrafung der Leistungsträger durch überhöhte Steuern, das muss beseitigt werden.

    Müller: Können Sie, Herr Lauk, mit dieser Ankündigung, Steuersenkungen machen zu wollen in der nächsten Legislaturperiode, den Hörern des Deutschlandfunks garantieren, dass das auch so kommen wird?

    Lauk: Garantien gibt es weder in der Politik, noch in der Wirtschaft, noch in der Zukunft. Wir sind aber fest überzeugt, dass es programmatische Punkte gibt, die dringend angegangen werden müssen, wenn diese Gesellschaft beieinander bleiben soll. Das ist unser Ziel und dazu gehört auch eine Steuerreform und, wenn es uns wieder besser geht, eine Steuersenkung.

    Müller: Wir bleiben dabei, wir halten das fest: es ist lediglich ein Wahlversprechen?

    Lauk: Nicht! Wissen Sie, Wahlversprechen ist zu wenig. Der erste Schritt ist eine Steuerreform. Das heißt, die Entlastung des Mittelstandsbauches wird unmittelbar stattfinden müssen, ohne dass möglicherweise insgesamt die Steuerlast gesenkt wird. Wir müssen aber dann dazu übergehen, auch auf Steuersenkungen zuzugehen, in dem Moment, wo es die Haushaltslage wieder erlaubt, und das ist, glaube ich, eine ganz klare Aussage und dafür sollten wir kämpfen.

    Müller: Bei uns im Deutschlandfunk Kurt Lauk, Präsident des CDU-Wirtschaftsrats. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.